
Bernard Tissier de Mallerais, Bischof der Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX), ist nicht mehr aus dem künstlichen Koma erwacht. In dieses war er von Ärzten im Krankenhaus versetzt worden, nachdem er auf einer Treppe im Priesterseminar von Ecône gestürzt war. Die Priesterbruderschaft hatte in zwei Kommuniqués, zuletzt am vergangenen Freitag, um das Gebet für den Bischof ersucht.
In der Traueranzeige des Generaloberen der Piusbruderschaft, Pater Davide Pagliarani, heißt es:
„Mit Schmerz und Trauer geben wir bekannt, daß Seine Exzellenz Bischof Bernard Tissier de Mallerais, Weihbischof der Priesterbruderschaft St. Pius X., am Dienstag, dem 8. Oktober 2024, um 22:08 Uhr, versehen mit den Sakramenten unserer heiligen Mutter Kirche, von Gott heimberufen wurde.“
Bischof Tissier de Mallerais wurde 79 Jahre alt, von denen er 49 Jahre Priester und 36 Jahre Bischof war. Er wurde am 14. September 1945 in Sallanches in Hochsavoyen (Frankreich) geboren und gehörte zu den allerersten Seminaristen, die sich 1969 in Freiburg im Üechtland Erzbischof Marcel Lefebvre anschlossen. Am 29. Juni 1975 wurde er von diesem in Ecône, wohin Msgr. Lefebvre das Priesterseminar seiner Gemeinschaft verlegt hatte, zum Priester geweiht. Bald nach seiner Priesterweihe leitete Tissier de Mallerais als Regens von 1978 bis 1983 dieses Priesterseminar im Kanton Wallis in der Schweiz. Zuvor war er von 1974 an bereits Generalsekretär der Piusbruderschaft gewesen. Ein Amt, das er erneut von 1984 bis 1996 bekleidete.

Am 30. Juni 1988 gehörte der damals 42 Jahre alte Tissier de Mallerais zu den vier von Erzbischof Lefebvre ausgewählten Priestern, die dieser ohne Erlaubnis von Papst Johannes Paul II. zu Bischöfen weihte, um in dem herrschenden „Notstand“, auf den sich der ehemalige Generalobere des Spiritanerordens berief, das Überleben der Tradition zu sichern. Tissier de Mallerais „widmete sich bis zum Ende mit Demut, Eifer und Treue seinen Aufgaben als Weihbischof der Priesterbruderschaft St. Pius X“, so die Traueranzeige.
Als Konsequenz der unerlaubten, wenn auch gültigen Bischofsweihe galten Tissier de Mallerais zusammen mit seinen drei anderen geweihten Mitbrüdern und den Weihespendern, darunter auch Erzbischof Lefebvre, als latae sententiae exkommuniziert. Entsprechend wurden sie auch behandelt. Mehr als 20 Jahre lebte der Bischof in dieser belastenden Situation, bis Papst Benedikt XVI. Anfang 2009 die Exkommunikation der vier neugeweihten Bischöfe für aufgehoben erklärte.
Der Gesundheitszustand von Bischof Tissier de Mallerais war bereits seit Jahren angeschlagen, was schon seit längerem Überlegungen und Spekulationen über die Notwendigkeit neuer Bischofsweihen auslöste. Von den ursprünglich vier vor 36 Jahren geweihten Bischöfen stehen der Piusbruderschaft nach dem Ausschluß von Bischof Richard Williamson und dem Tod von Bischof Tissier de Mallerais nur mehr zwei zur Verfügung. Zu wenige, wie man sich in der Piusbruderschaft weitgehend einig ist.
Es gibt Gerüchte, daß geeignete Kandidaten bereits seit einiger Zeit ins Auge gefaßt seien. Unklar ist, ob das Thema von Bischofsweihen durch den seit 2018 amtierenden Generaloberen Pater Pagliarani bereits bei Papst Franziskus deponiert wurde. Bedeckt hält man sich in der Bruderschaft auch darüber, ob der Papst überhaupt um Erlaubnis für Bischofsweihen ersucht wird, wovon allerdings auszugehen ist. Wie Franziskus darauf reagieren und ob er diese gewähren wird, ist aufgrund der eigenwilligen Persönlichkeit des argentinischen Papstes völlig offen. Weniger unklar scheint, daß die Bruderschaft entschlossen ist, falls Rom die Weihen nicht erlauben sollte, erneut den Weg zu gehen, den bereits Erzbischof Lefebvre gegangen ist. Darauf würde eine erneute Exkommunikation folgen, die auch die Weihespender, die Bischöfe Fellay und de Galarreta, treffen würde. Die Vorstellung eines solchen Déjà-vu wird mit gemischten Gefühlen gesehen, doch herrscht allgemein die Entschlossenheit, es notfalls darauf ankommen zu lassen.
Durch den Tod von Bischof Tissier de Mallerais verfügt die Piusbruderschaft selbst nicht mehr über die drei für eine Bischofsweihe eigentlich vorgeschriebenen Bischöfe. Die Weihe selbst erfolgt durch einen Bischof, der als Hauptkonsekrator handelt. Dieser sollte aber von mindestens zwei assistierenden Bischöfen in der Funktion von Mitkonsekratoren unterstützt werden. Allerdings nahm Erzbischof Lefebvre aufgrund des erwähnten „Notstandes“, den die kirchliche Praxis kennt, die Bischofsweihen von 1988 nur mit einem assistierenden Bischof, dem deutschstämmigen brasilianischen Bischof Antônio de Castro Mayer (1904–1991), vor.
Insgesamt zeichnet sich ab, daß das Thema neuer Bischofsweihen bei der Piusbruderschaft spätestens ab dem kommenden 18. Oktober auf der Tagesordnung stehen wird.
Am Freitag, dem 18. Oktober, wird im Priesterseminar St. Pius X. in Ecône um 9:30 Uhr die Begräbnismesse für Bischof Bernard Tissier de Mallerais zelebriert werden. Anschließend wird seine Beisetzung in der Krypta der Seminarkirche stattfinden, in der seit 2020 auch der 1991 verstorbene Erzbischof Lefebvre bestattet ist.

Text: Giuseppe Nardi
Bild: FSSPX aktuell