Freimaurerei und Esoterik in Rußland seit dem 18. Jahrhundert (Teil 3)


Leo Tolstoi bietet in seinem Werk "Krieg und Frieden" Einblick in die russische Freimaurerei des frühen 19. Jahrhunderts
Leo Tolstoi bietet in seinem Werk "Krieg und Frieden" Einblick in die russische Freimaurerei des frühen 19. Jahrhunderts

Frei­mau­re­rei und Eso­te­rik in Ruß­land seit dem 18. Jahr­hun­dert (Teil 1)
Frei­mau­re­rei und Eso­te­rik in Ruß­land seit dem 18. Jahr­hun­dert (Teil 2)

Anzei­ge

Von Pater Pao­lo M. Siano*

3. Freimaurerei und Esoterik in „Krieg und Frieden“ von Leo Tolstoi

Im Febru­ar 2015 ver­öf­fent­lich­te der Ver­lag Viel­la das Buch „L’alambicco di Lev Tol­stoj. Guer­ra e pace e la massoneria rus­sa“ („Der Alem­bik von Leo Tol­stoi. Krieg und Frie­den und die rus­si­sche Frei­mau­re­rei“, Rom 2015) von Raf­fa­el­la Fag­gio­na­to. Auf der Rück­sei­te des Buches fin­det sich ein kur­zer Lebens­lauf der Autorin: „Raf­fa­el­la Fag­gio­na­to lehrt rus­si­sche Spra­che und Lite­ra­tur an der Uni­ver­si­tät Udi­ne. Sie beschäf­tigt sich mit der Geschich­te der Frei­mau­re­rei und des Rosen­kreu­zer­tums im Ruß­land des acht­zehn­ten Jahr­hun­derts (ein The­ma, dem ihr Auf­satz „A Rosi­cru­ci­an Uto­pia in Eigh­te­enth-Cen­tu­ry Rus­sia. The Maso­nic Cir­cle of N.I. Nowi­kow“, Sprin­ger, 2005, gewid­met ist) und den Ver­bin­dun­gen zwi­schen frei­mau­re­risch-rosen­kreu­ze­ri­scher Kul­tur und rus­si­scher Lite­ra­tur, ins­be­son­de­re im Werk von Pusch­kin und Tolstoi.“

In der Ein­lei­tung schreibt Frau Prof. Fag­gio­na­to: „Die kom­ple­xe Ent­ste­hungs­ge­schich­te von Krieg und Frie­den ist in Tau­sen­den von Manu­skript­blät­tern fest­ge­hal­ten, die unor­dent­li­che Noti­zen, Dia­gram­me, hin­zu­ge­füg­te und gestri­che­ne Tei­le, Ände­run­gen und Umschrei­bun­gen ent­hal­ten, in denen sich Tol­stois schwie­ri­ge Hand­schrift mit der sau­be­re­ren Hand­schrift sei­ner Frau Sof­ja Andre­jew­na Behrs und ande­rer gele­gent­li­cher Schrei­ber abwech­selt. Die Blät­ter decken einen Zeit­raum von 1863 bis 1869 ab, fast sie­ben Jah­re, in denen das Werk sei­ne ideel­le Aus­rich­tung, sei­ne Struk­tur und sei­nen Titel änder­te, in denen sich die Figu­ren ver­än­der­ten und in denen sich Tol­stois Schreib­stil und Erzähl­tech­nik änder­ten“ (S. 11).

In die­sem Roman beschreibt Leo Tol­stoi (1828–1910) das Ruß­land des frü­hen 19. Jahr­hun­derts und inter­es­siert sich auch für die rus­si­sche Frei­mau­re­rei: „Tol­stoi mach­te aus­gie­big Gebrauch von frei­mau­re­ri­schen Quel­len, sowohl von den ver­öf­fent­lich­ten Quel­len in sei­ner Biblio­thek als auch von den Manu­skrip­ten, die er in den Archi­ven der dama­li­gen Zeit ent­deck­te. Er nutz­te sie nicht nur, um Ideen zu erfas­sen und ihren Inhalt zu ver­ste­hen, son­dern auch, um eine Erzähl­tech­nik zu ent­wickeln, die das wört­li­che Zitat der Quel­len selbst zu einem struk­tu­rel­len Ele­ment macht. Die Iden­ti­fi­zie­rung der Manu­skrip­te, die der Schrift­stel­ler auf sei­nem Schreib­tisch hat­te, schien mir daher ein grund­le­gen­des Moment für die Rekon­struk­ti­on der Geschich­te einer so rät­sel­haf­ten Bezie­hung zur fas­zi­nie­ren­den Welt der Frei­mau­re­rei“ (S. 15f).

3.1 Nowikow, die Martinisten, das Rumjanzew-Museum

Prof. Fag­gio­na­to schreibt, daß „Utren­ni svet“ („Das Mor­gen­licht“) die erste in Ruß­land ver­öf­fent­lich­te Frei­mau­rer­zeit­schrift ist. Zwi­schen 1777 und 1780 bestand die Redak­ti­on in St. Peters­burg aus zehn jun­gen Frei­mau­rern, die sich um den Jour­na­li­sten und Her­aus­ge­ber Niko­lai Iwa­no­witsch Nowi­kow schar­ten, der eini­ge Jah­re spä­ter die See­le einer Strö­mung der rus­si­schen Frei­mau­re­rei wer­den soll­te, die als Rosen­kreu­zer oder Mar­ti­ni­sten bekannt wur­de. Im Vor­wort der ersten Aus­ga­be erklärt Nowi­kow, daß das Haupt­ziel der Zeit­schrift dar­in besteht, den Men­schen zu erzie­hen, ihm sei­ne Wür­de als Mit­tel­punkt der Schöp­fung zurück­zu­ge­ben und ihm zu hel­fen, sein eige­nes gött­li­ches Wesen zu erken­nen. Außer­dem erklärt Nowi­kow, daß die Wer­ke der Alten, Grie­chen, Ägyp­ter, Latei­ner, der Selbst­er­kennt­nis gewid­met waren, der die Zeit­schrift Raum geben will. Fag­gio­na­to erklärt, daß sich der jun­ge Tol­stoi von den huma­ni­sti­schen und auf­klä­re­ri­schen Idea­len des Frei­mau­rers Nowi­kow und sei­nes Initia­ti­ons­krei­ses ange­zo­gen fühl­te (vgl. S. 43f).

Tol­stois „Krieg und Frieden“

Der Begriff „Mar­ti­nis­mus“ bezieht sich auf die frei­mau­re­ri­sche und theur­gi­sche Bewe­gung, die in Frank­reich durch das Werk von Mar­ti­nez de Pas­qual­ly (1727–1774) ent­stand und spä­ter von sei­nem Sekre­tär Lou­is-Clau­de de Saint-Mar­tin modi­fi­ziert wur­de. Der Mar­ti­nis­mus von de Saint-Mar­tin ist eine Syn­the­se aus Chri­sten­tum und jüdi­scher Kab­ba­la im Gei­ste der Mystik von Jakob Böh­me (vgl. S. 58).

1782 trat Nowi­kows Kreis dem Orden des Gol­de­nen Rosen­kreu­zes in Ber­lin bei [den ich im zwei­ten Teil erwähnt habe]. Die­se Mit­glied­schaft ver­schaff­te den rus­si­schen Frei­mau­rern eine pre­sti­ge­träch­ti­ge inter­na­tio­na­le Aner­ken­nung und ermög­lich­te es ihnen, sich mit der west­li­chen eso­te­ri­schen Lite­ra­tur ver­traut zu machen. Im Jahr 1785 über­setz­te und ver­öf­fent­lich­te Nowi­kow in Mos­kau das Werk „Des err­eurs et de la véri­té“ („Von Irr­tü­mern und der Wahr­heit“) von Lou­is-Clau­de de Saint-Mar­tin auf rus­sisch, das für die rus­si­schen Frei­mau­rer zur Pflicht­lek­tü­re wur­de und durch das sie unter ande­rem mit der eso­te­ri­schen Sym­bo­lik ver­traut wur­den. Daher die Ver­wechs­lung der Bezeich­nun­gen „Rosen­kreu­zer“ und „Mar­ti­nist“, die in den anti­frei­mau­re­ri­schen Pam­phle­ten jener Zeit prak­tisch gleich­ge­setzt wer­den (vgl. S. 58f). Auch Iwan Jelagin, Sekre­tär Katha­ri­nas II. und eine füh­ren­de Per­sön­lich­keit der St. Peters­bur­ger Frei­mau­re­rei, schätz­te das Werk de Saint-Mar­tins (vgl. S. 59). Pro­fes­sor Fag­gio­na­to bemerkt: „Aber die rus­si­schen Mar­ti­ni­sten hat­ten sich nicht auf eine ober­fläch­li­che und ver­mit­tel­te Kennt­nis der her­me­ti­schen Dis­zi­pli­nen beschränkt. Durch den Kanal der Mut­ter­lo­ge Zu den drei Welt­ku­geln in Ber­lin hat­ten sie alle Klas­si­ker der her­me­ti­schen und gno­sti­schen Tra­di­ti­on der Spät­re­nais­sance erhal­ten, zusam­men mit den grund­le­gen­den Wer­ken der gro­ßen deut­schen Mysti­ker und Theo­so­phen. Von die­ser rie­si­gen Samm­lung von Büchern und Manu­skrip­ten hat­ten sie eine Über­set­zungs­ar­beit begon­nen, die bis in die ersten bei­den Jahr­zehn­te des 19. Jahr­hun­derts andau­er­te“ (S. 59f).

Die reich­sten Samm­lun­gen die­ser Wer­ke gin­gen an das Rum­jan­zew-Muse­um, wo Tol­stoi das Mate­ri­al für sei­nen Roman „Krieg und Frie­den“ kon­sul­tier­te.

Fag­gio­na­to zitiert eine Pas­sa­ge des „Mysti­kers“ Karl von Eck­art­shau­sen (1752–1803): „Die wah­re könig­li­che und prie­ster­li­che Wis­sen­schaft ist die Wis­sen­schaft der Rege­ne­ra­ti­on oder die Wis­sen­schaft der Wie­der­ver­ei­ni­gung des gefal­le­nen Men­schen mit Gott“ (S. 293). Dies ist genau das initia­to­ri­sche Ziel, das den eso­te­ri­schen Frei­mau­rern, Rosen­kreu­zern und Mar­ti­ni­sten gemein­sam ist: den Men­schen in sei­nen ursprüng­li­chen Zustand vor dem Sün­den­fall oder der Erb­sün­de zurückzuführen…

3.2 Tolstoi studiert die russische Freimaurerei

Im Dezem­ber 1863 und Febru­ar 1864 rei­ste Tol­stoi nach Mos­kau und traf den Histo­ri­ker Michail Lon­gi­now, von dem er sich Bücher aus­lieh. „Aus Lon­gi­nows Wer­ken, die ab 1857 in ver­schie­de­nen Zeit­schrif­ten ver­öf­fent­licht wur­den, ging her­vor, daß die rus­si­sche frei­mau­re­ri­sche Kul­tur seit dem Ende des 18. Jahr­hun­derts durch eine Mischung aus reli­giö­sem Mysti­zis­mus und fort­schritt­li­chen Bestre­bun­gen gekenn­zeich­net war […]. Die­sel­be Mischung, die der Schrift­stel­ler beim Stu­di­um der Sache der Deka­b­ri­sten in jenen jun­gen Män­nern gefun­den hat­te und die ihn ver­an­laßt hat­te, nach den Bezie­hun­gen zwi­schen Deka­b­ris­mus und Frei­mau­re­rei zu suchen“ (S. 125).

Im Novem­ber 1864 besuch­te Tol­stoi zum ersten Mal das Rum­jan­zew-Muse­um und kehr­te danach mehr­mals dort­hin zurück. Dort wur­den umfang­rei­che Samm­lun­gen her­me­ti­scher, gno­sti­scher und theo­so­phi­scher Wer­ke aus dem Milieu und der Kul­tur der rus­si­schen Rosenkreuzer/​Martinisten auf­be­wahrt, die mit dem Gol­de­nen Rosen­kreu­zer­or­den ver­bun­den waren (vgl. S. 59f).

Zur Frei­mau­re­rei in „Krieg und Frie­den“ und zum frei­mau­re­ri­schen Cha­rak­ter von Pierre Besuch­ow stellt Fag­gio­na­to fest: „[…] Zwi­schen 1867 und 1869 wur­de der Roman tat­säch­lich ‚anders‘. Die Frei­mau­re­rei, die als ein Moment in Pier­res Erzie­hung ein­ge­führt wur­de, aus­ge­hend von der poli­ti­schen und sozia­len Ana­ly­se der Wur­zeln des Deka­b­ris­mus, wird ein Ele­ment sei­nes inne­ren Wachs­tums. Aber was sich im Inne­ren, in der Tie­fe abspielt, kann nur in einer völ­lig neu­en Spra­che aus­ge­drückt wer­den, in der die sym­bo­li­sche Kom­po­nen­te das aus­drücken kann, was sonst nicht gesagt wer­den kann. An die­sem Punkt wird die Leh­re der Frei­mau­rer von einer kon­kre­ten Erfah­rung zu einem uner­schöpf­li­chen Reser­voir von Bil­dern und ‚Hie­ro­gly­phen‘, die den ewi­gen Fra­gen, die sich am Hori­zont des Romans abzeich­nen, eine Stim­me und eine kon­kre­te Gestalt geben“ (S. 219).

Das Rum­jan­zew-Muse­um, in dem Tol­stoi Schrif­ten aus der Hin­ter­las­sen­schaft von Frei­mau­rern fand

Im Roman „Krieg und Frie­den“ gibt es auch den Kon­trast zwi­schen Mos­kau und St. Peters­burg, einen Kon­trast, der für die rus­si­sche Kul­tur zwi­schen dem 18. und 19. Jahr­hun­dert typisch ist: Wäh­rend St. Peters­burg das Zen­trum der Aus­strah­lung der neu­en Lite­ra­tur und des kämp­fe­ri­schen Jour­na­lis­mus ist, ist Mos­kau das Zen­trum der Ver­tei­di­gung der Wer­te der „Tra­di­ti­on“. Pierre Besuch­ow wird in St. Peters­burg als Frei­mau­rer ein­ge­weiht, aber sei­ne inne­re Wie­der­ge­burt wird in Mos­kau statt­fin­den… St. Peters­burg ist das Sym­bol der kal­ten, geo­me­tri­schen Ver­nunft (vgl. S. 254f) und der mephi­sto­phe­li­schen Ver­nunft… Aus Tol­stois Roman erhal­ten wir das Bild von St. Peters­burg als Haupt­stadt einer Frei­mau­re­rei, die sich hin­ter Äußer­lich­kei­ten und For­ma­lis­mus ver­liert, wäh­rend Mos­kau die Haupt­stadt der wah­ren Frei­mau­re­rei sei, die auf eine inne­re Wie­der­ge­burt abzielt (vgl. S. 256).

3.3 Initiatische Konzepte der russischen Freimaurerei

Die Stu­die von Frau Pro­fes­sor Fag­gio­na­to hat das Ver­dienst, die initia­ti­schen Kon­zep­te der rus­si­schen Frei­mau­re­rei des 19. Jahr­hun­derts her­vor­zu­he­ben, die zumin­dest impli­zit aus Tol­stois Werk und expli­zit aus den von ihm kon­sul­tier­ten frei­mau­re­ri­schen Manu­skrip­ten her­vor­ge­hen. Es han­delt sich um Kon­zep­te, die nicht nur die rus­si­sche Frei­mau­re­rei, son­dern die Frei­mau­re­rei als sol­che betreffen.

3.3.1 Ablehnung der Vernunft, Identität von Gegensätzen, Mystik des Widerspruchs

Tol­stoi inter­es­siert sich sowohl für die „äuße­ren Aspek­te, For­meln und Ritua­le“ der Frei­mau­re­rei als auch für die „Spra­che der her­me­ti­schen Wis­sen­schaf­ten, die sich die Frei­mau­re­rei mit ihrer Fähig­keit zu eigen gemacht hat­te, die Dyna­mik des Den­kens aus­zu­drücken, ohne es auf ein­deu­ti­ge Bedeu­tun­gen fest­zu­le­gen“ (S. 17). Es han­delt sich um „eine Dimen­si­on von Kul­tur und Geist, die sich ratio­na­len Erklä­run­gen ent­zieht“ (S. 17). Fag­gio­na­to schreibt, daß auch bei Tol­stoi: „[…] das Bewußt­sein wächst, wie sich alles in unse­ren irdi­schen Ange­le­gen­hei­ten in sein Gegen­teil ver­kehrt, wie das Leben eigent­lich der Tod ist und der Tod der Beginn eines neu­en Lebens. In sei­nem Roman gibt er einem Kos­mos Aus­druck, des­sen Gesetz sich ihm und uns ent­zieht, in dem alles und das Gegen­teil von allem wahr ist. Die her­me­tisch-frei­mau­re­ri­sche Sym­bo­lik hilft ihm, die­ses Para­dox zu ertra­gen und zum Aus­druck zu brin­gen, denn jedes Bild spricht zu ihm von eben die­ser Kom­ple­xi­tät: der Phö­nix, der sich aus sei­ner eige­nen Asche erhebt, die Wie­der­ge­burt aus der Ver­we­sung des Flei­sches, der Über­gang vom Nig­re­do zum Albe­do im alche­mi­sti­schen Werk, der Stein der Wei­sen, die Weis­heit der Zah­len…“ (S. 17).

Prof. Fag­gio­na­to erklärt, daß sich Tol­stoi für den Roman „Krieg und Frie­den“ auf: „Frei­mau­re­ri­sches Ritu­al“, „Alche­mie“, „Kab­ba­la“ bezieht (vgl. S. 17f). Die frei­mau­re­ri­sche Erfah­rung sei eine Initia­ti­ons­rei­se, ein „Pro­zeß von Tod und Wie­der­ge­burt“, um „eine höhe­re Ebe­ne der Exi­stenz“ zu errei­chen (vgl. S. 18)… Tol­stois Frie­den kann im Licht der frei­mau­re­ri­schen und initia­to­ri­schen Welt als Über­win­dung der Gegen­sät­ze Körper–Geist, Ich–Welt, Menschliches–Göttliches und viel­leicht sogar Krieg–Frieden ver­stan­den wer­den (vgl. S. 18f).

Noch zum The­ma der Ver­ei­ni­gung von Gegen­sät­zen: Die rus­si­sche „frei­mau­re­ri­sche Kul­tur“ zwi­schen dem 18. und 19. Jahr­hun­dert zeigt eine „selt­sa­me Mischung aus Mysti­zis­mus und pro­gres­si­ven Ideen“ (vgl. S. 73).

3.3.2 Nein zur menschlichen Vernunft, Tod–Wiedergeburt, mystischer Pantheismus

In den letz­ten bei­den Jah­ren sei­ner Arbeit an „Krieg und Frie­den“ zeigt Tol­stoi gro­ßes Miß­trau­en in die Fähig­keit der mensch­li­chen Ver­nunft, die Ursa­chen der Ereig­nis­se und den letz­ten Sinn und Zweck der Exi­stenz zu ver­ste­hen. Die Hel­den des Romans tei­len die­se Über­zeu­gung, die sich Tol­stoi schon in jun­gen Jah­ren zu eigen macht. Für Tol­stoi sind die Wahr­hei­ten Para­do­xe, die Gewiß­hei­ten der Ver­nunft sind falsch, und erst aus der Erkennt­nis der Irra­tio­na­li­tät des Daseins kann eine Bewe­gung zum Licht hin ent­ste­hen (vgl. S. 223f). Tol­stoi hält auch die Vor­stel­lung für illu­so­risch, man kön­ne im Hin­blick auf das all­ge­mei­ne Wohl aller Men­schen han­deln (vgl. S. 225)… Die Idee des Gemein­wohls, das Stre­ben, für das Gemein­wohl zu han­deln, die Mensch­heit rege­ne­rie­ren zu wol­len, ist eine Illu­si­on der mensch­li­chen Ver­nunft, die ver­dor­ben ist (vgl. S. 226). Es ist not­wen­dig, sich inner­lich von einer sol­chen Illu­si­on zu rei­ni­gen (vgl. S. 227)… Tol­stoi lehnt sowohl den ari­sto­te­li­schen als auch den kar­te­si­schen „Ratio­na­lis­mus“ ab (vgl. S. 227)… Tol­stoi beschäf­tigt sich mit dem Pro­blem des frei­en Wil­lens, des Ver­hält­nis­ses zwi­schen Not­wen­dig­keit und Frei­heit, er stellt sich die Fra­ge, ob es der Zufall, die Will­kür oder die gött­li­che Vor­se­hung ist, die die mensch­li­chen Hand­lun­gen lenkt… Fag­gio­na­to schreibt dazu (ich hebe wich­ti­ge initia­to­ri­sche und frei­mau­re­ri­sche Begrif­fe fett her­vor): „Die Kennt­nis des frei­mau­re­risch-mar­ti­ni­sti­schen Uni­ver­sums lie­fert dem Schrift­stel­ler eine erste Lösung die­ses Pro­blems. Das Kon­zept der Har­mo­nie zwi­schen dem Teil und dem Gan­zen, dem Tol­stoi in den her­me­ti­schen Tex­ten begeg­net und für das die Figur des Bas­de­jew zum Sym­bol wird, läßt die Koexi­stenz von Gegen­sät­zen zu. Der Böh­me-Per­so­na­lis­mus der Mar­ti­ni­sten läßt eine Dimen­si­on der Frei­heit in der Ver­gött­li­chung des Ichs zu, die das Pro­dukt des Gro­ßen Wer­kes ist. Auf der Grund­la­ge die­ser Lek­tü­re gelangt Tol­stois krea­ti­ve Refle­xi­on zu einem Emana­tio­nis­mus sui gene­ris. Gott mani­fe­stiert sich nicht in der Mate­rie der Welt, in der das Prin­zip von Ursa­che und Wir­kung vor­herrscht und jeder Ver­such zu „han­deln“ sich als frucht­los und illu­so­risch erweist. Gott mani­fe­stiert sich in dem sub­jek­ti­ven Uni­ver­sel­len, das die mensch­li­che See­le ist, am Ende eines Pro­zes­ses der Rege­ne­ra­ti­on, der die Form der frei­mau­re­ri­schen Rei­se annimmt und durch auf­ein­an­der­fol­gen­de Tode und Wie­der­ge­bur­ten ver­läuft. Am Ende der Initia­ti­ons­rei­se bewegt sich das Selbst, der samost, an jener Gren­ze der Frei­heit, an der Wahl und Han­deln wie­der mög­lich wer­den, aber Wahl und Han­deln sind nicht mehr das Ergeb­nis eines indi­vi­du­el­len Ego­is­mus, auch nicht eines ratio­na­len Pro­zes­ses, son­dern einer instink­ti­ven Anpas­sung des Teils an das Gan­ze, einer Teil­nah­me an der Bewe­gung des Uni­ver­sums, einer Abstim­mung der indi­vi­du­el­len Stim­me auf die Sym­pho­nie der himm­li­schen Sphä­ren“ (S. 227f, Fett­druck von mir, Kur­siv­druck im Text).

3.3.3 Aus den Notizbüchern des Grafen Sergej Lanskoi: Freimaurerei, Alchemie, Kabbala

Frau Pro­fes­sor Fag­gio­na­to stellt fest, daß vie­le von Tol­stois Anmer­kun­gen und gan­ze Sät­ze aus „Krieg und Frie­den“ mit Pas­sa­gen aus drei Notiz­bü­chern über­ein­stim­men, in denen Graf Ser­gej Lans­koi die frei­mau­re­ri­schen Leh­ren notier­te, die er zwi­schen 1811 und 1815 erhielt (vgl. S. 177).

Ser­gej Lans­koi, Frei­mau­rer und Innenminister

Ser­gej Lans­koi (1787–1862) trat 1810 in die Frei­mau­re­rei ein und spiel­te eine wich­ti­ge Rol­le in den Logen von St. Peters­burg, bis er Unter­prä­fekt des Phö­nix­ka­pi­tels mit dem Initia­ti­ons­na­men „Eques a phoe­nice resur­rec­to“ wur­de. Lans­koi schloß sich der Deka­b­ri­sten-Bewe­gung an, um sich jedoch vor dem ver­such­ten Auf­stand von 1825 von ihr zu tren­nen. Im Jahr 1828 gehör­te er zu den Lei­tern des Theo­re­ti­schen Gra­des des Rosen­kreu­zer­or­dens, der sich nach dem Dekret von 1822, mit dem Zar Alex­an­der I. alle frei­mau­re­ri­schen Ver­ei­ni­gun­gen ver­bo­ten hat­te, im Ver­bor­ge­nen neu kon­sti­tu­ier­te. Lans­koi stand bis zu sei­nem Tod einer Loge des Theo­re­ti­schen Gra­des vor. Im Jahr 1855 ernann­te ihn Zar Alex­an­der II. zum Innen­mi­ni­ster. Vier­zig Jah­re lang lei­te­te Graf Lans­koi zahl­rei­che phil­an­thro­pi­sche und wohl­tä­ti­ge Ver­ei­ne. Nach sei­nem Tod wird ein Teil sei­ner Biblio­thek dem Rum­jan­zew-Muse­um gestif­tet (vgl. S. 174).

Prof. Fag­gio­na­to gibt an, daß Graf Ser­gej Lans­koi der rus­si­schen Pro­vinz­groß­lo­ge des Schwe­di­schen Ritus ange­hör­te (vgl. S. 385), in der die schot­ti­schen Gra­de und der Grad des Theo­re­ti­kers gepflegt wur­den. In einer die­ser Logen der Pro­vinz­groß­lo­ge ließ Tol­stoi sei­ne lite­ra­ri­sche Figur Pierre Besuch­ow aus „Krieg und Frie­den“ in die Frei­mau­re­rei ein­wei­hen (vgl. S. 386). Aber auch im Schat­ten der Logen des Schwe­di­schen Ritus, die eher mystisch-rosen­kreu­ze­risch sind, gibt es Frei­mau­rer, die sich der Poli­tik in einem pro­gres­si­ven Sin­ne wid­men. Und es gibt Frei­mau­rer, die zwei seit 1815 riva­li­sie­ren­de Frei­mau­rer­sy­ste­me fre­quen­tie­ren, näm­lich die Astraea-Groß­lo­ge und die Pro­vinz-Groß­lo­ge des Schwe­di­schen Ritus (vgl. S. 386f)… Das Komi­tee zur Unter­stüt­zung von Wai­sen­kin­dern oder sol­chen aus armen Fami­li­en wird von Ser­gej Lans­koi gelei­tet und besteht aus­schließ­lich aus Frei­mau­rern der Pro­vinz-Groß­lo­ge (vgl. S. 388).

Sogar in der „Dop­pel­mit­glied­schaft“ kön­nen wir eine Art coni­unc­tio oppo­si­torum erkennen…

In einem Notiz­buch mit ele­gan­tem rotem Leder­ein­band schreibt Graf Lans­koi von der Alche­mie (Queck­sil­ber-Schwe­fel-Salz), von frei­mau­re­ri­schen Gra­den („Grad X“) (vgl. S. 179)… Aus einer ande­ren Quel­le ent­nimmt Tol­stoi, daß alles aus der alche­mi­sti­schen Drei­fal­tig­keit „Salz, Schwe­fel und Queck­sil­ber“ besteht… Fag­gio­na­to stellt fest, daß es sich um „mysti­sche und gei­sti­ge Alche­mie“ nach den Leh­ren von Jakob Böh­me und Lou­is-Clau­de de Saint-Mar­tin han­delt (vgl. S. 180). Nach der Alche­mie gelangt der inne­re Mensch durch end­lo­se gei­sti­ge Tode und Wie­der­ge­bur­ten auf eine höhe­re Exi­stenz­ebe­ne… Nach den von Tol­stoi gele­se­nen frei­mau­re­ri­schen und alche­mi­sti­schen Auf­zeich­nun­gen kann der Mensch den Geist-Kör­per-Dua­lis­mus über­win­den… Ado­ni­ram wird von drei bösen Gefähr­ten getö­tet… alles stirbt, aber der getö­te­te Ado­ni­ram ersteht wie­der auf (vgl. S. 180f)…

Aus den frei­mau­re­ri­schen Manu­skrip­ten des Gra­fen Lans­koi lernt Tol­stoi Begrif­fe und Vor­gän­ge des Gro­ßen Wer­kes der Alche­mie: den Über­gang von der Dun­kel­heit zum Licht… die Befrei­ung des Gei­stes aus dem kör­per­li­chen Gefäng­nis (vgl. S. 228f)…

Sehr inter­es­sant sind auch die fol­gen­den Bemer­kun­gen von Pro­fes­sor Fag­gio­na­to zu den alche­mi­stisch-her­me­ti­schen Manu­skrip­ten des Gra­fen Lans­koi: „Vor allem aber waren die­se Manu­skrip­te Aus­druck einer im wesent­li­chen dua­li­sti­schen Denk­wei­se, die den spe­ku­la­ti­ven Bedürf­nis­sen des Ver­fas­sers ent­sprach. Es han­delt sich näm­lich nicht so sehr um einen Dua­lis­mus durch Aus­schluß, bei dem die Beja­hung eines Pols die Ver­nei­nung sei­nes Gegen­teils vor­aus­setzt, son­dern viel­mehr um einen ‚kon­struk­ti­ven Dua­lis­mus‘, der den Wider­spruch zuläßt und ihn an die Basis jener Bewe­gung stellt, die das Leben selbst ist. Die Struk­tur des alche­mi­sti­schen Pro­zes­ses, des Gro­ßen Wer­kes, ist in der Tat wesent­lich dyna­misch. Er beginnt mit dem alche­mi­sti­schen Tod, d. h. mit der Tren­nung der drei Prin­zi­pi­en (Schwe­fel, Queck­sil­ber und Salz – Kör­per, See­le und Geist), auf die wei­te­re Pha­sen fol­gen, in denen sich die Prin­zi­pi­en und Ele­men­te nach und nach in einer neu­en Geburt wie­der ver­ei­nen. Der Pro­zeß ver­läuft nicht line­ar, son­dern in dis­kon­ti­nu­ier­li­chen Etap­pen, die die eigent­li­chen Etap­pen des Wer­kes dar­stel­len. Die Logik, die die­sem Pro­zeß zugrun­de liegt, setzt den Ver­zicht auf die Prin­zi­pi­en der Iden­ti­tät und des Nicht-Wider­spruchs vor­aus, denn der Tod ist nicht der Tod, son­dern neu­es Leben, Wie­der­ge­burt. Das hat auch nichts mit der Hegel­schen Dia­lek­tik zu tun: Die Gegen­sät­ze fal­len nicht dank einer Syn­the­se zusam­men, son­dern es besteht eine Art ‚har­mo­ni­scher Ant­ago­nis­mus‘ zwi­schen ihnen, der sich in einem ewi­gen Kreis­lauf von Tod und Wie­der­ge­burt ver­wirk­licht“ (S. 229f).

Eine Anmer­kung von mir dazu: In Wirk­lich­keit paßt die Hegel­sche Dia­lek­tik da sehr gut hinein.

Auch Lans­kois Cou­sin Alex­an­der war Freimaurer

Prof. Fag­gio­na­to fährt fort: „Die mei­sten alche­mi­sti­schen Tex­te unter­schei­den zwi­schen zwei Wegen, dem trocke­nen und dem nas­sen, auf denen sich der Alche­mist ent­wickelt und sich von einem nie­de­ren zu einem höhe­ren Wesen wan­delt. Auf dem nas­sen Weg, der in der ‚Zeit‘ ver­läuft, liegt die Beto­nung auf der Sequen­zia­li­tät eines Weges, der ver­schie­de­ne Etap­pen durch­läuft; auf dem trocke­nen Weg hin­ge­gen wird die Gleich­zei­tig­keit betont. Bei­de Wege sind jedoch von Zyklen des Auf­baus und der Zer­stö­rung geprägt, in denen sich Ratio­na­li­tät und Irra­tio­na­li­tät, bewuß­te und unbe­wuß­te Sphä­ren, Ver­nunft und Emo­ti­on abwech­seln und auf­ein­an­der­pral­len. Der Alche­mist weiß die cha­rak­te­ri­sti­schen Ele­men­te sowohl des trocke­nen als auch des feuch­ten Weges bei der Ver­wirk­li­chung des Gro­ßen Mysti­schen Wer­kes zu nut­zen, das den Tod des „alten“ Men­schen und die Geburt des kos­mi­schen Men­schen durch die alche­mi­sti­sche Putrefa­tio sieht: eine melan­cho­li­sche, schmerz­haf­te und schla­fen­de Pha­se in der Mate­rie. Auf die­se Kon­zep­te bezie­hen sich die knap­pen Noti­zen, die Tol­stoi beim Stu­di­um der frei­mau­re­ri­schen Manu­skrip­te im Rum­jan­zew-Muse­um gemacht hat und die bereits bespro­chen wur­den“ (S. 230, Fett­druck von mir, Kur­siv­druck im Original).

In der alche­mi­stisch-her­me­ti­schen Mystik und auch in der jüdi­schen Kab­ba­la-Mystik ist das Ziel die höhe­re Lie­be, d. h. die „Ver­ei­ni­gung der Gegen­sät­ze“ oder die Ver­ei­ni­gung von männ­lich und weib­lich (vgl. S. 282f). Eines der in grün-gol­de­nes Leder gebun­de­nen Notiz­bü­cher des Gra­fen Lans­koi illu­striert die Prin­zi­pi­en der Kab­ba­la und der Alche­mie (vgl. S. 284, Fett­druck von mir).

3.3.4 Der Tod für einen Freund…

Frau Pro­fes­sor Fag­gio­na­to geht auch auf die Licht-Dun­kel-Sym­bo­lik ein, die im Zen­trum des frei­mau­re­ri­schen Ritu­als und Den­kens steht. Von die­ser Sym­bo­lik ist auch in den Notiz­bü­chern des Gra­fen Lans­koi die Rede und natür­lich in der Kab­ba­la (vgl. S. 317f)… Dann geht Fag­gio­na­to kurz auf den drit­ten Grad des Frei­mau­rer­mei­sters ein: Der Frei­mau­rer muß in die Dun­kel­heit, in den Tod hin­ab­stei­gen, um das Licht zu fin­den und mit dem Gött­li­chen in ihm wie­der ver­eint zu sein (vgl. S. 318f)…

In den frei­mau­re­ri­schen Kate­chis­men, die seit den 1880er Jah­ren in Ruß­land kur­sie­ren, vor allem in den Logen, die der Uni­on der Pro­vinz­groß­lo­ge ange­hö­ren (der auch Graf Ser­gej Lans­koi ange­hör­te), ist von sie­ben Gebo­ten die Rede, und das sieb­te lau­tet „den Tod lie­ben“, ihn also nicht als „Feind“, son­dern als „Freund“ betrach­ten (vgl. S. 196f). Das Bild von Tod und Wie­der­ge­burt ist in der frei­mau­re­ri­schen Kul­tur wich­tig (vgl. S. 218).

3.4 Einige Figuren aus „Krieg und Frieden“

Zumin­dest eini­ge Figu­ren aus „Krieg und Frie­den“ drücken Begrif­fe aus der eso­te­ri­schen Welt der rus­si­schen Frei­mau­re­rei aus. Sehen wir uns an, was Prof. Fag­gio­na­to ent­deckt hat.

3.4.1 Iwan Lopuchin oder der ältere und esoterische Freimaurer Basdejew von „Krieg und Frieden“

Fag­gio­na­to schreibt über Tol­stoi und sein Wis­sen über die rus­si­sche Frei­mau­re­rei (den „Orden“): „Am 9. Mai 1864 erwarb der Schrift­stel­ler, wie bereits erwähnt, meh­re­re Bücher, die für sein dama­li­ges Wis­sen von grund­le­gen­der Bedeu­tung waren; eini­ge davon betra­fen die Leh­re des Ordens und wur­den in der Drucke­rei von Iwan Lopuch­in ver­öf­fent­licht, die auf die Her­aus­ga­be gno­sti­scher Wer­ke spe­zia­li­siert war. Genau auf die­se Zeit geht die zehn­te Vari­an­te des Anfangs zurück, in der das frei­mau­re­ri­sche The­ma ein­ge­führt wird“ (S. 125).

Iwan Lopuch­in ist auch Frei­mau­rer (vgl. S. 49) der Nowi­kow-Rosen­kreu­zer-Mar­ti­ni­sten-Frei­mau­re­rei (vgl. S. 55f), in der die Theo­so­phie von Jakob Böh­me und das eso­te­ri­sche Den­ken von de Saint-Mar­tin und Swe­den­borg unter­sucht wer­den (vgl. S. 92)… Iwan Lopuch­in, Nowi­kows Mit­ar­bei­ter in der Blü­te­zeit des rus­si­schen Rosen­kreu­zer­tums, ist Über­set­zer und Ver­le­ger, Autor wich­ti­ger Wer­ke über das rus­si­sche Rosen­kreu­zer­tum, aber auch poli­tisch und sozi­al sehr enga­giert, in der Wohl­tä­tig­keits­ar­beit und der Erzie­hung der Jugend. Lopuch­in ist Sena­tor für Justiz­an­ge­le­gen­hei­ten, ist gegen kör­per­li­che Züch­ti­gung und setzt sich für ver­folg­te Min­der­hei­ten ein (vgl. S. 95). Gera­de von Lopuch­in läßt sich Tol­stoi für die Figur des alten Frei­mau­rers und Mar­ti­ni­sten­füh­rers Pierre Besuch­ow inspi­rie­ren (vgl. S. 96).

Rus­si­sches Freimaurersiegel

Im zwei­ten Teil des zwei­ten Ban­des von „Krieg und Frie­den“ wird Pierre Besuch­ow in eine Frei­mau­rer­lo­ge auf­ge­nom­men (vgl. S. 25). In einer der ersten Vari­an­ten von „Krieg und Frie­den“ sucht Pierre Besuch­ow die Aus­wan­de­rung und trifft einen alten Frei­mau­rer und Mar­ti­ni­sten, der ihm hel­fen kann. Aus dem Gespräch Besuch­ows mit dem alten Frei­mau­rer geht die Vor­stel­lung her­vor, daß es in der Natur gegen­sätz­li­che Kräf­te gibt, die jedoch, wenn sie auf­ein­an­der­tref­fen, Har­mo­nie und Glück her­vor­brin­gen (vgl. S. 137–139)… Der alte Frei­mau­rer und Mar­ti­nist erklärt Pierre, daß die gesam­te Schöp­fung von Gott kommt und zu Gott zurück­kehrt und daß der Mensch in sei­nen Zustand als Engel zurück­keh­ren kann, weil er – nach der mar­ti­ni­sti­schen Leh­re – der letz­te der Gei­ster und das erste der mate­ri­el­len Wesen ist (vgl. S. 140f).

In „Krieg und Frie­den“ ist Josif Bas­de­jew der Frei­mau­rer, der sich von den St. Peters­bur­ger Frei­mau­rern los­ge­sagt hat und in Mos­kau lebt. Bas­de­jew ist es, der Pierre zur „Erleuch­tung“, zur wah­ren initia­to­ri­schen Wie­der­ge­burt, führt (vgl. S. 256)… Pierre unter­schei­det die Frei­mau­rer in vier Klas­sen: 1) die alten Mysti­ker der vor­an­ge­gan­ge­nen Gene­ra­ti­on; 2) die Jun­gen, die wie er auf der Suche nach der Wahr­heit sind; 3) die For­ma­li­sten, die nur dem Ritu­al ver­pflich­tet sind; 4) die Oppor­tu­ni­sten, die in der Frei­mau­re­rei die Bekannt­schaft rei­cher und mäch­ti­ger Leu­te suchen. Bas­de­jew, ein alter Frei­mau­rer und Mar­ti­nist, wird in die Kate­go­rie jener Frei­mau­rer ein­ge­ord­net, die völ­lig in die Geheim­nis­se der frei­mau­re­ri­schen Wis­sen­schaft, der Alche­mie und der Hei­li­gen Geo­me­trie ver­tieft sind (vgl. S. 258f)… Bas­de­jew und Pierre gehö­ren (in „Krieg und Frie­den“) dem Grad des „Rit­ters des Ostens und Jeru­sa­lems“ an, der einer der Hoch­gra­de der Frei­mau­re­rei des Schwe­di­schen Systems ist (vgl. S. 260). Selbst als alter und ster­ben­der Mann ist der Frei­mau­rer und Mar­ti­nist Bas­de­jew in das Stu­di­um der „wah­ren Wis­sen­schaft“, d. h. der leben­di­gen Alche­mie, ver­tieft, die auf Selbst­er­kennt­nis, inne­re Voll­kom­men­heit und die höch­ste Tugend, d. h. die Lie­be zum Tod. Durch den Tod wird die Wie­der­ge­burt des Men­schen und der Natur ver­wirk­licht… Bas­de­jew ist in der Tat ein Sym­bol, eine ent­schei­den­de Etap­pe in Pier­res Initia­ti­ons­rei­se (vgl. S. 263)…

3.4.2 Karatajew, der Kreis, die Lanskoi-Notizbücher: alchemistische und kabbalistische Androgynie…

Frau Pro­fes­sor Fag­gio­na­to schreibt, daß Pla­ton Kara­ta­jew die letz­te Figur ist, die im Roman „Krieg und Frie­den“ auf­taucht. Kara­ta­jew ist ein rus­si­scher Unter­of­fi­zier, der „alles Rus­si­sche, Gute, Glück­li­che und Run­de“ ver­kör­pert. Tol­stoi betont die Rund­heit Kara­ta­jews: Kopf, Augen, Mund, Haa­re, Hän­de, Schul­tern, Brust… Kara­ta­jews gan­ze Gestalt neigt zum Kreis (vgl. S. 305–308).

War­um beharrt Tol­stoi dar­auf, Kara­ta­jew dem Kreis gegen­über­zu­stel­len? Laut Prof. Fag­gio­na­to fin­det sich Tol­stois Haupt­in­spi­ra­ti­ons­quel­le für Kara­ta­jews „Rund­lich­keit“ in den Manu­skrip­ten des Gra­fen Ser­gei Lans­koi, den Tol­stoi gegen Ende 1867 kon­sul­tier­te, um ande­re Epi­so­den des Romans zu ver­fei­nern (vgl. S. 309).

An die­ser Stel­le geht Fag­gio­na­to zu dem Absatz „Ein klei­nes, in grün-gol­de­nes Leder gebun­de­nes Notiz­buch“ über. Es han­delt sich um das Notiz­buch, in dem der Frei­mau­rer Lans­koi Noti­zen über die „her­me­ti­schen Wis­sen­schaf­ten“ nie­der­schrieb, die in den Logen des Theo­re­ti­schen Gra­des ein bevor­zug­tes Stu­di­en­ob­jekt waren. In die­sen Noti­zen wird der Kreis als Sym­bol Got­tes, des Uni­ver­sums, der Ver­schmel­zung der vier Ele­men­te dar­ge­stellt… Die Kreis­form fin­det sich im Uni­ver­sum, im Makro­kos­mos und auch im Mikro­kos­mos, d. h. im Men­schen (Auge, Pupil­le, Run­dung der Bei­ne, Arme, Fin­ger, des Hal­ses, der Venen, der inne­ren Orga­ne, usw.) (vgl. S. 309f). Fag­gio­na­to bemerkt die „ein­zig­ar­ti­ge Ähn­lich­keit“ zwi­schen die­sen vom Frei­mau­rer Lans­koi nie­der­ge­schrie­be­nen Leh­ren und dem Ganz­kör­per­por­trät von Pla­ton Kara­ta­jew. Die Run­dung Kara­ta­jews ver­weist „auf das alche­mi­sti­sche Ideo­gramm des All-Einen“ (S. 310). In die­sem Notiz­buch wer­den auch Prin­zi­pi­en der jüdi­schen Kab­ba­la, die Bedeu­tung der Buch­sta­ben des hebräi­schen Alpha­bets, die sie­ben Namen Got­tes (vgl. S. 310) erklärt.

Qua­drat, Kreis, alche­mi­sti­sche Drei­fal­tig­keit, Hohe­lied, Baum des Guten und des Bösen… Dies sind Ele­men­te, die von Lans­koi beschrie­ben wer­den und die sich in Tol­stois Roman ver­streut fin­den las­sen. Fag­gio­na­to bemerkt, daß der Name Pla­ton Kara­ta­jew auf eine kab­ba­li­sti­sche Exege­se ver­wei­sen könn­te: „taev“ bedeu­tet im alten Hebrä­isch „begie­rig“, und „rakav“ (nach jüdi­scher Tra­di­ti­on mit wech­seln­den Kon­so­nan­ten) bedeu­tet „ver­eint sein“. Der Name Kara­ta­jew kann also bedeu­ten: „begie­rig, ver­eint zu sein, zur har­mo­ni­schen Ein­heit der Sphä­re zurück­zu­keh­ren“, und das ist es, was Kara­ta­jew in den Augen von Pierre in „Krieg und Frie­den“ zu sein scheint. Außer­dem – so Fag­gio­na­to – kann sich ‚rakav‘ auf ‚Mer­ka­vah‘ (hebrä­isch) bezie­hen, d. h. auf den ‚Wagen‘, die Rei­se von der Schöp­fung in die himm­li­sche Welt, zum Thron Got­tes… Nach der Kab­ba­la steigt man von einer sol­chen mysti­schen Erfah­rung wie­der in das All­täg­li­che hin­ab… Auf­stieg und Abstieg…, genau das, was aus ‚Krieg und Frie­den‘ her­vor­geht (vgl. S. 311).

In die­sem Roman wird Kara­ta­jews Spre­chen und Sin­gen mit dem Gesang der Vögel ver­gli­chen… Fag­gio­na­to bemerkt, daß in der Kab­ba­la, der Magie und Alche­mie der Renais­sance, der Gesang der höch­ste mensch­li­che Aus­druck ist… Die Spra­che der Vögel aber wird als voll­kom­me­ne Spra­che ver­stan­den, die Spra­che der Ein­ge­weih­ten und der Göt­ter (vgl. S. 312).

Nach der Kab­ba­la ist es not­wen­dig, die männ­li­che und die weib­li­che Pola­ri­tät in sich zu ver­ei­nen… Nun, die Klän­ge von Kara­ta­jews Gesang sind immer unver­mit­telt, zart, „fast weib­lich“… Kara­ta­jew spricht mit der lie­be­vol­len, zärt­li­chen, melo­diö­sen Kadenz der alten rus­si­schen Bäue­rin­nen (vgl. S. 312)… Dar­über hin­aus ver­kör­pert der Kara­ta­jew von „Krieg und Frie­den“ auch – schreibt Fag­gio­na­to – „die­sel­be ‚kon­struk­ti­ve Dua­li­tät‘, auf der der alche­mi­sti­sche Pro­zeß beruht, die den Wider­spruch zuläßt und ihn sogar zum Ursprung der Bewe­gung macht, die das Leben selbst ist: ‚Er sag­te oft genau das Gegen­teil von dem, was er vor­her gesagt hat­te, aber das eine und das ande­re war rich­tig‘“ (S. 313).

Auch nach sei­nem Tod bleibt Kara­ta­jew ein Bezugs­punkt. Im Epi­log des Romans fragt Nata­scha Pierre nach sei­nem Enga­ge­ment in einer poli­ti­schen Ver­ei­ni­gung: „Wür­de Kara­ta­jew damit ein­ver­stan­den sein? (vgl. S. 315).

3.5 Tolstoi und die russische Freimaurerei zwischen Orthodoxie und Synkretismus

Wäh­rend die Wis­sen­schaft­le­rin Maria Sémon der Mei­nung ist, daß Tol­stoi in „Krieg und Frie­den“ auf die ortho­do­xe Theo­lo­gie zurück­greift, behaup­ten die Phi­lo­so­phen Lew Sestow (eigent­lich Jehu­da Leib Schwarz­mann, 1866–1938), Niko­lai Berdja­jew (1874–1948) und Was­si­li Rosanow (1856–1919), daß die Ver­herr­li­chung des Kreu­zes, die Ankunft des Erlö­sers und die Geschich­te der Kir­che in Tol­stois Werk nicht vor­kom­men (vgl. S. 367). Prof. Fag­gio­na­to ist der Mei­nung, daß der Schrift­stel­ler Lew Tol­stoi: „[…] eher auf jenen reli­giö­sen Syn­kre­tis­mus der frei­mau­re­risch-rosen­kreu­ze­ri­schen Matrix zurück­greift, der ver­schie­de­ne Glau­bens­rich­tun­gen in einer zeit­lo­sen, weis­heit­li­chen Visi­on des Chri­sten­tums als einer gro­ßen Syn­the­se ver­schmilzt“ (S. 367.

Im Jahr 1822 ver­bot Zar Alex­an­der I. die Frei­mau­re­rei und sie wur­de wie­der ver­steckt. 1828 wird in Mos­kau, eben­falls auf Initia­ti­ve des Gra­fen Lans­koi, der Theo­re­ti­sche Grad wie­der­her­ge­stellt (vgl. S. 389). Die zari­sti­sche Regie­rung führt ein eiser­nes Spit­zel­sy­stem ein, bei dem Agen­ten alle Arten von Ver­ei­ni­gun­gen unter­wan­dern. Es kommt häu­fig zu Durch­su­chun­gen und Beschlag­nah­mun­gen von Büchern und Doku­men­ten. So kommt Fag­gio­na­to zu dem Schluß: „Aber trotz allem bleibt die rosen­kreu­ze­ri­sche Kul­tur mit ihrem Gepäck an her­me­ti­schen Stu­di­en leben­dig und über­dau­ert die Jahr­zehn­te. Tol­stoi wird in der Lage sein, ihre letz­ten Schim­mer auf­zu­fan­gen, die Ver­tre­ter die­ses Uni­ver­sums des Son­nen­un­ter­gangs ken­nen­zu­ler­nen und sich für ihr Leben, ihre Schrif­ten und ihre Welt­an­schau­ung zu begei­stern“ (S. 390).

Tat­säch­lich sind Ele­men­te der rosen­kreu­ze­ri­schen, gno­sti­schen Kul­tur mit der bol­sche­wi­sti­schen Revo­lu­ti­on nicht völ­lig unter­ge­gan­gen, son­dern haben in der Sowjet­uni­on über­lebt, um dann nach dem Unter­gang der UdSSR (wie ein Phö­nix) „wie­der­ge­bo­ren“ zu werden…

(Fort­set­zung Teil 4)

*Pater Pao­lo Maria Sia­no gehört dem Orden der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta (FFI) an; der pro­mo­vier­te Kir­chen­hi­sto­ri­ker gilt als einer der besten katho­li­schen Ken­ner der Frei­mau­re­rei, der er meh­re­re Stan­dard­wer­ke und zahl­rei­che Auf­sät­ze gewid­met hat. Durch sei­ne Ver­öf­fent­li­chun­gen bringt er den Nach­weis, daß die Frei­mau­re­rei von Anfang an bis heu­te eso­te­ri­sche und gno­sti­sche Ele­men­te ent­hielt, die ihre Unver­ein­bar­keit mit der kirch­li­chen Glau­bens­leh­re begründen.

Übersetzung/​Fußnoten: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana/​Wikicommons/​MiL (Screen­shots)

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2 Kommentare

  1. Mei­ner Mei­nung ist Tol­stois Auf­er­ste­hung, sein letz­ter Roman, ein­deu­tig biblisch fun­diert und ver­tei­digt einer­seits sogar die christ­li­che Sexu­al­mo­ral ( In sei­ner Jugend woll­te Nechl­ju­dow bis zur Ehe war­ten, aber die Fami­lie mach­te sich Sor­gen um sei­ne Gesund­heit ), aber kri­ti­siert gleich­zei­tig die Selbst­ge­rech­tig­keit der „Mäch­ti­gen“, die sel­ber Dreck am Stecken haben und ande­re ver­ur­tei­len und bestra­fen, zu denen spä­ter auch Nechl­ju­dow gehört. Auf der letz­ten Sei­te ist sogar die Rede, dass die Wahr­heit in der Bibel und in der Leh­re Chri­sti ent­hal­ten ist.

    Bei Tol­stois frü­he­ren und bekann­te­ren Roma­nen ist das nicht so, beson­ders auf­fal­lend ist der Unter­schied zwi­schen Anna Kare­ni­na und Auf­er­ste­hung, so dass man in sei­nem letz­ten Roman einen deut­li­chen Wan­del der per­sön­li­chen Ein­stel­lung von Tol­stoi hin zum bibli­schen Chri­sten­tum bemerkt, auch wenn er mit der ortho­do­xen Kir­che gebro­chen hat.

  2. Russ­land ist dabei das zu überwinden.
    Betet für das drit­te Rom.
    Wer sich mit Reli­gi­ons­ge­schich­te aus­kennt der weiss, dass Rom, bevor es das Rom von heu­te wur­de, ein Sam­mel­becken für alle heid­ni­schen Leh­ren war, wird es in einem Brief des Apo­stels Petrus doch sogar Baby­lon genannt.
    Schon selt­sam, dass man hier af katho​li​sches​.info gar nichts davon hört, wie Russ­land den Dar­wi­nis­mus, eine Leh­re selbst­herr­li­cher Frei­mau­rer, Weg­be­rei­ter für die Schrecken der Regime in den 30er und 40er Jah­ren, über­win­den will, und die Chan­cen gar nicht so schlecht zu sein scheinen.
    https://​www​.fr​.de/​p​o​l​i​t​i​k​/​n​e​u​-​r​u​s​s​l​a​n​d​-​e​r​f​i​n​d​e​t​-​s​i​c​h​-​d​i​e​-​w​e​l​t​-​9​3​3​1​9​2​3​5​.​h​t​m​l​?​u​t​m​_​s​o​u​r​c​e​=​p​o​c​k​e​t​-​n​e​w​t​a​b​-​d​e​-de
    Und im Übri­gen, Tol­stoj ist auch in Russ­land nicht unumstritten.
    Auch die ortho­do­xe Kir­che weiss um sei­ne gno­sti­schen, anti­christ­li­chen Lehren:
    https://​rus​si​an​-faith​.com/​p​e​o​p​l​e​-​s​a​i​n​t​s​/​r​u​s​s​i​a​n​-​s​a​i​n​t​-​w​h​o​-​h​a​t​e​d​-​t​o​l​s​t​o​y​-​s​t​-​j​o​h​n​-​k​r​o​n​s​t​a​d​t​-​n​7​130

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