Papst Franziskus führt einen alten päpstlichen Titel wieder ein

Bergoglianische Launen?


Die Wiedereinführung des Papsttitels "Patriarch des Abendlandes". Allerdings erfolgte sie nur in eine "historische" Fußnote.
Die Wiedereinführung des Papsttitels "Patriarch des Abendlandes". Allerdings erfolgte sie nur in eine "historische" Fußnote.

(Rom) Der Hei­li­ge Stuhl hat, nach dem Kahl­schlag der ver­gan­ge­nen Jah­re, einen Titel des Pap­stes wie­der­ent­deckt. Die Grün­de dafür sind noch nicht bekannt. Es könn­ten die­sel­ben sein, die vor­her dazu geführt hat­ten, die­sen Titel fal­len­zu­las­sen. Es könn­te auch ein­fach nur sein, weil Fran­zis­kus als Getrie­be­ner immer etwas ande­res tun muß als sein Vor­gän­ger, zwi­schen den und ihn angeb­lich „kein Blatt Papier“ paßt. Doch der Rei­he nach.

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Im März 2006 ließ eine unge­wöhn­li­che Nach­richt auf­hor­chen: Papst Bene­dikt XVI., im ersten Jahr sei­nes Pon­ti­fi­kats, ver­zich­te­te im Annu­a­r­io Pon­ti­fi­cio, dem päpst­li­chen Jahr­buch, auf den Titel „Patri­arch des Abendlandes“.

Die Abschaffung des Titels im Jahr 2006

Das vati­ka­ni­sche Pres­se­amt ver­öf­fent­lich­te dazu am 22. März 2006 fol­gen­de „Klar­stel­lung“ des Päpst­li­chen Rates zur För­de­rung der Ein­heit der Chri­sten:

„Aus histo­ri­scher Sicht bezo­gen sich die alten Patri­ar­chen des Mor­gen­lan­des [Ostens, Ori­ents], die auf den Kon­zi­li­en von Kon­stan­ti­no­pel (381) und Chal­ce­don (451) ein­ge­setzt wur­den, auf ein ziem­lich klar umris­se­nes Ter­ri­to­ri­um, wäh­rend das Ter­ri­to­ri­um des Stuhls des Bischofs von Rom unbe­stimmt blieb. Im Osten wur­de der Papst im Rah­men des kai­ser­li­chen Kir­chen­sy­stems von Justi­ni­an (527–565) neben den vier öst­li­chen Patri­ar­cha­ten (Kon­stan­ti­no­pel, Alex­an­dri­en, Antio­chi­en und Jeru­sa­lem) als Patri­arch des Abend­lan­des [Westens, Okzi­dents] ein­ge­setzt. Rom hin­ge­gen bevor­zug­te die Idee der drei petri­ni­schen Bischofs­sit­ze: Rom, Alex­an­dri­en und Antio­chi­en. Das 4. Kon­zil von Kon­stan­ti­no­pel (869–870), das 4. Late­r­an­kon­zil (1215) und das Kon­zil von Flo­renz (1439) nann­ten den Papst als den ersten der damals fünf Patri­ar­chen, ohne den Titel ‚Patri­arch des Abend­lan­des‘ zu verwenden.

Der Titel ‚Patri­arch des Abend­lan­des‘ wur­de im Jahr 642 von Papst Theo­dor I. ein­ge­führt. Er erleb­te sei­ne Blü­te­zeit im 16. und 17. Jahr­hun­dert im Zusam­men­hang mit der Ver­viel­fäl­ti­gung der Papst­ti­tel; im Annu­a­r­io Pon­ti­fi­cio erschien er erst­mals 1863.

Heu­te ist die Bedeu­tung des Begriffs ‚Abend­land‘ [Westen] in einen kul­tu­rel­len Kon­text ein­ge­bet­tet, der sich nicht nur auf West­eu­ro­pa bezieht, son­dern von den Ver­ei­nig­ten Staa­ten bis nach Austra­li­en und Neu­see­land reicht und sich somit von ande­ren kul­tu­rel­len Kon­tex­ten unter­schei­det. Es ist klar, daß die­se Bedeu­tung des Begriffs ‚Westen‘ weder ein kirch­li­ches Ter­ri­to­ri­um bezeich­nen soll noch als Defi­ni­ti­on eines patri­ar­cha­li­schen Ter­ri­to­ri­ums ver­wen­det wer­den kann. Wenn die­ser Begriff eine Bedeu­tung erhal­ten soll, die in der kirch­li­chen Rechts­spra­che anwend­bar ist, kann er nur in bezug auf die latei­ni­sche Kir­che ver­stan­den wer­den. So wür­de der Titel ‚Patri­arch des Abend­lan­des‘ das beson­de­re Ver­hält­nis des Bischofs von Rom zu die­sem beschrei­ben und könn­te die beson­de­re Juris­dik­ti­on des Bischofs von Rom für die latei­ni­sche Kir­che ausdrücken.

Da der Titel ‚Patri­arch des Abend­lan­des‘ von Anfang an unklar war, wur­de er im Lau­fe der Geschich­te obso­let und prak­tisch unbrauch­bar. Es macht daher kei­nen Sinn, auf der Bei­be­hal­tung die­ses Titels zu bestehen, zumal die katho­li­sche Kir­che mit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil für die latei­ni­sche Kir­che in Form der Bischofs­kon­fe­ren­zen und ihrer inter­na­tio­na­len Tref­fen der Bischofs­kon­fe­ren­zen eine den heu­ti­gen Bedürf­nis­sen ange­mes­se­ne kano­ni­sche Ord­nung gefun­den hat.

Der Ver­zicht auf den Titel ‚Patri­arch des Abend­lan­des‘ ändert natür­lich nichts an der vom Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil so fei­er­lich erklär­ten Aner­ken­nung der alten patri­ar­cha­len Kir­chen. Der Ver­zicht auf die­sen Titel möch­te einen histo­ri­schen und theo­lo­gi­schen Rea­lis­mus zum Aus­druck brin­gen und könn­te gleich­zei­tig dem öku­me­ni­schen Dia­log dienen.“

Päpst­li­ches Jahr­buch 2024

Um kei­ne Miß­ver­ständ­nis­se auf­kom­men zu las­sen und dem mög­li­chen Ein­druck ent­ge­gen­zu­tre­ten, der Titel Patri­arch des Abend­lan­des sei erst 1863 amt­lich ver­wen­det wor­den: Der Titel ist seit dem 5. Jahr­hun­dert belegt und wur­de von Kai­ser Justi­ni­an I. (527–565) kodi­fi­ziert. Er wur­de von den Päp­sten und der Kir­che mehr als 1500 Jah­re lang ver­wen­det. 1863 wur­de er ledig­lich erst­mals in einem Annu­a­r­io Pon­ti­fi­cio ver­zeich­net, jenem päpst­li­chen Jahr­buch, das erst seit 1860 her­aus­ge­ge­ben wird und erst im Lau­fe der ersten Aus­ga­ben schritt­wei­se stan­dar­di­siert wurde.

Die Erklä­rung des päpst­li­chen Öku­me­ne-Rates von 2006 besagt, grob gesagt, daß der Begriff „Abend­land“ in sei­ner histo­ri­schen Bedeu­tung „obso­let“ gewor­den sei. Das läßt sich im Deut­schen am deut­lich­sten nach­voll­zie­hen. In den roma­ni­schen Spra­chen und im Angel­säch­si­schen war schon immer von „Westen“ bzw. „Okzi­dent“ die Rede. Oswald Speng­ler ver­öf­fent­lich­te 1918 zum Ende des Ersten Welt­krie­ges sein Werk mit dem sinn­fäl­li­gen Titel: „Der Unter­gang des Abend­lan­des“. Tat­säch­lich ist der Begriff „Abend­land“ im Deut­schen deut­lich wei­ter und vor allem anders gefaßt als der Begriff „Westen“. Das „Abend­land“ wur­de als christ­lich ver­stan­den, was für den „Westen“ nicht mehr gilt.

Aller­dings ist auch die­ser auf sei­ne Wei­se kon­no­tiert: Als die West­mäch­te, zu denen Deutsch­land nie zähl­te, – erwei­tert um die USA – im Zwei­ten Welt­krieg sieg­ten, setz­te sich ihre Begriff­lich­keit auch im Deut­schen durch: Das „Abend­land“ ver­schwand zusam­men mit dem Begriff „Mit­tel­eu­ro­pa“ und der „Westen“ hielt auch in Ber­lin, Bonn und Wien Einzug. 

Der päpst­li­che Öku­me­ne-Rat spiel­te in sei­ner „Klar­stel­lung“ genau auf die­se poli­ti­sche Kon­no­ta­ti­on des heu­ti­gen Begriffs „Westen“ an, wor­un­ter die Pax Ame­ri­ca­na gemeint ist, und gibt zu ver­ste­hen, daß der Hei­li­ge Stuhl eine sol­che zu poli­ti­sche Ver­quickung für sich nicht für geeig­net hält.

Schon 2006 wur­de aller­dings dar­über dis­ku­tiert, ob der Hei­li­ge Stuhl im Zusam­men­hang mit so alten Titeln und Ansprü­chen – immer­hin wur­de er von den Päp­sten bereits 1200 Jah­re lang ver­wen­det, als die USA erst ent­stan­den sind – über­haupt auf momen­ta­ne geo­po­li­ti­sche Kon­stel­la­tio­nen reagie­ren soll­te, die sich stän­dig ver­än­dern, oder ob er nicht gera­de durch sei­ne Bestän­dig­keit über die­sen poli­ti­schen Varia­blen ste­hen sollte.

Eben­so wur­de damals dis­ku­tiert, ob Bene­dikt XVI. mit sei­nem Ver­zicht auf den West-Titel viel­leicht einen Anspruch auf den Osten erhe­ben und auf die­se Wei­se den päpst­li­chen Pri­mat über die Patri­ar­chen des Ostens beto­nen woll­te, wofür es jedoch an wei­te­ren Indi­zi­en fehlte.

Franziskus als Wiederentdecker der Tradition?

Tat­sa­che ist, daß der Titel „Patri­arch des Abend­lan­des“ seit 2006 aus dem Päpst­li­chen Jahr­buch ver­schwun­den war. Bis jetzt.

Aus­ge­rech­net Papst Fran­zis­kus führ­te ihn nun im gestern erschie­ne­nen Annu­a­r­io Pon­ti­fi­cio 2024 wie­der ein. Der ehe­ma­li­ge KNA-Chef­re­dak­teur Lud­wig Ring-Eifel mach­te auf X (Twit­ter) als erster dar­auf aufmerksam.

Über die Grün­de die­ser Wie­der­ein­füh­rung ist noch nichts bekannt. Die fol­gen­den Tage wer­den zei­gen, ob das vati­ka­ni­sche Pres­se­amt dazu Stel­lung neh­men wird. Bezüg­lich der Grün­de für die­sen Schritt ist, wie ein­gangs gesagt, viel, sehr viel mög­lich. Es könn­ten, unter umge­kehr­ten Vor­zei­chen, die glei­chen Argu­men­te sein, die 2006 für sei­ne Abschaf­fung genannt wur­den. Es könn­te auch nur eine Lau­ne des Bewoh­ners von San­ta Mar­ta sein, dem es zuwei­len bübisch gefällt, das Gegen­teil des­sen zu tun, was von sei­nem Vor­gän­ger getan wur­de, – oder ein­fach Ver­wir­rung zu stif­ten, beson­ders unter Konservativen.

Grund­sätz­lich ist die Wie­der­ein­füh­rung des Titels Patri­arch des Abend­lan­des sicher zu begrü­ßen, da er zu den älte­sten des Pap­stes zählt, die allein auf­grund ihres hohen Alters den Anspruch und die Wür­de des Amtes und der vom Papst reprä­sen­tier­ten Kir­che unterstreichen. 

Als Wie­der­ent­decker oder gar Wah­rer der Tra­di­ti­on eig­net sich Fran­zis­kus des­halb aller­dings noch nicht. Eine regel­rech­te Demon­ta­ge des Papst­tums hat­te er im Jahr­buch 2020 voll­zo­gen. Damals ließ er alle tra­di­tio­nel­len Titel des Pap­stes „ver­schwin­den“, auch jene, die noch weit bedeut­sa­mer sind als der des „Patri­ar­chen des Abendlandes“.

Fran­zis­kus ver­bann­te alle Titel und Ansprü­che des Pap­stes aus dem Haupt­text in eine Fuß­no­te. Gemeint sind die Titel:

  • Stell­ver­tre­ter Jesu Christi
  • Sum­mus Pon­ti­fex der Weltkirche
  • Pri­mas von Italien
  • Erz­bi­schof und Metro­po­lit der Römi­schen Provinz
  • Sou­ve­rän des Staa­tes der Vatikanstadt
  • Die­ner der Die­ner Gottes

Der erste und wich­tig­ste Titel eines Vica­ri­us Iesu Chri­sti wur­de bis dahin in Groß­buch­sta­ben und weit grö­ße­rer Schrift allen ande­ren Titeln und dem Namen des jewei­li­gen Amts­in­ha­bers vorangestellt.

Die seit 2020 prak­ti­zier­te „theo­lo­gi­sche Bar­ba­rei“ (Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler): Papst Fran­zis­kus ver­bann­te selbst den Titel eines „Stell­ver­tre­ters Jesu Chri­sti“ in eine Fußnote

Seit 2020 steht nun an erster Stel­le der Tauf- und Fami­li­en­na­me des amtie­ren­den Pap­stes: Jor­ge Mario Berg­o­glio. Am Ende sei­nes kur­zen Lebens­lau­fes fin­det sich eine Fuß­no­te mit dem Hin­weis: „Histo­ri­sche Titel“, unter dem die genann­ten Titel, auch der des Stell­ver­tre­ters Jesu Chri­sti, als etwas Ver­gan­ge­nes, eben eine „Fuß­no­te der Geschich­te“, auf­ge­li­stet werden.

Auch die Wie­der­ein­füh­rung des Titels Patri­arch des Abend­lan­des änder­te nichts an die­ser Pra­xis. Auch er wur­de in die Fuß­no­te eingereiht.

Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, der ehe­ma­li­ge Glau­bens­prä­fekt der Kir­che, kri­ti­sier­te die­se seit 2020 von Fran­zis­kus prak­ti­zier­te Aus­las­sung als „theo­lo­gi­sche Barbarei“.

Fran­zis­kus scheint von sei­nen Lau­nen getrie­ben, die – viel­leicht ganz unab­sicht­lich – gele­gent­lich auch ins Schwar­ze tref­fen kön­nen. Viel­leicht will er auch nur auf eine Wei­se, die nichts kostet, in man­chen Krei­sen ein wenig punkten.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: X/​Ludwig Ring-Eifel (Screen­shot)

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