Von Roberto de Mattei*
Seit 150 Jahren ist die Evolutionstheorie die Grundlage für unzählige Irrtümer in allen Bereichen, auch im religiösen. Der von Papst Franziskus gegenüber den Verteidigern der katholischen Tradition erhobene Vorwurf des „Indietrismus“ impliziert beispielsweise eine evolutionistische Auffassung vom Leben der Kirche, die auf dem Grundsatz beruht, daß das „Nachher“ immer besser ist als das „Vorher“, daß die Zukunft immer vollkommener ist als die Vergangenheit, mit der konsequenten Umkehrung des metaphysischen Grundsatzes, wonach das Mehr nicht aus dem Weniger entstehen kann, die Wirkung nicht größer sein kann als die Ursache, die sie hervorgebracht hat.
Der Evolutionstheorie ist daher nicht nur eine pseudowissenschaftliche Theorie, sondern auch eine philosophische Option, die dem Primat des Seins über das Werden entgegensteht. Dies erklärt, warum Karl Marx, der die Konvergenz von Evolutionstheorie und dialektischem Materialismus sah, am 16. Januar 1861 an Ferdinand Lassalle schrieb: „Darwins Buch ist sehr wichtig und dient mir dazu, den Klassenkampf, der in der Geschichte am Werk ist, auf die Naturwissenschaften zu gründen“.1 Und deshalb ist die Evolutionstheorie mit der Philosophia perennis unvereinbar, noch bevor sie mit dem katholischen Glauben und der wahren Wissenschaft unvereinbar ist.
Die Entscheidung des Verlags Piane, das Buch von Dominique Tassot: L’evoluzione in 100 domande e risposte („Die Evolution in 100 Fragen und Antworten“ mit einem Vorwort von Pierre Rabischong, 310 Seiten, 28 Euro), zu veröffentlichen, das ein hervorragendes Vademecum für die Demontage der falschen Beweise darstellt, auf die sich die Evolutionstheorie stützt, erscheint daher mehr als geeignet. Tassot, ein französischer Naturwissenschaftler und Philosoph, Direktor des C.E.P. (Centre d’Etudes et de prospective sur la science) und der Zeitschrift „Le Cep“, untersucht Pseudo-Beweise aus verschiedenen Bereichen, von der Paläontologie bis zur Biologie, von der Genetik bis zur Religion, und demontiert die Gemeinplätze, einen nach dem anderen, der Evolutionstheorie. Zu den interessantesten Seiten seiner Studie gehören jene, die der katholischen Sicht der Schöpfung gewidmet sind, die mit jeder Form der Evolutionstheorie unvereinbar ist (S. 250–254). Zeitgemäß ist auch seine Kritik am Konkordismus (S. 258–263), der den Schöpfungsbericht mit den Evolutionsperioden in Übereinstimmung bringen wollte. „Das war ein erkenntnistheoretischer Irrtum“, schreibt Tassot, „der darin bestand, daß man der Geologie und der Astrophysik die Fähigkeit zuschrieb – die sie nicht haben können –, die Zeit bis zum Ursprung der Dinge zurück zu extrapolieren“ (S. 262).
Ein weiterer, unter Katholiken leider weit verbreiteter Irrtum, den Tassot brillant widerlegt (S. 264–270), ist die Leugnung der Irrtumslosigkeit der Bibel unter dem Vorwand, sie enthalte von der Wissenschaft widerlegte Aussagen. Leo XIII. hatte in seiner Enzyklika Providentissimus Deus vom 18. November 1893 bereits die Lösung des Problems gegeben, indem er feststellte: „Denn sehr vieles wurde aus den Wissensgebieten jeder Art lange Zeit und häufig gegen die Schrift vorgebracht, was jetzt als unbegründet ganz der Vergessenheit verfallen ist.“
Weise sind daher die Worte des Autors:
„Wenn wir die Kirche mit einem Schiff vergleichen, das auf den Wogen der Welt segelt, so hat das Festhalten vieler ihrer Theologen an der szientistischen Sicht des Universums zwei Auswirkungen gehabt: Es hat das Leuchtfeuer verdunkelt, das die Richtung angibt, der man folgen muß, die göttliche Offenbarung, und es hat das Ruder denen anvertraut, die es so weit wie möglich von ihr fernhalten wollen. Es ist nicht verwunderlich, daß anderthalb Jahrhunderte dieser Navigation dazu geführt haben, daß das Boot des Petrus vom Kurs abgekommen ist, den das unvollendete Konzil von 1870 ihm hätte vorgeben sollen“ (S. 289).
Von Dominique Tassot wurde vom Verlag Radio Spada bereits 2022 das Buch „Il Darwinismo: un mito tenace smentito dalla scienza“ („Darwinismus. Ein hartnäckiger, von der Wissenschaft widerlegter Mythos“, 102 Seiten, 13 Euro), eine angepaßte und angereicherte Transkription eines Vortrags des Autors, ergänzt um zwei Kapitel aus einem anderen Text über die Evolutionslehre und um das Dokument der Päpstlichen Bibelkommission (1909) über den historischen Charakter der ersten drei Kapitel der Genesis. Auch dieser Text von Tassot ist jenen sehr zu empfehlen, die die wahre Natur der Evolutionstheorie, jenseits des Mythos, verstehen wollen. Der französische Gelehrte erklärt sehr gut, wie Darwins Lehre die Projektion des Fortschrittsmythos ist, indem er ihre intellektuellen Vorläufer im 18. Jahrhundert benennt: den Diplomaten Benoît de Maillet (1656–1738) und die Aufklärer der nächsten Generation, insbesondere den Marquis Nicolas de Condorcet (1743–1794), der in seinem posthumen Werk „Esquisse d’un tableau historique du progrès humain“ („Skizze eines historischen Bildes des menschlichen Fortschritts“, 1795) postuliert, daß im Universum nichts jemals zurückgeht und alles immer besser wird. Die wissenschaftliche Verkleidung des Fortschrittsmythos verdanken wir dem Naturforscher Jean-Baptiste de Lamarck (1744–1829), der für sein (nie bewiesenes) Gesetz „Die Funktion schafft das Organ“ berühmt wurde, und natürlich Charles Darwin (1809–1882), dessen 1859 veröffentlichtes Werk den vollständigen Titel trägt „The Origin of Species by Natural Selection or the Preservation of Privileged Races in the Struggle for Life“ („Die Entstehung der Arten durch natürliche Auslese oder die Erhaltung der privilegierten Rassen im Lebenskampf“). Tassot merkt an, „daß dieses Buch ein Musterbeispiel an Fehlinformation ist, da die Entstehung der Arten nur im Titel erwähnt wird. In keinem einzigen Absatz wird erklärt, wie eine neue Art entstehen kann“ (S. 40).
Sowohl das Buch des Verlags Piane als auch das Buch von Radio Spada zitieren vollständig den Text eines Breve von Pius IX. an Dr. Constantin James (1813–1888), einen französischen Arzt, der ein kleines Werk mit dem Titel „Du darwinisme ou l’homme-singe“ („Vom Darwinismus oder dem Affenmenschen“, 1877) veröffentlicht hatte. In diesem Dokument lobt Pius IX. den Autor des Buches dafür, daß er „die Verirrungen des Darwinismus (…), eines Systems, das der Geschichte, der Tradition aller Völker, der exakten Wissenschaft, der Beobachtung der Tatsachen und sogar der Vernunft selbst zuwider ist“, gut widerlegt hat.
Zusammen mit den beiden Büchern von Dominique Tassot empfehlen wir die Lektüre eines kleinen, tiefgründigen, aber gut lesbaren Bandes von Msgr. Pier Carlo Landucci (1900–1986): „La verità sull’evoluzione e l’origine dell’uomo“ („Die Wahrheit über die Evolution und den Ursprung des Menschen“, Verlag Fiducia 2023, 95 Seiten, 10 Euro), eine ausgezeichnete Einführung in das Thema, die die Evolutionstheorie einer strengen wissenschaftlichen und philosophischen Analyse unterzieht und ihre Widersprüchlichkeit aufzeigt. Die Evolutionslehre ist ein so heimtückischer und allgegenwärtiger Irrtum, daß er nicht unterschätzt, sondern von jedem Katholiken ernsthaft studiert werden sollte, um zu erkennen, daß es sich nicht um eine wissenschaftliche Tatsache handelt, sondern, wie Tassot treffend sagt, um eine literarische Übung, eine „Fabel“, die ohne die Unterstützung der akademischen und medialen Lobbys schon längst der Lächerlichkeit preisgegeben wäre.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017, und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
Bücher von Prof. Roberto de Mattei in deutscher Übersetzung und die Bücher von Martin Mosebach können Sie bei unserer Partnerbuchhandlung beziehen.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
1 Marx-Engels-Gesamtwerke, ital. Ausgabe, Editori Riuniti, Bd. 41, S. 630
Betreff: Zwei Bücher von Dominique Tassot zerlegen die Evolutionstheorie
Können Sie mir zu diesem Thema ein Buch in dt. Sprache empfehlen?
Vielen Dank
Freundliche Grüße
Ein völliger Irrtum tut sich Euch konservativen Katholken da auf!
Sie haben da gerade gesagt, Gott hat gelogen, als er die Bibel inspirierte. Sie greifen nicht eine Gruppe Menschen an, sondern den Schöpfer.
Die Ideologie, die sie vertreten, ist in Weisheit, Kapitel 2 dargelegt. Es werden dort auch die Folgen solchen Denkens gezeigt.
Und der wäre?
Nicht sagen, Darwin wäre doch das größte Genie seit Menschengedenken gewesen…