Kardinal Matteo Zuppi, der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz, verteidigte in seiner Rede zur Eröffnung der Wintersession des Ständigen Rats der Bischofskonferenz die römische Erklärung Fiducia supplicans.
Kardinal Zuppi, Angehöriger der Gemeinschaft Sant’Egidio, ist Erzbischof von Bologna, Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal und päpstlicher Sondergesandter für den Frieden in der Ukraine. Alle diese Würden, Ämter und Aufgaben erhielt er durch Papst Franziskus. Er steht Franziskus nicht nur sehr nahe, sondern gilt auch als Papabile im kommenden Konklave.
Der Kardinal nahm zu einer Vielzahl von Themen Stellung. Zur Erklärung Fiducia supplicans, mit der Franziskus Homo-Segnungen erlaubte und damit einen großen Schritt in Richtung Anerkennung der Homosexualität setzte, sagte Zuppi (die kursiv gesetzten Teile stammen direkt aus Fiducia supplicans):
„In dieser Perspektive haben wir unter den Herausforderungen der Verkündigung die Erklärung Fiducia supplicans des Glaubensdikasteriums begrüßt. Ein Dokument, das sich in den Horizont der Barmherzigkeit stellt, des liebenden Blicks der Kirche auf alle Kinder Gottes, ohne jedoch von den Lehren des Lehramtes abzuweichen. Wie in der Präsentation deutlich gemacht wird, wird die Bedeutung des Ehesakraments nicht in Frage gestellt: ‚Diese Erklärung bleibt fest bei der überlieferten Lehre der Kirche über die Ehe stehen und läßt keine Art von liturgischem Ritus oder diesem ähnliche Segnungen zu, die Verwirrung stiften könnten.‘
Kardinal Betori hat es in diesem Sinne in einem Beitrag im ‚Avvenire‘ gut verdeutlicht: Es geht nicht um eine Ausweitung des Ehebegriffs, sondern um eine konkrete Anwendung der Glaubensüberzeugung, daß die Liebe Gottes keine Grenzen hat und daß gerade sein Wirken die Grundlage für die Überwindung der schwierigen Situationen ist, in denen sich der Mensch befindet. Die Segen werden zu einer pastoralen Ressource, … nicht zu einem Risiko oder Problem, da diese Geste nicht den Anspruch erhebt, irgendetwas zu sanktionieren oder zu legitimieren, sondern die Menschen die Nähe des Vaters erfahren können.‘ Und weiter: ‚Das Nachdenken über die Wahrheit und ihre Verkündigung in diesen Begriffen nimmt ihr nichts von ihrer Integrität, sondern macht uns den engen Zusammenhang zwischen dem Heilswillen Gottes und der geschichtlichen Situation des Menschen bewußt‘. Dies ist der pastorale Wert der christlichen Wahrheit, die immer auf das Heil ausgerichtet ist. Gott will, daß alle Menschen gerettet werden (1 Thess 2,4): Es ist daher die Pflicht der Kirche, sich um jeden einzelnen Menschen zu kümmern. Wir dürfen nicht vergessen, daß alle Getauften die volle Würde der ‚Kinder Gottes‘ genießen und als solche unsere Brüder und Schwestern sind.“
Steht Fiducia supplicans im „Horizont der Barmherzigkeit“? Was steht nach dieser Auslegung noch alles in diesem Horizont?
Im Absatz zuvor ermahnte Kardinal Zuppi Italiens Bischöfe, sich daran zu erinnern, daß sie ein besonders enges Band mit dem Papst verbinde. Das sei nicht nur die geographische Nähe zum Vatikan, sondern ist in den Statuten der Bischofskonferenz festgeschrieben. Dort ist festgelegt, daß der Papst als Bischof von Rom und Primas von Italien automatisch Vorsitzender der Bischofskonferenz ist. In der Praxis nimmt er den Vorsitz aber nicht persönlich wahr, sondern ernennt einen Vertreter, derzeit eben Zuppi selbst. Dieser rief auf diese Weise in Erinnerung, daß er den Papst vertritt.
Von den anderen in der Rede angesprochenen Themen fällt folgende Passage auf:
„Laßt uns die Geschichte nicht vergessen! Wir leben in einer Zeit, in der die Vergangenheit und die Tradition ausgelöscht werden, als ob das, was vor uns kam, falsch oder irrelevant wäre; stattdessen tröstet uns die Geschichte, deren Erben wir sind.“
In seiner Rückschau auf die Vergangenheit blickte Zuppi dabei nur auf die Zeit seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Er sprach „Krisen“ und „Spaltungen“ an, doch primär um dem „Pessimismus“ zu widersprechen, und vermied jede Analyse. Der Kardinal befindet sich in seinem Denken auf einer Linie mit Papst Franziskus, daran besteht kein Zweifel. Was unterscheidet Zuppi von Franziskus? Grob gesagt, die Sozialisierung und das kulturelle Gepäck. Franziskus ist geprägt vom Peronismus, während der Römer Zuppi durch und durch Italiener ist. Um genau zu sein, ist Zuppi Er Romano De Roma, wie sich die Römer selbst nennen. Es fehlt ihm daher an ideologischem Dogmatismus und, trotz der inhaltlichen Übereinstimmung mit Franziskus, auch an Verbissenheit im Kampf gegen den überlieferten Ritus, den er 2014, damals noch als Weihbischof von Rom, sogar selbst zelebrierte. Für den Römer aus Rom ist das irgendwie vereinbar. Oder, um es mit seinen eigenen Worten zu sagen: „Ich bin dafür, aus jedem Sich-Verschließen hinauszugehen.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: chiesacattolica.it (Screenshot)