Von einer Katholikin
„Unsere Messen sind oft zu banal und zu lärmend, zu afrikanisch und weniger christlich.“ Deutliche Worte fand Kardinal Sarah in seiner Predigt im Eröffnungsgottesdienst beim Ersten Afrikanischen Liturgiekongreß, der am 4. Dezember, dem sechzigsten Jahrestag der Verabschiedung der Konstitution über die Heilige Liturgie, Sacrosanctum Concilium, durch Papst Paul VI., in der senegalesischen Hauptstadt eröffnet wurde. Kardinal Sarah spricht damit ein Problem an, das aus §37 der Konstitution erwuchs: Unter Einhaltung von Regeln zur Anpassung an die Eigenart und Überlieferungen der Völker wurde es möglich, deren geistigem Erbe „zuweilen Einlaß in die Liturgie selbst zu gewähren, sofern es grundsätzlich mit dem wahren und echten Geist der Liturgie vereinbar ist.“ (SC § 37)
Im Zentrum des fünftägigen liturgischen Kongresses steht die Entwicklung der afrikanischen Kirche im Hinblick auf das Konzilsdokument zur Liturgie. Man untersuche „die liturgische Praxis und Treue der kirchlichen Gemeinschaften in Afrika im Verhältnis zur christlichen Tradition und den authentischen Werten der afrikanischen Kulturen“, so Pater Josaphat Wasukindi Mbindule, Sekretär des wissenschaftlichen Komitees, in einem Interview mit Vatican News.
Dahinter stehe auch das Interesse des Päpstlichen Instituts Sant’Anselmo in Rom am „vertieften Erfahrungsaustausch über wissenschaftliche Untersuchungen und die Praxis liturgischer Inkulturation im Hinblick auf eine bessere Reifung der Kirchen vor Ort“.
Dabei sollen auch Mißbräuche und Auswüchse in der liturgischen Praxis benannt werden, die aus einer liturgischen Inkulturation resultieren, und Programme für eine angemessene liturgische Ausbildung vorgestellt werden.
60 Liturgieexperten aus westafrikanischen Ländern sowie aus Mosambik, Angola und Tansania sowie der gesamtafrikanische Bischofsrat SECAM sind in Dakar zusammengekommen.
Eröffnet wurde der Kongreß mit einer heiligen Messe mit Orgelmusik und französischen und lateinischen Gesängen, wie sie eher selten in der Kathedrale von Dakar erklingen.
Der aus Guinea stammende Kardinal Robert Sarah, der bis 2021 als Präfekt die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung leitete, sprach in seiner Predigt von der Bedeutung der Liturgie für den Glauben und benannte sehr deutlich die Grenzen einer afrikanischen Überformung der Liturgie.
Er beklagte eine Überfremdung der Liturgie v. a. in Afrika und Asien durch eine extreme Inkulturation über lokale Bräuche und kulturelle Elemente, was zu einer „Denaturierung des Österlichen Geheimnisses, das wir feiern“, führe. Als Folge einer Überbetonung kultureller Elemente sind „ unsere Gottesdienste oft zu banal und zu lärmend, zu afrikanisch und weniger christlich“, so der Kardinal.
Und im Blick auf 60 Jahre Sacrosanctum Concilium konstatierte er grundsätzlich:
„Seit 60 Jahren stellen wir fest, daß sich Jahr für Jahr die Liturgiereform, die von vielen Priestern und Laien mit viel Idealismus und großen Hoffnungen begrüßt wurde, als eine Lawine von Improvisation, Kreativität und einer liturgischen Verwüstung erschreckenden Ausmaßes entpuppt anstelle einer Erneuerung der Kirche und des kirchlichen Lebens.“
Das betreffe nicht nur Afrika. Glaube und Frömmigkeit schwänden besonders auch im Westen dahin und die Formen der Messe, die sich im Laufe der Jahrhunderte organisch entwickelt hätten, würden zerstört.
Der Liturgische Kongreß habe daher eine historische Bedeutung für die Zukunft der Kirche in Afrika, denn die Liturgie sei lebensnotwendig für den Glauben.
Kardinal Sarah ermutigte eindringlich dazu, sich in Fragen der Liturgie an Papst Benedikt XVI. zu orientieren:
„Mögen wir dem großen und hell leuchtenden Stern Joseph Ratzinger, Papst Benedikt XVI., folgen können, dem einzigen Weisen angesichts einer Armee von Pseudo-Liturgikern.“
Man müsse begreifen, daß die Liturgie nicht vom Menschen geschaffen und auch keine kulturelle Bekundung ist, sondern Vollzug des Priesteramtes Jesu Christi:
„Mit Recht gilt also die Liturgie als Vollzug des Priesteramtes Jesu Christi; durch sinnenfällige Zeichen wird in ihr die Heiligung des Menschen bezeichnet und in je eigener Weise bewirkt und vom mystischen Leib Jesu Christi, d. h. dem Haupt und den Gliedern, der gesamte öffentliche Kult vollzogen.“ (SC § 7)
Wenn man dieses vitale Prinzip nicht im Glauben annehme, mache man aus der Liturgie ein Menschenwerk, eine Selbstzelebration der Gemeinschaft oder eine Herausstellung seiner eigenen Kultur und unterwerfe die Liturgie menschlichen Kriterien des Gelingens oder Nichtgelingens. Das Wesentliche, der Blick des Glaubens und der stillen Betrachtung am Ursprung der Liturgie als Opus Trinitatis, gehe verloren.
Auch die Afrikaner müßten sich als Erben der Römisch-Katholischen Kirche begreifen. Man dürfe nicht irgendeine wie auch immer geartete afrikanische Besonderheit auf liturgischer Ebene anstreben. Der Baum der Liturgie könne nur wiederergrünen, wenn er seine Wurzel tief in die große liturgische Tradition der Kirche seit ihren Anfängen treibe.
Bild: VaticanNews (Screenshot)