Auf den sterblichen Überresten eines im Sudan vor etwa 1300 Jahren verstorbenen Mannes wurde ein tätowiertes Christusmonogramm gefunden.
Ein polnisch-sudanesisches Forscherteam des Polnischen Zentrums für Archäologie des Mittelmeers des Archäologischen Instituts an der Universität Warschau konnte den bemerkenswerten Fund machen. Die Fundstelle befindet sich im Wadi Abu Dom in der Bayuda-Wüste im nördlichen Sudan, etwa 20 Kilometer von der heutigen Stadt Karima entfernt.
Unter der Leitung von Artur Obluski wurden bis 2018 archäologische Untersuchungen in dem dort entdeckten Kloster und den vier Friedhöfen des Ortes durchgeführt. In den vergangenen Jahren konzentrierten sich die Untersuchungen auf die menschlichen Überreste, um mögliche Hinweise zu finden, die Aufschluss über die Herkunft der lokalen Bevölkerung und die Lebensweise der dort bestatteten Menschen geben könnten.
In der Fotodokumentation des bioarchäologischen Labors des Polnischen Zentrums für Archäologie des Mittelmeers entdeckte Kari A. Guilbault, Wissenschaftlerin für Tätowierungspraktiken an der Purdue University (Indiana, USA), eine Tätowierung auf dem rechten Fuß einer der 2016 gefundenen und auf dem Ghazali-Friedhof 1 bestatteten Personen.
Zunächst war sich die Wissenschaftlerin nicht sicher, worum es sich handelte, aber nach einer Reihe von Untersuchungen und durch den Einsatz von Vollspektrumfotografie wurde die Tätowierung deutlich sichtbar. Es ist die zweite Entdeckung, die in jener Epoche die Praxis von Tätowierungen in Südnubien belegt.
Die Tätowierung stellt das Christusmonogramm Chi-Rho dar, eine Kombination aus den Buchstaben des griechischen Alphabets „Chi“ und „Rho“, die eine Abkürzung für den Namen Christi bilden.
Die Verbindung der beiden Buchstaben geht auf das Christentum zurück und findet sich ab dem 3. Jahrhundert in privaten Kontexten, insbesondere auf den Sarkophagen verstorbener Christen. Nach dem Edikt von Mailand konnte das Symbol öffentlich gezeigt werden und wurde auf Kirchen und Basiliken dargestellt. Schnell fand es weite Verbreitung. Neben dem Christusmonogramm sind auf dem aufgefundenen Toten die Buchstaben Alpha und Omega des griechischen Alphabets eingeschrieben oder eingraviert, ein Hinweis auf die Offenbarung des Johannes.
Die Lage der Tätowierung auf dem rechten Fuß ist interessant, so die Forscher, denn sie könnte auf die Stelle hinweisen, an der der Nagel bei der Kreuzigung Christi in den Fuß geschlagen wurde. Die Tätowierung zeigt eindeutig, daß der Mann ein Christ war. Sie bedeutet aber nicht, daß er ein Mönch war. Er wurde nämlich nicht auf dem Klosterfriedhof bestattet, sondern auf dem der benachbarten Siedlung.
Die Radiokarbondatierung ergab, daß diese Person zwischen 667 und 774 gelebt hat. Die Gegend gehörte damals zum christlichen Königreich Makurien. Im 6. Jahrhundert war sie bereits christianisiert. Das christliche Reich existierte bis ins 14. Jahrhundert. Die Missionierung war von Byzanz und vor allem vom koptischen Ägypten aus erfolgt. Der Mann starb wahrscheinlich im Alter zwischen 35 und 50 Jahren.
Zum christlichen Sudan (Makurien, Nobatien und Alodien) siehe:
- Älteste Marienikone Nubiens entdeckt – Die lange christliche Geschichte des Sudan
- Christliche Festungen in Nubien – Langsames Erlöschen des Christentums
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Archeologia Mediterraneo (Screenshot)