(Karthum) Eine Grabungsexpedition polnischer Archäologen der Universität Warschau entdeckte den größten christlichen Freskenzyklus im Sudan aus vorislamischer Zeit. Wer an den Sudan denkt, denkt an ein islamisches Land, den Mahdi-Aufstand und die blutige Verfolgung der Christen im Süden des Sudans, der 2011 zum Schutz der Christen die Unabhängigkeit erlangte. Wenig bekannt ist die lange christliche Geschichte des alten Nubiens, die von der Antike bis ins 16. Jahrhundert dauerte.
Entdeckt wurden die Fresken in der St.-Raphaels-Kirche, die wahrscheinlich Teil des Königspalastes von Alt Dongola im nördlichen Sudan war. Die Kirche befindet sich direkt neben den Ruinen eines mittelalterlichen Palastes. Die Kunsthistoriker datieren die Fresken in das 8./9. Jahrhundert.
Der christliche vorislamische Sudan
Dongola war die Hauptstadt von Makurien, eines christlichen Reiches in Nubien, das vom 6.–14. Jahrhundert das Gebiet zwischen dem 1. und dem 5. Nilkatarakt beherrschte. Im 6. Jahrhundert war die Christianisierung Makuriens vollzogen, was für 568 belegt ist. Sie war durch Missionare aus dem Byzantinischen Reich begonnen worden, erfolgte dann aber durch das koptische Christentum Ägyptens.
640 wurde Ägypten von den islamisch gewordenen Arabern erobert. Bereits 642 marschierte ein islamisches Heer gegen Nubien. Dem christlichen Makurien gelang es jedoch, den Angriff siegreich abzuwehren. Auch in den folgenden Jahrhunderten konnten wiederholte muslimische Feldzüge zurückgeschlagen werden.
Es folgte die Blütezeit des Königreiches, in der große Kirchen errichtet und mit prächtigen, farbenfrohen Fresken ausgestattet wurden. Ebenso entstanden zahlreiche Klöster. Makurien konnte sich zwar mit dem islamischen Großreich der Umayyaden nicht messen, dennoch war es stark genug, am Ende der Umayyaden-Zeit, nach 748, einen Einmarsch in Ägypten zu wagen.
Der Grund dafür war die Verhaftung des koptischen Patriarchen Michael I. von Alexandria durch die islamischen Machthaber. Dieser war auch Oberhaupt der nubischen Christen. Er allein konnte Bischöfe einsetzen, was seine Bedeutung für die Kirche in Nubien erklärt. Die christlichen Nubier rückten unter ihrem König Kyriakos bis Kairo vor und erzwangen die Freilassung des Patriarchen. Danach zogen sie sich wieder aus Ägypten zurück. Der Vorstoß war begünstigt durch interne Machtkämpfe der islamischen Herrscher und durch den Umstand, daß die Bevölkerungsmehrheit Ägyptens damals noch christlich war.
Älteste Darstellung eines makurischen Königs
Die dem Erzengel Raphael geweihte Kirche in Dongola war 2006 entdeckt worden. Erst nach der Überdachung der gesamten Kirchenanlage konnte 2015 mit weiterführenden Ausgrabungen begonnen werden.
Die dabei entdeckten Fresken zeigen Erzengel, Engel, Priester und Heilige des Nubierreiches. Ursprünglich war jede Figur durch eine Inschrift mit dem Namen und der Bedeutung der dargestellten Figur versehen. Professor Wlodzimierz Godlewski, der Leiter des Archäologischen Instituts der Universität Warschau und Grabungsleiter, verweist vor allem auf eine Inschrift an der Mauer des Baptisteriums der Kirche.
Die St.-Raphaels-Kirche von Dongola wurde von König Joannes errichtet, von dem man bisher kaum etwas wußte. Die Inschrift berichtet von einem Treffen der Bischöfe Makuriens, an deren Spitze der Erzbischof von Dongola stand. Das Treffen fand in Anwesenheit des Königs in der Kirche statt. Die Inschrift gibt detaillierte Auskunft über die kirchenrechtliche Einteilung des Königreichs. An der Versammlung nahm auch der Bischof von Faras teil. Dort hatten polnische Archäologen bereits vor einigen Jahren eine Kirche mit reichem Freskenschmuck entdeckt. Einige Teile davon befinden sich heute im Nationalmuseum von Warschau.
Älteste Marienikone Nubiens entdeckt
Die polnischen Archäologen entdeckten in St. Raphael auch die älteste bisher bekannte Darstellung eines makurischen Königs in einer Kirche. Das Fresko befindet sich in der Apsis der Kirche. Die nubischen Fresken weisen einen starken byzantinisch-koptischen Einfluß auf. Die Künstler benützten kostspielige Pigmente, darunter Lapislazuli.
Unter anderem wurde ein Ambo aus Granitblöcken gefunden, die aus einem ägyptischen Tempel der Pharaonenzeit stammen. Auf ihnen sind noch deutlich Hieroglyphen zu erkennen.
Aufsehenerregender ist die Auffindung eines Fragments einer auf Holz gemalten Ikone. Es handelt sich um den ersten Fund dieser Art im Sudan. Die Ikone ist beidseitig bemalt. Auf einer Seite zeigt sie eine Darstellung der Gottesmutter Maria und einen Gebetstext. Auf der anderen Seite ist ein lokaler Herrscher abgebildet. Die Ikone stammt aus dem 8./9. Jahrhundert, der „goldenen Zeit“ Makuriens.
Unter den Mamelucken, die seit 1250 Ägypten beherrschten, verstärkte sich der islamische Druck auf das christliche Nubien. Mitte des 14. Jahrhunderts scheint Makurien unter diesem Druck zusammengebrochen zu sein. Um 1366 wurde die Hauptstadt Dongola aufgegeben.
Als letzte christliche Provinz in Nubien konnte sich die Herrschaft Dotawo halten, wahrscheinlich bis zum türkischen Vordringen Mitte des 16. Jahrhunderts.
Literatur zum Christentum in Nubien, den christlichen nubischen Staaten vom 6.–14. Jahrhundert und Nubien allgemein:
- Siegfried Richter: Studien zur Christianisierung Nubiens, Reichert Verlag, Wiesbaden 2003
- Roland Werner: Das Christentum in Nubien. Geschichte und Gestalt einer afrikanischen Kirche, zugl. Univ. Diss., Marburg 2011, Lit Verlag, Berlin 2013
- Peter Hubai: Koptische Apokryphen aus Nubien. Der Kasr el-Wizz Kodex, De Gruyter, 2009
- Steffen Wenig/Karola Zibelius-Chen (Hrsg.): Die Kulturen Nubiens, Röll Verlag, 2013
- Johann Ludwig Burckhardt: Entdeckungen in Nubien. Der erste europäische Forschungsreisende am Oberlauf des Nils 1813–1814, Verlagshaus Römerweg, 2013
- Horst Beinlich/Jochen Hallof (Hrsg.): Die Photos der Preußischen Expedition 1908–1910 nach Nubien, Röll Verlag, 2015
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Text: Giuseppe Nardi
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