Mariä Himmelfahrt: der schönste Tag in Zeit und Ewigkeit

Der Triumph


Das Dogma der Aufnahme Mariens mit Leib und Seele in den Himmel wurde erst 1950 verkündet, doch schon immer geglaubt, wie das vor 500 Jahren gemalte Altarbild von Tizian zeigt.
Das Dogma der Aufnahme Mariens mit Leib und Seele in den Himmel wurde erst 1950 verkündet, doch schon immer geglaubt, wie das vor 500 Jahren gemalte Altarbild von Tizian zeigt.

Von Rober­to de Mattei*

Anzei­ge

Die Auf­nah­me Mari­ens mit Leib und See­le in den Him­mel ist ein Dog­ma des katho­li­schen Glau­bens, das von den Chri­sten seit jeher geglaubt und von Pius XII. am 1. Novem­ber 1950 fei­er­lich ver­kün­det wur­de. Nach­dem er den Bei­stand des Hei­li­gen Gei­stes erfleht hat­te, sprach Pius XII. in die in tie­fer Stil­le ver­har­ren­den Men­schen­men­ge mit festen und ergrei­fen­den Wor­ten die For­mel: „Wir ver­kün­den, erklä­ren und defi­nie­ren es als ein von Gott geof­fen­bar­tes Dog­ma, dass die unbe­fleck­te, all­zeit jung­fräu­li­che Got­tes­mut­ter Maria nach Ablauf ihres irdi­schen Lebens mit Leib und See­le in die himm­li­sche Herr­lich­keit auf­ge­nom­men wur­de“. Es war 9.45 Uhr auf dem Peters­platz samt angren­zen­dem Raum, der mit über andert­halb Mil­lio­nen Pil­gern über­füllt war. Am Abend erstrahl­te die gesam­te Ewi­ge Stadt in einem rie­si­gen Lich­ter­glanz. Alle Kir­chen Roms, die Denk­mä­ler, das Kapi­tol, das Kolos­se­um, die Engels­burg wur­den zu Ehren der Got­tes­mut­ter erleuch­tet. So ende­te ein denk­wür­di­ger Tag, der den Höhe­punkt des Hei­li­gen Jah­res 1950 markierte.

Die Him­mel­fahrt ist das vier­te maria­ni­sche Dog­ma, das nach der gött­li­chen Mut­ter­schaft Mari­as, ihrer immer­wäh­ren­den Jung­fräu­lich­keit und der Unbe­fleck­ten Emp­fäng­nis bis­her ver­kün­det wur­de. Der gran­dio­se Plan, den Gott in den gren­zen­lo­sen Schau­un­gen Sei­nes unend­li­chen Gei­stes für Maria vor­ge­se­hen hat­te, wur­de an dem Tag voll­stän­dig ver­wirk­licht, an dem die Got­tes­mut­ter, nach­dem sie die Erde für immer ver­las­sen hat­te, mit Leib und See­le in den Him­mel auf­ge­nom­men und auf den Thron der ewi­gen Herr­lich­keit gesetzt wurde.

Der Pro­phet Eli­ja wur­de von einem feu­ri­gen Wagen in den Him­mel gebracht (Reg. IV, II, 11), der nach den Aus­le­gern eine Grup­pe von Engeln war, die ihn von der Erde empor­ho­ben. Maria wur­de nicht nur von einer Grup­pe von Engeln in den Him­mel getra­gen, son­dern, wie der hei­li­ge Alfons von Liguo­ri in sei­nen „Herr­lich­kei­ten Mari­ens“ sagt, der König des Him­mels selbst kam, um sie mit dem gesam­ten himm­li­schen Hof­staat zu holen und sie in den Him­mel zu beglei­ten. Des­halb bezeich­net der hei­li­ge Petrus Damia­ni die Him­mel­fahrt Mari­ens als ein noch glor­rei­che­res Schau­spiel als die Him­mel­fahrt Jesu Chri­sti, weil nur die Engel dem Erlö­ser ent­ge­gen­ka­men, wäh­rend die Got­tes­mut­ter vom Herrn selbst, dem König des Him­mels, mit der gan­zen Schar der Engel und Hei­li­gen emp­fan­gen wur­de. Wenn der mensch­li­che Ver­stand, sagt der hei­li­ge Bern­hard, die uner­meß­li­che Herr­lich­keit nicht begrei­fen kann, die Gott im Him­mel für die­je­ni­gen berei­tet hat, die Ihn auf Erden geliebt haben, wer wird dann jemals begrei­fen, sagt der hei­li­ge Alfons, wel­che Herr­lich­keit Er für Sei­ne gelieb­te Mut­ter berei­tet hat, die Ihn auf Erden mehr als alle Men­schen geliebt hat, die Ihn viel­mehr vom ersten Augen­blick ihrer Erschaf­fung an mehr geliebt hat als alle Men­schen und alle Engel zusammen?

Pli­nio Cor­rêa de Oli­vei­ra bekräf­tigt, daß „es sich nach der Him­mel­fahrt des Herrn um das herr­lich­ste und glor­reich­ste Ereig­nis der irdi­schen Geschich­te gehan­delt haben muß, ver­gleich­bar nur mit dem Tag des Jüng­sten Gerichts, wenn unser Herr Jesus Chri­stus in gro­ßer Pracht und Maje­stät kom­men wird, wie die Hei­li­ge Schrift sagt, um die Leben­den und die Toten zu rich­ten; und mit Ihm wird auch die Got­tes­mut­ter in unbe­schreib­li­cher Wei­se in der von Ihm aus­ge­hen­den Herr­lich­keit vor unse­ren Augen erschei­nen“.

An jenem Tag wur­de der Him­mel von einem neu­en, nie zuvor gese­he­nen Licht erhellt, und Maria wur­de über alle Chö­re von Engeln und Hei­li­gen erho­ben. Seit­dem gibt es über Maria in der Herr­lich­keit nur noch unse­ren Herrn. Das Licht der Herr­lich­keit, das Mari­ens See­le durch­dringt und ihr die Pracht ihres Soh­nes und ihre müt­ter­li­che Wür­de in all ihrer Herr­lich­keit offen­bart, über­trifft bei wei­tem die Herr­lich­keit aller Engel und Hei­li­gen. Des­halb sagt die Lit­ur­gie am 15. August, daß sie über die Chö­re der Engel erho­ben wur­de: „Ele­vata est super cho­ros ange­lorum ad coele­stia regna“. Es gibt nur einen Thron, der über dem ihren steht, näm­lich der von Jesus. Die ande­ren, so der Theo­lo­ge Don Emi­lio Cam­pa­na, sind alle unter­ge­ord­net, „was Glanz, Inten­si­tät, Aus­deh­nung und Fül­le betrifft, kommt gleich nach der Herr­lich­keit Jesu die Herr­lich­keit Mari­as. Wie von Jesus gesagt wird, daß Er zur Rech­ten Got­tes, des all­mäch­ti­gen Vaters, sitzt, so muß von Maria wie­der­holt wer­den, daß sie zur Rech­ten Jesu selbst sitzt“.

Der Tag der Him­mel­fahrt ist auch der Tag der Ver­herr­li­chung und der Krö­nung Mari­ens im Him­mel. Die Jung­frau Maria nahm an die­sem Tag gekrönt an der Sei­te Jesu, des gött­li­chen Königs, Platz als uni­ver­sa­le Köni­gin, so wie Jesus nach der Erfül­lung sei­ner Erlö­ser­sen­dung zur Rech­ten Got­tes saß. Von die­sem Augen­blick an ist ihre Teil­ha­be am König­tum Chri­sti über das Uni­ver­sum offi­zi­ell und fei­er­lich gewor­den. Pater Régi­nald Gar­ri­gou-Lagran­ge schreibt, daß „Maria als Mut­ter Got­tes mehr als alle ande­ren an der Herr­lich­keit ihres Soh­nes teil­hat, und da im Him­mel die Gött­lich­keit Jesu abso­lut offen­sicht­lich ist, ist es äußerst offen­sicht­lich, daß Maria als Mut­ter des fleisch­ge­wor­de­nen Wor­tes zur hypo­sta­ti­schen Ord­nung gehört, die eine beson­de­re Affi­ni­tät zu den gött­li­chen Per­so­nen hat, und daß sie mehr als alle ande­ren am uni­ver­sa­len König­tum ihres Soh­nes über alle Geschöp­fe teil­hat“.

Das Dog­ma von der Him­mel­fahrt ist also eng mit dem Pri­vi­leg der Königs­wür­de Mari­ens ver­bun­den, wonach Maria in himm­li­scher Herr­lich­keit gekrönt wird und als Herr­sche­rin der kämp­fen­den, rei­ni­gen­den und tri­um­phie­ren­den Kir­che, als Köni­gin der Engel und der Hei­li­gen über Him­mel und Erde herrscht. „Köni­gin des Frie­dens“, so der Titel, den Bene­dikt XV. 1917 der Lau­re­ta­ni­schen Lita­nei hin­zu­füg­te, aber auch „Köni­gin der Sie­ge, bei deren mäch­ti­gem Namen die Him­mel jubeln und die Abgrün­de vor Schrecken erzit­tern“, wie es in der vom seli­gen Bar­to­lo Lon­go ver­faß­ten Anru­fung Unse­rer Lie­ben Frau vom Rosen­kranz von Pom­pei heißt.

Nach­dem er die Herr­lich­keit der Him­mel­fahrt gefei­ert hat­te, setz­te Pius XII. mit sei­ner Enzy­kli­ka Ad Coeli Regi­nam vom 28. Okto­ber 1954 das Fest Maria Köni­gin ein, das all­jähr­lich in der gan­zen Welt am 31. Mai gefei­ert wer­den soll­te, und ord­ne­te an, daß die Wei­he der Mensch­heit an das Unbe­fleck­te Herz Mari­ens an die­sem Tag erneu­ert wer­den soll­te. Die­ses Fest wur­de auf den 22. August ver­legt, um die Ver­bin­dung zwi­schen dem König­tum der Mut­ter Got­tes und ihrer leib­li­chen Auf­nah­me in den Him­mel zu beto­nen. Der von der Got­tes­mut­ter in Fati­ma ange­kün­dig­te Tri­umph des Unbe­fleck­ten Her­zens Mari­ens ist ein histo­ri­sches Ereig­nis, das sein erha­be­nes Vor­bild in der Herr­lich­keit der in den Him­mel auf­ge­nom­me­nen Maria hat. Wenn man also Tage in der Ewig­keit unter­schei­den könn­te, müß­te man sagen, daß es kei­nen schö­ne­ren und außer­ge­wöhn­li­che­ren Tag gibt als die Auf­nah­me Mari­ens in den Himmel.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017, und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.

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Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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