Von Julio Loredo*
In seiner Ansprache an die Behörden in Lissabon am Mittwoch, dem 2. August, zitierte Papst Franziskus den portugiesischen Schriftsteller José Saramago: „Denn, wie Saramago bemerkte, ‚was der Begegnung den wahren Sinn gibt, ist die Suche, und man muß einen langen Weg gehen, um das Nahe zu erreichen‘ “.
Für den Durchschnittseuropäer sagt der Name Saramago vielleicht nichts. Für die portugiesischen Katholiken ist er jedoch der Inbegriff des Bösen, der Blasphemie und der Abneigung gegen die Kirche. Als Atheist, Kommunist und Gotteslästerer schrieb Saramago 1991 das Buch „Das Evangelium nach Jesus Christus“, das eine heftige Reaktion der kirchlichen Behörden und der Gläubigen in Lusitanien auslöste.
Mit dem Vorwurf, der Autor sei ein „bekennender Atheist und reueloser Kommunist“, schrieb Msgr. Eurico Dias Nogueira, der damalige Erzbischof von Braga und Primas von Portugal:
„Das Werk enthält ein wahnwitziges Leben Christi, das aus der Perspektive von [Saramagos] politisch-religiöser Ideologie konzipiert und durch diese Parameter verzerrt wurde, was zu einem blasphemischen Buch führt, das die historische Wahrheit mit Füßen tritt und die größten Persönlichkeiten des Neuen Testaments, wie die Muttergottes, den heiligen Josef und die Apostel, sowie Christus selbst, die Hauptzielscheibe, verleumdet. Daher ist dieses Buch eine Beleidigung für gläubige Christen: für uns alle.“
Um die Abgründe des Bösen zu verstehen, die Saramago erreicht, und um mich bei den Lesern für die Grobheit der Szene zu entschuldigen, erinnere ich daran, daß Saramago in dem Buch unter Mißachtung der historischen Wahrheit, des Glaubens und des christlichen Geistes einen sexuellen Akt zwischen der Muttergottes und dem heiligen Josef vorstellt, bei dem Gottvater seinen Samen mit dem Josefs vermischt hätte und aus dem Jesus gezeugt worden wäre.
Die Jungfräulichkeit Marias, die vor, während und nach der Geburt unbefleckt war, wird in skandalöser Weise mit der Behauptung geleugnet, daß sie von Joseph acht weitere Kinder bekommen hätte. Jesus wäre der Erstgeborene gewesen und der einzige, der der Anonymität entkommen ist. Jesus würde dann das Haus seines Vaters verlassen und Maria Magdalena in einem Bordell treffen, um danach mit ihr im Konkubinat zu leben.
Um die Blasphemie und Ketzerei zu vervollständigen, ist die Beziehung zwischen Jesus und dem Ewigen Vater alles andere als freundlich. Saramagos Jesus ist skeptisch, voller Zweifel, ein rebellischer Geist. Gott der Vater ist rachsüchtig, cholerisch, ungeduldig mit den existentiellen Problemen seines Sohnes. Das geht so weit, daß Jesus kurz vor seinem Tod am Kreuz in Abwandlung des Evangeliums sagt: „Menschen, vergebt ihm, denn [Gott] weiß nicht, was er tut“.
Sein Widerspruch zur Kirche war so groß, daß ihm der Osservatore Romano – sonst verschwenderisch an freundlichen Bemerkungen – bei seinem Tod im Jahr 2010 [damals regierte noch Papst Benedikt XVI.] einen ziemlich bissigen Artikel widmete, der so weit ging, ihn als „einen Mann und Intellektuellen ohne metaphysischen Anspruch zu bezeichnen, der bis zuletzt an seinem sturen Glauben des historischen Materialismus, auch bekannt als Marxismus, festhielt“, einen, der sich „klar und deutlich“ entschieden hatte, sich „auf die Seite des Unkrauts im evangelischen Weizenfeld zu stellen“.
Es ist wirklich traurig zu sehen, wie ein römischer Papst sich positiv über eine Person äußert, die sich, um den Ausdruck des vatikanischen Organs zu verwenden, „auf die Seite des Unkrauts“ gestellt hat, das, wie das Evangelium in Erinnerung ruft, vom Bösen gesät wurde.
*Julio Loredo, Vorsitzender von TFP (Tradition, Familie, Privateigentum) Italien
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)