Mattias Desmet, Die Psychologie des Totalitarismus


Mattias Desmet: Die Psychologie des Totalitarismus, eine ernste Herausforderung.
Mattias Desmet: Die Psychologie des Totalitarismus, eine ernste Herausforderung.

Von Wolf­ram Schrems*

Anzei­ge

Es liegt auf der Hand, daß die Coro­na-Kam­pa­gne mit ihrem Ter­ror, ihren Lügen und Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen, mit den vie­len Toten und Geschä­dig­ten, aber auch mit der Bereit­wil­lig­keit so vie­ler Men­schen zur Selbst­un­ter­wer­fung einer­seits und zur Denun­zia­ti­on und Aus­gren­zung von Non­kon­for­mi­sten ande­rer­seits, ein legi­ti­mes For­schungs­ob­jekt für die Psy­cho­lo­gie ist. Ein aka­de­mi­scher Psy­cho­lo­ge aus Bel­gi­en nahm sich die­ses The­mas an: Mat­ti­as Des­met ist Pro­fes­sor für Kli­ni­sche Psy­cho­lo­gie an der Abtei­lung für Psy­cho­ana­ly­se und kli­ni­sche Bera­tung der Uni­ver­si­tät Gent.

Sei­ne hoch­in­ter­es­san­ten Infor­ma­tio­nen und dich­ten Kom­men­ta­re, obwohl säku­lar und damit auf­grund der Aus­blen­dung des Über­na­tür­li­chen und des Außer­na­tür­li­chen sozu­sa­gen nicht „voll­stän­dig“, sind auch für eine katho­li­sche Leser­schaft von gro­ßem Inter­es­se. Des­met argu­men­tiert wei­test­ge­hend auf der Grund­la­ge der psy­cho­lo­gi­schen Empi­rie und des gesun­den Men­schen­ver­stan­des. Nur eini­gen weni­gen Aus­sa­gen Des­mets wider­spre­chen wir.

Wor­um geht es?

Anlaß und Grundaussagen

Der unmit­tel­ba­re Anlaß für das vor­lie­gen­de Buch ist der in der Coro­na-Kri­se sicht­bar gewor­de­ne, für vie­le Zeit­ge­nos­sen nicht für mög­lich gehal­te­ne „Tota­li­ta­ris­mus“. Der Tota­li­ta­ris­mus unter­schei­det sich nach Des­met von einem klas­si­schen auto­ri­tä­ren Staat dadurch, daß er viel tie­fer in die Pri­vat­sphä­re der Men­schen ein­dringt und deren Den­ken und Emp­fin­den zu bestim­men sucht, wobei sehr vie­le auch ger­ne mit­ma­chen, nicht zuletzt als Denunzianten.

Nach Des­met benö­tigt es für die „Mas­sen­bil­dung“ (also die Her­aus­bil­dung eines Mas­sen­mobs) eine star­ke Ver­ein­ze­lung im Volk („Ato­mi­sie­rung“, also Auf­lö­sen über­lie­fer­ter fami­liä­rer und loka­ler Struk­tu­ren), Man­gel an Lebens­sinn, frei flot­tie­ren­de und unkon­kre­te Angst und ver­hal­te­ne Aggres­si­vi­tät. Nach Des­met sam­meln sich etwa 30% der Bevöl­ke­rung hin­ter der gera­de aus­ge­ru­fe­nen Agen­da, 40 bis 50% sind nicht dafür, aber ver­hal­ten sich still, und der Rest äußert sich direkt dage­gen. Die Oppo­si­ti­on trägt nach Des­met durch ihr Ver­hal­ten zur Kon­so­li­die­rung des Mas­sen­mobs bei. Ein effek­ti­ver Wider­stand gegen die Agen­da kann nur durch kon­stan­ten und ruhig for­mu­lier­ten Wider­spruch erfolgen.

Des­met kon­sta­tiert bei den mei­sten Men­schen Unauf­merk­sam­keit gegen­über tota­li­tä­ren Ent­wick­lun­gen, da „Arbeits‑, Kon­zen­tra­ti­ons- und Ver­nich­tungs­la­ger“ nur der „letz­te, erschüt­tern­de Schritt in einem lan­gen Pro­zess“ sei­en (9), davor brau­che es „absur­de (pseu­do­wis­sen­schaft­li­che) Indok­tri­na­ti­on und Pro­pa­gan­da“ (8f).

Aufbau und Gedankenführung

Das Buch ist in drei Tei­le unterteilt:

Der erste Teil geht auf die meist unhin­ter­frag­ten und als selbst-evi­dent genom­me­nen Grund­la­gen unse­rer für den Tota­li­ta­ris­mus anfäl­li­gen Gesell­schaf­ten ein: Beson­ders das vor­herr­schen­de mecha­ni­stisch-mate­ria­li­sti­sche Welt- und Men­schen­bild führ­te zu Mas­sen­bil­dung und Tod.

Der zwei­te Teil behan­delt den eigent­li­chen Pro­zeß der „Mas­sen­bil­dung“, also der Her­aus­bil­dung einer tota­li­ta­ris­mus­kon­for­men unter­wür­fi­gen Masse.

Im drit­ten Teil schlägt der Autor Wege zur Über­win­dung des mecha­ni­sti­schen Men­schen- und Welt­bil­des vor, sodaß Tota­li­ta­ris­mus „als sym­pto­ma­ti­sche Lösung über­flüs­sig“ wird.

Zu die­sen Punk­ten eini­ge Erläuterungen:

„Aufklärung“ und mechanistisches Weltbild führen zur Leere – und zur untauglichen Überkompensation

Des­met ver­tritt die wohl­be­grün­de­te Auf­fas­sung, daß „mit unse­rem wis­sen­schaft­li­chen Welt­bild [etwas nicht] stimmt“ (10). In einem mecha­ni­sti­schen und a‑teleologischen Welt­bild müs­sen Men­schen zu „ato­mi­sier­ten Sub­jek­ten“ ohne Sinn­ge­bung wer­den und in einem lee­ren Welt­all exi­sten­zi­el­le und dif­fu­se Äng­ste emp­fin­den. Letzt­lich gehe die­ses Welt­bild auf den „wahn­haf­ten [Glau­ben] an die All­macht des mensch­li­chen Ver­stan­des“ zurück und ist inso­fern auch „das Sym­ptom par excel­lence der Auf­klä­rungs­tra­di­ti­on“ (15).

Des­met kri­ti­siert den reduk­tio­ni­sti­schen Zugang zu Psy­cho­lo­gie und Medi­zin mit­tels „Meß­bar­keit“: Zah­len erweck­ten den Ein­druck, objek­tiv zu sein, aber das sei sehr rela­tiv. Er exem­pli­fi­ziert das an den unsäg­li­chen PCR-Tests (33).

Zur „psy­chi­schen Blind­heit“, die gera­de in der Coro­na-Insze­nie­rung vie­le Zeit­ge­nos­sen befal­len hat­te, und die Fixie­rung auf die – eben nicht per se aus­sa­ge­kräf­ti­gen – Zah­len schreibt Desmet:

„Eine von Angst und Unbe­ha­gen durch­drun­ge­ne Gesell­schaft wählt aus dem Meer von Zah­len genau jene, die ihre Angst bestä­ti­gen, und die­se Zah­len ver­stär­ken dann wie­der­um die Angst. So reagiert man letzt­end­lich kom­plett dis­pro­por­tio­nal mit allen sich dar­aus erge­ben­den Fol­gen: auf öko­no­mi­schem Gebiet die Rezes­si­on und der Bank­rott zahl­lo­ser Fir­men und klei­ner Gewer­be­trei­ben­der (…) und ja, auf kör­per­li­chem Gebiet, als Aus­wir­kung des psy­cho­lo­gi­schen und sozia­len Stress­zu­stan­des, ein Zusam­men­bruch der Immu­ni­tät und der phy­si­schen Gesund­heit. Und wir dür­fen noch hin­zu­fü­gen: auf poli­ti­schem Gebiet das Auf­kom­men des tota­li­tä­ren Staa­tes“ (86)

Des­met kon­sta­tiert, von einer ent­wick­lungs­psy­cho­lo­gi­schen und lin­gu­isti­schen Theo­rie aus­ge­hend, eine all­ge­mei­ne Unsi­cher­heit des mensch­li­chen Lebens und der mensch­li­chen Spra­che, die nicht ein­deu­tig sei. Die­se Unsi­cher­heit wer­de durch „Regel­drang“ und Nar­ziß­mus kom­pen­siert (92). Die „Erlö­sung vom Regel­drang“ set­ze ein, wenn der Mensch akzep­tiert, daß es „die defi­ni­ti­ve Ant­wort auf die Fra­ge nach dem Gewünsch­ten nicht gibt“ (101). Hier wer­den wir ergän­zen: inner­halb eines athe­isti­schen Kon­zepts. Die Offen­ba­rung, der Logos, der „im Prin­zip“ ist (Joh 1,1), und nicht das Cha­os, gibt uns näm­lich sehr wohl Ant­wor­ten, auch wenn natür­lich in der Lebens­füh­rung Unsi­cher­hei­ten bleiben.

Der Totalitarismus reduziert die komplexe (und „ineffable“) Person auf „eindeutige“ Zeichen

Der Kern der Tota­li­ta­ris­mus­ana­ly­se Des­mets liegt in der Her­aus­ar­bei­tung eines kras­sen Reduk­tio­nis­mus, der die Viel­schich­tig­keit der Per­son und sein per­so­na­les Geheim­nis (wir ergän­zen: „Indi­vi­du­um est ineffa­bi­le“ nach dem hl. Tho­mas) zugun­sten eines simp­len Zei­chen­sy­stems ersetzt:

„Der fre­ne­ti­sche Drang des Tota­li­ta­ris­mus, der Gesell­schaft eine basa­le Logik auf­zu­er­le­gen, zeigt sich auch in der Obses­si­on für Zei­chen, mal als unter­schei­den­des Merk­mal für die Eli­te genutzt (Uni­for­men, Orden, Abzei­chen usw.), mal als Stig­ma für die ‚objek­ti­ven Fein­de‘ des Regimes, das not­falls ins Fleisch gebrannt wird (man den­ke an die täto­wier­ten Num­mern in Ausch­witz, aber auch in den Gulags hat­te jede Grup­pe ein Zei­chen). […] An die­sem Punkt kön­nen wir den psy­cho­lo­gi­schen Kern des Tota­li­ta­ris­mus genau bestim­men: Tota­li­ta­ris­mus ist ein Ver­such, die Mehr­deu­tig­keit der mensch­li­chen Spra­che auf die Ein­deu­tig­keit eines Zei­chen­sy­stems zu redu­zie­ren“ (152).

Das System wird zum Selbst­zweck und wird immer absur­der.1

Mat­ti­as Des­met ist Pro­fes­sor für Kli­ni­sche Psy­cho­lo­gie an der Abtei­lung für Psy­cho­ana­ly­se und kli­ni­sche Bera­tung der Uni­ver­si­tät Gent

Die dar­aus ent­ste­hen­den Schä­den und Grau­sam­kei­ten wer­den auch von der Mas­se gebil­ligt. Das sah man auch an der bru­ta­len Aus­gren­zung Impf­frei­er in der „Pan­de­mie“. Das „ruft die unan­ge­nehm­sten Remi­nis­zen­zen wach und kann durch­aus der erste Schritt zu einem infer­na­li­schen Zyklus der Ent­mensch­li­chung wer­den“ (154f)

Des­met schreibt weni­ger den „Eli­ten“ son­dern der „Mas­se“ zu, „der Gesell­schaft ihren Wil­len auf­zu­zwin­gen“, weil sie „nach Kon­trol­le über die Gesell­schaft“ (168) stre­be. Des­met meint, daß Coro­na­ex­per­ten eher feh­ler­an­fäl­lig und – unter Druck – mehr dumm sind als bös­ar­tig. Auch bei Main­stream­m­e­di­en gebe es eher Selbst­zen­sur als Zensur.

Des­met erwähnt das Lock­step-Sze­na­rio der Rocke­fel­ler Foun­da­ti­on, Event 201 der Bill & Melin­da Gates Foun­da­ti­on (in Zusam­men­ar­beit mit dem Johns Hop­kins Cen­ter for Health Secu­ri­ty und dem WEF), sowie das Buch COVID-19 The Gre­at Reset von Schwab und Mal­ler­et (175), rela­ti­viert aber:

„Der ulti­ma­ti­ve Mei­ster ist die Ideo­lo­gie, nicht die Eli­te“ (177).

Die Mas­sen spie­len mit.2

Aufruf zum Widerstand: Wahrsprechen und teleologisches Weltbild

Der Tota­li­ta­ris­mus ist nicht unbesiegbar:

„Han­nah Are­ndt merk­te an, dass gewalt­lo­ser Wider­stand hin­ge­gen in Bezug auf Tota­li­ta­ris­mus erstaun­lich erfolg­reich sein kann“ (185).

Es wäre eine Illu­si­on zu glau­ben, daß Schwei­gen die beste Opti­on für wen auch immer sei. Die zwei­te Grup­pe (die gefü­gi­ge, aber nicht hyp­no­ti­sier­te) sei durch­aus emp­fäng­lich für die Qua­li­tät ratio­na­ler Argumente.

Im drit­ten Teil des Buches erör­tert Des­met die Ergeb­nis­se der neue­sten Natur­wis­sen­schaft (Wer­ner Hei­sen­berg, Max Planck, Benoît Man­del­brot, James Gleick), die von einem mecha­ni­sti­schen zu einem teleo­lo­gi­schen Welt­bild füh­ren und somit dem pseu­do-natur­wis­sen­schaft­li­chen und tech­no­kra­ti­schen Tota­li­ta­ris­mus „mit sei­ner Anma­ßung von Ratio und Wis­sen­schaft­lich­keit“ (230) das Was­ser abgra­ben. Hier fin­den sich über­ra­schen­de und erfreu­li­che Hin­wei­se, daß die moder­ne Atom­phy­sik zur Ideen­leh­re Pla­tons (204) und zur klas­si­schen christ­li­chen Schöp­fungs­leh­re (233) zurückfindet.

Lügenhafte Wissenschaftler: „Replikationskrise“ im Jahr 2005

Des­met bringt in die­sem Buch eine Infor­ma­ti­on, die auch dem auf­merk­sa­men kri­ti­schen Zeit­ge­nos­sen ver­mut­lich nicht bekannt ist. Im Jahr 2005 gab es eine schwe­re Kri­se der Wis­sen­schaft: Es wur­de ruch­bar, daß Gei­stes- und Natur­wis­sen­schaft­ler ihre Ergeb­nis­se bewußt ver­zerrt dar­ge­stellt oder kom­plett gefälscht hat­ten. Man sprach von „Repli­ka­ti­ons­kri­se“, weil beim Wie­der­ho­len von Expe­ri­men­ten völ­lig ande­re Ergeb­nis­se her­aus­ka­men. Feh­ler, for­cier­te Schluß­fol­ge­run­gen und Betrug führ­ten bis zu 85 Pro­zent fal­schen Ergeb­nis­sen, je nach For­schungs­ge­biet, „ja, man­che [Wis­sen­schaft­ler] schie­nen ihre Unter­su­chun­gen gar völ­lig frei erson­nen zu haben“ (29).

Ange­sichts die­ses – wenig bekann­ten – Skan­dals sei der Appell an die Wis­sen­schafts­gläu­big­keit, wie er jetzt wäh­rend der letz­ten drei Jah­re von den Macht­ha­bern in der Coro­na-Kri­se pro­pa­giert wur­de, nicht gerecht­fer­tigt.3

Desmet für Katholiken, pro und contra

In Fra­gen von Mas­sen­psy­cho­lo­gie, mecha­ni­sti­scher Natur­wis­sen­schaft und ethi­schem Ver­hal­ten (sehr schö­ne Ver­wei­se auf Alex­an­der Sol­sche­ni­zyn) wird man als Katho­lik zustim­men kön­nen. Durch­aus wei­ter­emp­feh­len kann man Des­mets Cre­do, wonach man „Glück­lich­sein“ nicht direkt anstre­ben kann oder soll. Er, Des­met, hal­te es so, daß er ver­su­che, immer ruhig die Wahr­heit zu sagen und dadurch auch Nach­tei­le in Kauf zu neh­men. Aber auf die­se Wei­se ist wah­res Glück zu fin­den. Die Men­ta­li­tät der Absi­che­rung gegen alles und jedes sei kein Leben. Dem kann man mit Hin­weis auf Mt 16,25ff nur zustimmen.

Weil „Mas­sen­bil­dung ent­steht, indem sich frei­schwe­ben­de, unge­bun­de­ne Angst an ein Objekt der Angst hef­tet“, kön­ne die­se Ver­bin­dung wie­der gelöst wer­den, „wenn ein ande­res Objekt prä­sen­tiert wird, das noch mehr Angst ein­flößt“ z. B. das tota­li­tä­re Regime selbst (190). Wir ergän­zen: oder die Höl­le. Denn Indi­vi­du­en und Gesell­schaf­ten mit einem aus­ge­präg­ten escha­to­lo­gi­schen Bewußt­sein wer­den sich durch poli­ti­sche Kam­pa­gnen weni­ger ins Bocks­horn jagen lassen. –

Lei­der bedient Des­met abge­lutsch­te Kli­schees bezüg­lich Kir­che und Natur­wis­sen­schaft (u. a. zu Koper­ni­kus und Gali­lei), die längst wider­legt sind. So wird man ihm James Han­nams God’s Phi­lo­so­phers zur Nach­hil­fe emp­feh­len können.

Daß „ursprüng­li­che reli­giö­se Erfah­rung“ von „reli­giö­ser Insti­tu­tio­na­li­sie­rung“ „besu­delt“ (25) wor­den wäre, ist, bezieht man die Aus­sa­ge auf die kirch­lich ver­mit­tel­te Offen­ba­rung, unsin­nig und blasphemisch.

Daß die Jesui­ten die „unbe­kehr­ba­ren Urein­woh­ner Nord­ame­ri­kas mit­hil­fe des Schei­ter­hau­fens doch vom Chri­sten­tum zu über­zeu­gen ver­such­ten“ (90), ist falsch, eine schwar­ze Legen­de, die Des­met einer anti­ka­tho­li­schen Quel­le entnimmt.

Daß Des­met kei­nen katho­li­schen Ansatz hat und kei­ne theo­lo­gi­schen Gesichts­punk­te berück­sich­tigt, wer­den wir hier nicht kri­ti­sie­ren. Es ist ein säku­la­res Buch eines säku­la­ren Wis­sen­schaft­lers, der über gesun­den Men­schen­ver­stand ver­fügt und als sol­cher Lesern einer katho­li­schen Nach­rich­ten­sei­te vie­les zu sagen hat. Zudem stellt sich die Fra­ge, ob er jemals etwas Sinn­vol­les von der Hier­ar­chie sei­ner Hei­mat gehört hat, die sich, wie die Leser die­ser Sei­te wis­sen, seit Jahr­zehn­ten in einem kata­stro­pha­len Zustand befindet.

Die Des­met­schen Ana­ly­sen sind übri­gens durch­aus auf den an kei­ner­lei Wahr­heit gebun­de­nen Tota­li­ta­ris­mus des Berg­o­glio-Pon­ti­fi­kats anwend­bar. Die klein­li­chen, absur­den und bereits wie­der abge­än­der­ten Aus­füh­rungs­be­stim­mun­gen zu dem Schand­do­ku­ment Tra­di­tio­nis cus­to­des erin­nern an den Unsinn der Corona-Regeln.

Resümee

Des­mets Abhand­lung ist flüs­sig geschrie­ben, aber durch­aus anspruchs­voll. Sie ent­hält vie­le wich­ti­ge Infor­ma­tio­nen und Erkennt­nis­se. Des­met schreibt einen guten Stil mit erin­ne­rungs­wür­di­gen For­mu­lie­run­gen. („Die mecha­ni­sti­sche Ideo­lo­gie lebt immer auf Kre­dit. In der Zukunft, wenn das Wis­sen kom­plett und die Tech­no­lo­gie per­fekt sein wer­den, wird sie die Mensch-Maschi­ne ins Para­dies brin­gen. Aber vor­läu­fig wird man vor allem krank und depres­siv davon“ (63).)

Sei­ne Ursa­chen­for­schung zum Tota­li­ta­ris­mus ist beden­kens­wert. Die Ana­ly­se des vor­herr­schen­den Welt­bil­des als „mecha­ni­stisch“ und somit tech­nisch-tota­li­tä­re „Lösun­gen“ begün­sti­gend erach­tet der Rezen­sent als geglückt for­mu­liert. Sei­ne Vor­schlä­ge der Gegen­stra­te­gie, näm­lich Eta­blie­rung eines teleo­lo­gi­schen Welt­bil­des, wohl­wol­len­de mensch­li­che Kon­tak­te zur Über­win­dung der Ato­mi­sie­rung, „Wahr­spre­chen“, sind zustimmungswürdig.

Es ist auch rich­tig, daß der Tota­li­ta­ris­mus davon lebt, daß die Mas­se, zumin­dest ein kri­ti­scher Anteil, ger­ne mit­macht. Des­met warnt davor, alle Bezich­ti­gun­gen auf die „Ver­schwö­rer“ zu rich­ten und jeder Selbst­kri­tik aus dem Weg zu gehen. Das ist grund­sätz­lich ein guter Rat, denn tat­säch­lich sind auch vie­le Indi­vi­du­en auf ihre Wei­se am Tota­li­ta­ris­mus mit­schul­dig. Pla­ton wuß­te, daß die Regie­rungs­for­men und die See­len­zu­stän­de der Men­schen kor­re­spon­die­ren. Inso­fern hat Des­met sicher recht, wenn er zur Selbst­kri­tik mahnt.

Die größ­te Schwä­che des Buches ist aber, daß Des­met den bösen Wil­len von Mäch­ti­gen unter­schätzt (obwohl es Bestechung und Mani­pu­la­ti­on in Wirt­schaft und Poli­tik gebe: 179). Er blen­det die böse Absicht, das Sata­ni­sche aus. Ver­schwo­re­ne Krei­se mögen unter einer bestimm­ten Rück­sicht Opfer einer Ideo­lo­gie sein, sie sind aber selbst­ver­ständ­lich zuerst Täter. Des­met scheint auch die Rol­le gehei­mer Abspra­chen zu unter­schät­zen. Er schreibt zwar, daß es sie gibt, schwächt das aber wie­der ab. Des­met ten­diert auch dazu, Ver­tre­tern tota­li­tä­rer Syste­me noble Beweg­grün­de, sozu­sa­gen irre­ge­lei­te­ten Idea­lis­mus, zuzu­ge­ste­hen (158): Die Bol­sche­wi­ki tra­ten nach Des­met mit dem festen Wil­len an, die Miß­stän­de im zari­sti­schen Russ­land zu besei­ti­gen. Das muß man ange­sichts der sata­ni­schen Qua­li­tät des Mar­xis­mus als Mythos bezeichnen.

Die Spit­ze der NSDAP habe eine „ableh­nen­de Hal­tung gegen­über uner­laub­tem Geld­ge­winn“ gezeigt und „Per­sön­lich­kei­ten mit der Nei­gung zu Per­ver­si­on und Psy­cho­pa­thie wur­den von der Rekru­tie­rung syste­ma­tisch aus­ge­schlos­sen.“ Daher ver­wahrt er sich für die Gegen­wart gegen die „ver­locken­den Erklä­rungs­pfa­de“ (143) Fol­low the Money und Cui bono?

Da ver­drib­belt er sich. Denn erstens gab es Per­ver­si­on, Psy­cho­pa­thie und Sadis­mus zuhauf in der Füh­rung der natio­nal­so­zia­li­sti­schen Macht, auch unver­schäm­te Gewinn­sucht, und zwei­tens ist die Fra­ge Cui bono? selbst­ver­ständ­lich das wich­tig­ste Mit­tel zur kri­mi­na­li­sti­schen Ursa­chen­for­schung. Hier wun­dert man sich als Leser doch ziemlich. –

Folgt man den im Inter­net auf eng­lisch greif­ba­ren Inter­views mit Des­met, dann wird man einen gewin­nen­den, ganz offen­kun­dig auf­rech­ten Cha­rak­ter antref­fen. Sei­ne Infor­ma­tio­nen, Ana­ly­sen und Erkennt­nis­se – so unvoll­stän­dig sie aus christ­li­cher Sicht sein mögen – loh­nen auf alle Fäl­le die Beschäftigung.

Mat­ti­as Des­met, Die Psy­cho­lo­gie des Tota­li­ta­ris­mus, Euro­pa­ver­lag, Mün­chen 2023, 270 S.; aus dem Nie­der­län­di­schen von Arne Braun (Orig.: De psy­cho­lo­gie van tota­li­ta­ris­me, Pelck­mans Uit­ge­vers, Kalmt­hout, 2022)

*Wolf­ram Schrems, Wien, Mag. theol., Mag. phil., Kate­chist, Pro-Lifer, beob­ach­tet seit sei­ner Schul­zeit in den 80er Jah­ren mit Ent­set­zen die Selbst­un­ter­wer­fung wei­ter Tei­le sei­ner jewei­li­gen Umge­bung unter lügen­haf­te offi­zi­el­le Narrative


1 Des­met kennt übri­gens sei­ne Orwell­schen Schwei­ne:

„Der Exi­stenz­grund eines tota­li­tä­ren Systems ist unter ande­rem, Angst zu kana­li­sie­ren, und des­halb muss es auch per­ma­nent neue Objek­te der Angst benen­nen. […] (Der) Kern des Phä­no­mens des Tota­li­ta­ris­mus ist des­sen Dyna­mik. Die Richt­li­ni­en und Dekre­te ändern sich stän­dig, es sind immer neue Reak­tio­nen auf neue Bedro­hun­gen nötig. Man den­ke an die Schwei­ne in der Farm der Tie­re, die nachts neue Regeln an die Wand schrie­ben“ (153).

2 „In Angst will die Bevöl­ke­rung eine kon­trol­lier­te­re Gesell­schaft, die Lock­downs waren für vie­le Men­schen eine Befrei­ung aus dem uner­träg­li­chen und sinn­lo­sen Trott des Arbeits­le­bens, die Men­schen hat­ten das drin­gen­de Bedürf­nis nach einem gemein­sa­men Feind usw.“ (177).

3 Des­met schreibt, daß die Auf­deckung die­ser Fäl­schun­gen aber für die tota­li­tär kon­di­tio­nier­te Mas­se kaum ein Pro­blem sei. Han­nah Are­ndt habe schon gewußt:

„Das idea­le Sub­jekt der tota­li­tä­ren Herr­schaft ist nicht der über­zeug­te Nazi oder der über­zeug­te Kom­mu­nist, son­dern Men­schen, für die die Unter­schei­dung zwi­schen Fakt und Fik­ti­on […] und die Unter­schei­dung zwi­schen wahr und falsch […] nicht mehr exi­stiert.“ (10)

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