(Bogota) Die Kolumbianische Bischofskonferenz korrigierte ihre erste Anordnung wegen des Coronavirus und ersetzte sie durch eine zweite. Darin wird bestätigt, daß die Mundkommunion auch weiterhin möglich ist. Durch das Coronavirus ist die Kommunionspendung auf die Tagesordnung zurückgekehrt. Grund genug für eine kurzen historischen Rückblick auf einen Ungehorsam, mit dem alles begann.
Mit der gestern, 10. März, erlassenen zweiten Erklärung wird von der Kolumbianischen Bischofskonferenz die erste Erklärung vom 7. März korrigiert, in der die Handkommunion vorgeschrieben wurde. Diese war erlassen worden, nachdem ein erster Fall von Coronavirus in Kolumbien registriert worden war.
Auch im neuen Schreiben wird allerdings betont, daß die Bischöfe die Handkommunion als „Vorsichtsmaßnahme“ wünschen. Sie stellen allerdings klar, daß weiterhin „auch die Mundkommunion“ empfangen werden kann, wenn das gewünscht ist. Die Bischöfe schreiben, die Kirche lehre, daß weder die eine noch die andere Form vorgeschrieben werde.
Laut geltendem Kirchenrecht sieht das doch akzentuiert anders aus, denn die Mundkommunion gilt immer, während die Handkommunion einer Dispens bedarf, die allerdings von den meisten Bischofskonferenzen erteilt wurde. Dennoch ergibt sich daraus ein grundlegender Unterschied zwischen beiden Formen. Die Kirche lehrt, daß die Mundkommunion die eigentliche Form des Kommunionempfangs ist, während die Handkommunion nur eine auch erlaubte Ausnahme darstellt. Diese Tatsache wird allerdings kaum erwähnt, wie auch das neue Schreiben der Kolumbianischen Bischofskonferenz zeigt.
Die Einführung der Handkommunion als deutscher Willkürakt
Während die Mundkommunion nie eingeschränkt werden kann, schreibt das Kirchenrecht ausdrücklich vor, daß die Handkommunion verweigert werden muß, wenn die Gefahr eines Sakrilegs oder fehlender Ehrerbietung besteht. Die Kirchenverantwortlichen waren sich stets bewußt, daß die Handkommunion die potentielle Gefahr von Sakrilegien erhöht bzw. erst ermöglicht.
Jede Bischofskonferenz, die eine Dispens aussprach, mit der die Handkommunion in ihrem Gebiet erlaubt wurde, tat dies unter der Prämisse, daß die römische Instruktion Memoriale Domini samt dazugehörigem Anleitungsanhang (siehe Acta Apostolicae Sedis von 1969, S. 541–547) einzuhalten ist.
In einer ergänzenden Instruktion zur Instruktion, die sich mit pastoralen Fragen befaßt und von Kurienerzbischof Annibale Bugnini unterzeichnet ist, erlaubte Papst Paul VI. allerdings den Bischofskonferenzen eine Dispens von der verpflichtenden Mundkommunion zu erteilen. In den Acta von 1969 heißt es (S. 546):
„Während der Heilige Vater daran erinnert, worum es in der beigefügten Instruktion vom 29. Mai 1969 über die Aufrechterhaltung des traditionellen Gebrauchs [der Mundkommunion] geht, hat er die angeführten Gründe Ihrer Anfrage und die Ergebnisse der Abstimmung zu diesem Thema in Betracht gezogen. Er willigt ein, daß jeder Bischof auf dem Gebiet Ihrer Bischofskonferenz nach seiner Klugheit und seinem Gewissen in seiner Diözese die Einführung des neuen Ritus zur Verteilung der Kommunion [der Handkommunion] genehmigen kann, sofern jede Gelegenheit des Ärgernisses für die Gläubigen und jede Gefahr der Respektlosigkeit gegenüber der Eucharistie vermieden wird.“
Diese Instruktion zur Instruktion, die an die derzeitigen Fußnoten erinnert, gehört zu den umstrittensten Entscheidungen von Paul VI., da er in der eigentlichen Instruktion ausführen ließ, daß die große Mehrheit der Bischöfe alle drei Fragen, die ihnen vom Heiligen Stuhl zur vorgeschlagenen Einführung der Handkommunion vorgelegt wurden, abgelehnt hatten. Dennoch erteilte Paul VI. durch Bugnini die Erlaubnis, weil ihm der Druck einer Handvoll Bischofskonferenzen, darunter vor allem jene des deutschen Sprachraumes, wichtiger war als die große Mehrheit des Weltepiskopats.
Die Genehmigung erfolgte nach dem Dezentralisierungsprinzip. Auch darin ist eine Parallele zur Vorgehensweise im derzeitigen Pontifikat zu erkennen. Das damalige Motto wird heute vor allem von Kardinal Walter Kasper vertreten: Jene Bischofskonferenzen, die die Handkommunion wollten, konnten sie dadurch einführen, während die anderen an der Mundkommunion festhalten könnten.
Auslöser war der deutsche Sprachraum, wo nach protestantischem Vorbild willkürlich und in offenem Ungehorsam die Handkommunion einfach eingeführt wurde. Anstatt diesem Wildwuchs entgegenzutreten, zog Paul VI. es vor, den Ungehorsam durch die dezentrale Dispensregelung zu legalisieren.
Die progressive Eigendynamik – ein kurzer Rückblick
Die Realität zum Grundmotto „Jeder wie er will“ spricht 50 Jahre später eine deutliche Sprache. Rückblickend bestätigt der konkrete Fall Kaspers Überzeugung einer progressiven Eigendynamik, die ein Zurück unmöglich mache. Antrieb dabei sei ein revolutionäres Prinzip. Deshalb, so immer Kasper, sei entscheidend, daß irgendwo zumindest eine Tür aufgetan werde. Der Rest dauere zwar, sei dann aber kaum mehr aufzuhalten. Die „kleine“ Ausnahme ist das Einfallstor. Man könnte auch sagen, es genügt ein noch so kleines Loch, um einen ganzen Damm brechen zu lassen. Wem ist zu verdenken, wenn nun manche an die Zölibatsfrage und den Versuch zur Etablierung eines „Amazonas-Priestertums“ denken werden – wo die Ausnahme natürlich „nur“ beschränkt auf den Amazonas-Regenwald erlaubt werden sollte.
So sehr Kardinal Kasper das auch glauben mag: Von einem Automatismus kann keine Rede sein. Es braucht immer die nötigen Voraussetzungen, die von Menschen geschaffen, zugelassen und geduldet werden müssen. Die Liste jener, die diese Voraussetzungen in den vergangenen Jahrzehnten ermöglicht haben, ist entsprechend lang.
Während im deutschen Sprachraum nach der Instruktion zur Instruktion von 1969 sofort von der Möglichkeit Gebrauch gemacht wurde, die Handkommunion offiziell einzuführen, hielten andere Länder noch jahrzehntelang an der überlieferten Praxis fest, um dann – geführt von einer neuen Bischofsgeneration – doch irgendwann nachzugeben.
Letztlich kommt dem Beispiel der Papst-Diözese Rom eine maßgebliche Vorbildwirkung zu. Die Italienische Bischofskonferenz führte die Handkommunion im Juli 1989 ein – mit einer einzigen Stimme Mehrheit. 1996 folgte auch Argentinien. Bischof Juan Rodolfo Laise, ein Kapuziner, leistete energischen Widerstand, was dazu führte, daß ihm Mitbrüder vorwarfen, die „kirchliche Gemeinschaft“ zu stören.
In Kasachstan wird, dank Weihbischof Athanasius Schneider, die heilige Eucharistie weiterhin als Mundkommunion und kniend empfangen. Vereinzelt haben Bischöfe die von der Bischofskonferenz erteilte Dispens für ihr Bistum wieder aufgehoben. Als Vorbild ging ihnen seit 2008 Papst Benedikt XVI. voraus, dem allerdings die Kraft fehlte, als Papst zu handeln und sein Beispiel in eine Norm umzugießen.
Laut Kirchenrecht ist es jederzeit möglich, die Dispens wieder aufzuheben, wenn die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Das tat 2009 Kardinal Carlo Caffarra für die Bischofskirche, die Konkathedrale und das größte Marienheiligtum seines Erzbistums Bologna, weil er durch die Handkommunion eine zu große Gefahr eines Sakrilegs sah. Wenn das vor zehn Jahren für Bologna galt, muß angenommen werden, daß die Gefahren in zahlreichen anderen Bistümern der Welt nicht geringer sind.
Kirchenrechtlich nicht möglich ist hingegen ein Zwang zur Handkommunion durch ein Verbot der Mundkommunion. Dem haben die kolumbianischen Bischöfe Rechnung getragen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Libertà e Persona/Vatican.va/Conferencia Episcopal de Colombia (Screenshots)