
(Rom) Auf dem Rückflug aus Afrika nach Rom stellte sich Papst Franziskus der traditionellen „fliegenden“ Pressekonferenz. Dabei wiederholte er seine Kritik, daß der Tod von Benedikt XVI. „instrumentalisiert“ wurde. Die Frage ist, von wem und in welcher Form.
Laut Franziskus, der den Kongo und den Südsudan besucht hatte, wurde der Tod Benedikts „von Leuten instrumentalisiert, die Wasser auf ihre Mühlen leiten wollen“. Der Papst sagte aber nicht, wen genau er damit meinte, und auch nicht, um welche Mühlen es sich handelt.
Wer einen „so guten, gottesfürchtigen Menschen, fast würde ich sagen: einen heiligen Kirchenvater, instrumentalisiert, handelt unethisch“, lobte Franziskus seinen Amtsvorgänger, der auf seine Weise die ersten zehn Jahre des derzeitigen Pontifikats überschattete.
„Das sind Parteimenschen, die nicht von der Kirche sind… Man sieht überall die Neigung, theologische Positionen zu Parteien zu machen. Diese Dinge werden von selbst in sich zusammenstürzen – oder auch immer so weitergehen, wie es schon so oft in der Geschichte der Kirche geschehen ist. Ich wollte klar sagen, wer Papst Benedikt war: Er war kein verbitterter Mensch.“
Zuletzt hatte Franziskus seinen Vorgänger in einem ausführlichen Interview mit der Presseagentur AP als „Sklaven“ seines Amtes bezeichnet. Damit übte Franziskus seinerseits Kritik an der Entscheidung Benedikts, sich als „emeritierter Papst“ zu bezeichnen und weiterhin als Papst gekleidet zu sein. Er selbst werde nach einem eventuellen Amtsverzicht einfach in einem Priesterhaus wohnen, es also anders machen. Doch sei, fügte Franziskus damals hinzu, von einem Rücktritt derzeit keine Rede. Darüber denke er nicht einmal nach.
Wer sind nun jene, die „Wasser auf ihre Mühlen“ leiten wollten? Die Welt der Tradition kommt dafür nicht in Frage. Sie scheint vielmehr verschreckt und gelähmt durch eine Unzahl von Gerüchten, daß nun eine weitere Verschärfung der traditionsfeindlichen Maßnahmen bevorstehe.
Demnach bleibt nur eine Episode: Am 12. Januar enthüllte der Vatikanist Sandro Magister, einen Tag nach dem Tod von Kardinal George Pell, daß dieser der Autor jener aufsehenerregenden Denkschrift war, die im März 2022 unter den Mitgliedern des Kardinalskollegiums herumgereicht wurde und mit „Demos“ unterzeichnet war. Die Denkschrift ist eine vernichtende Kritik am Pontifikat von Papst Franziskus. Durch den unerwarteten Tod von Kardinal Pell am 11. Januar gilt die Denkschrift als sein Vermächtnis an den Kirchensenat und vor allem an die Papstwähler im kommenden Konklave.
Diese Kritik von einem der intelligentesten Kardinäle, den Franziskus – obwohl Pell kein Bergoglianer war – zunächst einzubinden versuchte, dann aber ausgesprochen schlecht behandelte, hat den Papst offensichtlich hart getroffen. Weniger die Kritik an sich, dafür aber umso mehr, daß sie nun erneut so breit in die Öffentlichkeit getragen wurde.
Vor allem tritt Kardinal Pell in seinem Denkschrift-Vermächtnis nicht direkt als Vertreter der Tradition auf, wenngleich er sich darin auch zu deren Verteidiger machte. Er kann also nicht vorschnell in eine Schublade verräumt werden, wie es manche im Umfeld von Santa Marta sehr bequem finden. Der Kardinal formulierte klug. Er sprach die Tradition an, indem er das dringlichste Desiderat nannte: die Wiederherstellung der Rechtssicherheit, die Franziskus durch das Motu proprio Traditionis custodes entzogen hat. Pell behandelte das Thema treffsicher, tat dies aber fast nebenbei. Er wußte, daß die namentlich bekannten Verteidiger der Tradition im Kardinalskollegium durch die zahlreichen, teils exotischen Neuernennungen von Franziskus eine kleine Schar sind. Mit seiner Denkschrift aber zielte der australische Purpurträger auf die Breite des Kardinalskollegiums ab. Wer nämlich erkennt, daß die Richtung im derzeitigen Pontifikat in einem Bereich falsch, wenn nicht sogar verheerend ist, wird in einem zweiten Schritt auch eher bereit sein, eine solche Fehlentwicklung in einem anderen Bereich anzunehmen, dem er persönlich nicht so verbunden ist oder der nicht als so wichtig erachtet wird.
Franziskus sprach auf der fliegenden Pressekonferenz gewohnt kryptisch. Seine Aussage bestätigt jedoch, daß die Denkschrift von Kardinal Pell zum Stachel im Fleisch geworden ist, der dieses Pontifikat wohl bis zu seinem Ende schmerzlich begleiten wird.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia (Screenshot)