„Die Kardinäle wußten schon, warum sie nie einen Jesuiten zum Papst gewählt haben“

Interview von Abbé Philippe Laguérie zum Motu proprio Traditionis custodes


Abbé Philippe Laguérie war seit der Gründung 2006 bis 2019 Generaloberer des Institut du Bon Pasteur und lehrt heute an dessen internationalem Priesterseminar.
Abbé Philippe Laguérie war seit der Gründung 2006 bis 2019 Generaloberer des Institut du Bon Pasteur und lehrt heute an dessen internationalem Priesterseminar.

Die fran­zö­si­sche Tages­zei­tung Pré­sent ver­öf­fent­lich­te ein Inter­view mit Abbé Phil­ip­pe Lagué­rie, dem ehe­ma­li­gen Gene­ral­obe­ren des Insti­tut du Bon Pasteur, zum Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des und dem Feld­zug Roms gegen den über­lie­fer­ten Ritus. Das Inter­view stammt bereits vom 19. Janu­ar 2022, soll aber doku­men­tiert werden.

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Abbé Lagué­rie war von 2006 bis 2019 Gene­ral­obe­rer des von ihm gegrün­de­ten alt­ri­tu­el­len Insti­tut du Bon Pasteur. Lagué­rie wur­de 1979 von Erz­bi­schof Mar­cel Lefeb­v­re zum Prie­ster geweiht und gehör­te bis 2004 der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. an. Anschlie­ßend grün­de­te er das Insti­tut du Bon Pasteur und kehr­te mit die­sem unter Papst Bene­dikt XVI. in die vol­le Ein­heit mit Rom zurück. Das Insti­tut umfaßt heu­te mehr als 50 Prie­ster, eben­so vie­le Semi­na­ri­sten (im Sep­tem­ber sind zwölf neue Semi­na­ri­sten ein­ge­tre­ten) und seit kur­zem auch einen weib­li­chen Zweig, die Sœurs Ser­van­tes Répa­ra­tri­ces de la Sain­te Famil­le. Im März 2019 leg­ten die ersten Novi­zin­nen ihre fei­er­li­chen Gelüb­de ab. Das Insti­tut ist mit elf kano­nisch errich­te­ten Häu­sern in neun Staa­ten auf drei Kon­ti­nen­ten ver­tre­ten. 2019 über­gab Abbé Lagué­rie die Lei­tung des Insti­tuts an sei­nen Nach­fol­ger P. Luis Gabri­el Bar­re­ro Zaba­le­ta, einen Kolum­bia­ner, der 1997 für die Pius­bru­der­schaft zum Prie­ster geweiht wur­de und sich dann dem Insti­tut du Bon Pasteur anschloß. Sitz des Gene­ral­obe­ren ist das insti­tuts­ei­ge­ne inter­na­tio­na­le Prie­ster­se­mi­nar Saint-Vin­cent-de-Paul im fran­zö­si­schen Cour­ta­lain (Eure-et-Loir). Dort begann vor kur­zem das neue Stu­di­en­jahr mit der Able­gung des Anti­mo­der­ni­sten­eides durch die Professorenschaft.

Pré­sent: Abbé, dach­ten Sie, daß Sie eines Tages wie­der eine Zeit der Hexen­jagd (wenn ich die­sen Aus­druck wagen darf) gegen­über dem über­lie­fer­ten Ritus erle­ben würden?

Abbé Lagué­rie: Ja und nein! Betrach­tet man die tie­fe­ren Ursa­chen der lit­ur­gi­schen Revo­lu­ti­on der 1960er Jah­re, die moder­ni­sti­sche Ver­seu­chung des Raubs des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils – weit­aus unheil­vol­ler als die von Ephe­sus! –, so haben die glei­chen Ursa­chen die glei­chen Wir­kun­gen: Ja! Trotz des heu­te als geschei­tert zu bezeich­nen­den Ver­suchs unter Bene­dikt XVI., der zwei­tau­send Jah­re alten Lit­ur­gie der Kir­che wie­der zu ihren Rech­ten zu ver­hel­fen, blieb und bleibt das kirch­li­che Per­so­nal grund­le­gend revo­lu­tio­när. „Ein schlech­ter Baum kann kei­ne guten Früch­te tra­gen…“. Aber wenn man die Gewalt der letz­ten bei­den Doku­men­te Tra­di­tio­nis Cus­to­des und die Respon­sa ad dubia betrach­tet, ihre Miß­ach­tung der lit­ur­gi­schen Tra­di­ti­on, den Zynis­mus der ergrif­fe­nen Maß­nah­men, die Wut der syste­ma­ti­schen Zer­stö­rung, die von Haß trieft, dann wür­de man sagen, daß der Papst nicht mehr „an den Rän­dern“ arbei­tet, son­dern in einer ande­ren Gala­xie. Außer­dem zei­gen uns sei­ne Rei­sen, daß sei­ne Ortho­do­xie umge­kehrt pro­por­tio­nal zur Flug­hö­he ist! Ja: Bestür­zung. Wir sind wie­der in den 1970er Jah­ren, bei den Sus­pen­die­run­gen a divi­nis, beim „wil­den Semi­nar“, bei den „Exkom­mu­ni­ka­tio­nen“. Es liegt der Geruch von Pul­ver­dampf in der Luft.

Pré­sent: Wie ist die Hal­tung von Papst Fran­zis­kus zu ver­ste­hen: durch und durch schäd­lich oder ein­fach nur im Ein­klang mit dem Zwei­ten Vaticanum?

Abbé Lagué­rie: Zunächst ein­mal darf man nicht aus den Augen ver­lie­ren, daß der der­zei­ti­ge Papst ein Jesu­it ist! Es ist das erste Mal und hof­fent­lich auch das letz­te Mal. Ein Jesu­it wird immer die Wirk­sam­keit der Kon­se­quenz vor­zie­hen. Der hei­li­ge Igna­ti­us wuß­te das sehr wohl und hat­te sei­ne Ordens­leu­te einem vier­ten Gelüb­de unter­wor­fen: dem des Gehor­sams gegen­über dem Papst, um die Zahl der Genies zu begren­zen (von denen es in der Gesell­schaft Jesu eine gan­ze Men­ge gibt). Effek­ti­vi­tät, die sich selbst über­las­sen wird, ist nichts ande­res als Extra­va­ganz, Anma­ßung, Grö­ßen­wahn und Selbst­be­zo­gen­heit. Die Kar­di­nä­le hat­ten das ver­stan­den und wähl­ten nie einen Jesui­ten. Ein Jesu­it als Papst, der also kei­nen Vor­ge­setz­ten hat, ist ein ver­rück­tes Genie am Steu­er einer Mira­ge oder Rafa­le (Kampf­flug­zeu­ge). Ohne daß man im inter­nen Forum die gering­ste Bos­heit ver­mu­ten müß­te. Wer erlaubt ihnen das? Ein Jesu­it kann jeman­den ad maio­rem Dei glo­ri­am aus­schal­ten, wenn sein Vor­ge­setz­ter nichts dage­gen hat und er sei­ne Absicht ent­spre­chend for­mu­liert. Im 17. Jahr­hun­dert hat­ten sie so vie­le Irr­leh­ren erfun­den (Pro­ba­bi­lis­mus, Moli­nis­mus, Kasu­istik usw.), daß der Papst sie zum Schwei­gen brin­gen muß­te. Und sie haben geschwie­gen! Aber heu­te ist nicht klar, wer, außer Jesus Chri­stus selbst, einen Jesui­ten ohne Obe­ren zum Schwei­gen brin­gen könn­te… Er soll­te zumin­dest nicht mehr das Flug­zeug nehmen.

Pré­sent: Was hal­ten Sie von dem Ein­wand: „Nur im über­lie­fer­ten Ritus zele­brie­ren zu wol­len bedeu­tet, den Wert des neu­en Ritus in Fra­ge zu stellen“?

Abbé Lagué­rie: Nach einer Zeit des diplo­ma­ti­schen Schwei­gens muß ich mich klar äußern. Ich gehö­re zu denen, die mei­nen, daß unse­re abso­lu­te Ableh­nung der Mes­se Pauls VI. weder affek­tiv, noch dis­zi­pli­na­risch, noch cha­ris­ma­tisch, etc. ist. Sie ist theo­lo­gal, theo­lo­gisch, dog­ma­tisch und mora­lisch. Sie ist abso­lut! Die Erb­sün­de die­ses bekla­gens­wer­ten lit­ur­gi­schen Streits inner­halb der Kir­che ist die unsäg­li­che und wahn­sin­ni­ge Kühn­heit von Papst Paul VI., der einen Novus Ordo Mis­sae ver­kün­de­te, der auf den For­schun­gen von Exper­ten, Frei­mau­rern und Pro­te­stan­ten, beruht und die Mes­se der Päp­ste Leo und Gre­gor, die bei­de groß waren, in die Brennes­seln wirft. Die katho­li­sche Lit­ur­gie kann und darf nur eine Wei­ter­ga­be des Erbes der Apo­stel sein. Eine 19 Jahr­hun­der­te spä­ter zusam­men­ge­ba­stel­te Mes­se kann nur ein pro­me­t­hei­scher Ehr­geiz sein, ein roman­tisch-liber­tä­res Hirn­ge­spinst, ein Popu­lis­mus von schlech­te­stem Geschmack, der der Kir­che Jesu Chri­sti unwür­dig ist. Die Pro­mul­gie­rung des Novus Ordo Mis­sae von Paul VI. ist zwei­fel­los legal und gül­tig, aber sicher nicht legi­tim. In die­ser Kri­se ist es sehr auf­schluß­reich, wie sich jeder posi­tio­niert: Die­je­ni­gen, die mit kirch­li­cher Diplo­ma­tie und kirch­li­chem Rund­buckel über­le­ben, wer­den schließ­lich unter­ge­hen. Nur die­je­ni­gen, die sich für die Wahr­heit ein­set­zen, wer­den über­le­ben. Nach­dem ich mein Leben lang gekämpft habe, bin ich froh, daß ich mich vor­be­rei­te, nicht als Deser­teur, son­dern als Sol­dat zu sterben.

Pré­sent: Wie sehen Sie die Fra­ge der Ordinationen?

Abbé Lagué­rie: Ich über­las­se die­se Fra­ge dem Gene­ral­obe­ren unse­res Insti­tuts, Abbé Gabri­el Bar­re­ro, der sie gut und mit eini­gen schö­nen Per­spek­ti­ven in die Hand genom­men hat, aber zu Recht um Ruhe bittet…

Pré­sent: Besteht Ihrer Mei­nung nach eine rea­le Gefahr, daß die Wei­ter­ga­be des über­lie­fer­ten Ritus unter­bro­chen wird? Wenn ja, was sind die Folgen?

Abbé Lagué­rie: Kei­ne, kei­ne! Die „Schlacht“ um die katho­li­sche Mes­se wur­de in den 1980er Jah­ren von Erz­bi­schof Lefeb­v­re end­gül­tig und unwi­der­ruf­lich gewon­nen. Was gesche­hen ist, ist gesche­hen! Es gibt Zehn­tau­sen­de von Prie­stern in der Welt, die die gre­go­ria­ni­sche Mes­se zele­brie­ren, und ein Nicken eines römi­schen Sekre­tärs oder eines Orts­bi­schofs, der „Über­stun­den“ macht, wird nicht aus­rei­chen, um die Din­ge zu ändern. Es ist zu spät: Wir haben die Schlacht gewon­nen. Ich gehö­re nicht zu denen, die auf einen Herz­in­farkt oder eine Syn­ko­pe des Pap­stes spe­ku­lie­ren: Ich fän­de das mise­ra­bel, und der Glücks­spie­ler ris­kiert, den Preis für sei­ne Wet­te zah­len zu müs­sen. Ich weiß hin­ge­gen, daß ALLE Prie­ster, die ich ken­ne (ange­fan­gen bei mir), nie­mals zu die­ser Mes­se wech­seln wer­den, die die Kir­che im Westen rui­niert hat. Es wird für Macron leich­ter sein, Föten zu imp­fen, als für Fran­zis­kus, uns die Syn­axis von Paul VI. auf­zu­zwin­gen. Glau­ben Sie, daß ich nach 43 Jah­ren als Prie­ster irgend­je­man­den um Erlaub­nis bit­ten wer­de, die Mes­se mei­ner Prie­ster­wei­he zele­brie­ren zu dürfen?

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Ripo­ste-catho­li­que

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