(Paris) Eine Zeitschrift prangert die „Epidemie der Messerstechereien“ an, die Frankreich heimsucht, ohne daß die Medien Notiz davon nehmen. Die „neue Normalität“ ist migrationsbedingte Gewalt. Die „politische Korrektheit“ verbietet jedoch, darüber zu berichten und zu sprechen. Wer es doch tut, wird an den Pranger gestellt. Mit der „Epidemie der Messerstecher“ geht eine Epidemie der politischen Heuchelei einher. Letztere machte erstere erst möglich. Das Nachkriegskonstrukt namens „Westeuropa“ steckt in einem Teufelskreis fest, aus dem es sich offenbar nicht zu befreien versteht.
Das Monatsmagazin Causeur beklagt in seiner aktuellen Ausgabe die große Angst, „Muslime zu beleidigen“, wenn man den Dschihadismus und Dschihadisten anprangert. Diese Angst ist kein Naturereignis, sondern eine Schraubenzwinge im Kopf, die von Ideologen angebracht wird.
„Silence, on égorge“, lautet die schockierende Überschrift. Causeur will das mediale Schweigen durchbrechen, das islamistische Anschläge wie durch Narkose umhüllt, um sich der Realität des radikalen Islams nicht stellen zu müssen.
Dabei geht es um eine „Prioritätensetzung“. Die Allianz aus linksliberalem Establishment und linken Fußtruppen, die im Westen Europas auf den Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs folgte, setzt ihre Ziele auch um den Preis durch, die innere Sicherheit und den sozialen Frieden in den europäischen Staaten zu gefährden. Die Migrations‑, Klima‑, Corona- und Sanktionspolitik zeigen es.
„Alban Gervaise ist zweimal gestorben“
Die Schriftleiterin von Causeur, Élisabeth Lévy, erinnert an die Tragödie des katholischen Arztes und Familienvaters, der im vergangenen Mai, gerade einmal 40 Jahre alt, „im Namen Allahs“ vor der Schule seiner Kinder getötet und von den „engagierten“ Kolumnisten vergessen wurde. Der Tod von Alban Gervaise, der nach wochenlangem Todeskampf im Krankenhaus eintrat, ist einer der „islamistischen Morde, über die nicht gesprochen wird“, so Causeur.
„Alban Gervaise ist zweimal gestorben: die Kehle aufgeschlitzt durch das Messer seines Mörders und begraben durch das Schweigen seines Landes.“
„Wenn wir uns entschlossen haben, ihm das Titelbild zu widmen, dann deshalb, weil wir ein Unrecht wiedergutmachen wollen, aber auch, weil sein Tod sich am Schnittpunkt zweier französischer Tragödien ereignete: Die erste ist der Krieg, der uns zu unsichtbaren Feinden erklärt hat; die zweite ist die erschreckende Leugnung der ersten“, so Élisabeth Lévy.
Der islamistische Terrorismus gelangte 2004 nach Europa, als in Madrid 192 Menschen bei Bombenanschlägen getötet wurden, und führte zum Sturz der konservativen Regierung. Er ist in Europa ein Phänomen, das sich nicht in die bisher bekannten Terrorismustheorien einordnen läßt. Hinweise auf islamistische Terrororganisationen wie Al-Qaida und Islamischer Staat (IS) führten von Anfang an in die Irre. Der Islamische Staat (IS), wie er in den Medien durch seine Militäroperationen im Nahen Osten bekannt wurde, war ein Produkt der Regierung Obama und einiger nahöstlicher Potentaten. Er wurde beseitigt, weil Donald Trump nach seiner Wahl die Unterstützung durch die USA beendete und Putins russische Truppen ihn militärisch besiegten.
Einige der in Europa agierenden Täter mochten sich an den genannten Terrorgruppen orientiert haben, ein direkter Zusammenhang konnte aber nicht nachgewiesen werden. Es handelte sich um das Phänomen „einsamer Wölfe“. Die dem Islam immanente Gewaltbereitschaft namens Dschihad machte es möglich. Diese Gewaltbereitschaft, die keiner treffender erkannte und beschrieb als G. K. Chesterton bereits Anfang des 20. Jahrhunderts, bringt auch die islamistische Alltagsgewalt hervor, die Westeuropa seit einigen Jahren heimsucht. Diese brutale Alltagsgewalt hatte es in Europa zuvor nicht gegeben. Ihre Wiederkehr ist ein direktes Produkt der schrankenlosen Masseneinwanderung, die wiederum das ideologische Produkt jener erwähnten Allianz ist. Die Städte werden unsicherer, die Straßen immer gefährlicher. Vor allem Frauen zahlen den Preis. Darüber spricht man aber kaum mehr, denn man darf nicht mehr darüber sprechen. Der Corona-Maulkorb ist das bezeichnende Symbol dieser geistig-moralischen Verkrümmung des öffentlichen Diskurses. Nicht die migrationsbedingte Gewalt stifte öffentliche Unruhe, sondern wer darauf aufmerksam macht, behaupten die Realitätsverweigerer und oktroyieren Redeverbote.
Das Aufschlitzen der Kehle unter dem Ruf „Allahu Akbar“ ist in Frankreich keine Schlagzeile mehr, bestenfalls eine kleine Notiz. Der Schriftsteller und Journalist Éric Zemmour versuchte sich dagegen aufzulehnen und kandidierte bei den Präsidentschaftswahlen. Damit sorgte er für großes Aufsehen. In Umfragen erreichte er auf Anhieb den dritten Platz. An den Urnen erhielt er dann aber nur sieben Prozent. Sie symbolisieren die erfolgreiche Einhegung seines Vorstoßes.
Die lange Liste der verschwiegenen Gewalt
Der Fall Gervaise ist besonders spektakulär, aber man muß nur durch die Seiten von Fdesouche.com blättern, wo wöchentlich islamisch motivierte Anschläge berichtet werden, um zu erkennen, wie bedrückend der Mantel des Schweigens ist.
- In Rodez, Departement Aveyron, versuchte am 20. Juni ein mit zwei Messern bewaffneter Mann, in eine Polizeistation einzudringen und Beamte anzugreifen. Da ihm dies nicht gelang, änderte er sein Ziel und stach dem Geschäftsführer der Pizzeria nebenan in die Halsschlagader.
- Am 5. Juli schlug ein afghanischer Staatsbürger in Rennes auf Polizisten ein und versuchte, dem Mann, der ihn aufhalten wollte, die Kehle durchzuschneiden.
- In Trappes wurde am 10. Juli ein Rentner angegriffen und in den Hals und die Brust gestochen: Er starb am nächsten Tag.
- Am 11. Juli versuchte ein Eritreer, der als „Flüchtling“ in Frankreich Schutz fand, im Zentrum der südfranzösischen Stadt Montpellier, zwei Frauen zu erstechen.
Soweit ein kleiner Auszug der „Messerstecherepidemie“, die sich in Frankreich ausbreitet und immer beunruhigender wird, auch wenn der Staat und die linken Meinungskontrolleure so tun, als würden sie nichts davon sehen. Diese haben sich, wie zu anderen Bereichen, eine Sprachregelung zurechtgelegt: Der Angreifer wird einfach als „Verrückter“ abgestempelt, obwohl er sich wie im Fall Gervaise auf Allah beruft, in seinem Rucksack ein Koran und auf seinem Computer Videos gefunden wurden, die dem Dschihad huldigen. Die Antiterror-Staatsanwaltschaft leitete auch keine Ermittlungen gegen Mohamed L. ein.
In Frankreich leben inzwischen so viele Muslime, daß die Politik längst um ihre Stimmen buhlen muß und schlichtweg Angst vor ihnen hat. Die Angst mag in den meisten Fällen unbegründet sein. Sie ist aber vorhanden und bedingt die Entscheidungen. Was Angst bewirken kann, haben die Corona-Jahre gezeigt. Das sind nicht die Voraussetzungen, die Grundlage für das Gemeinwesen eines freien Rechtsstaates sein sollten. Zudem: Dieser Zustand wurde ja von jemand herbeigeführt. 1950 lebten in Frankreich rund 120.000 Muslime (0,3 Prozent), heute wird ihre Zahl auf neun Millionen (15 Prozent) geschätzt. Ihre Zahl hat sich in den vergangenen 25 Jahren mehr als verdoppelt.
Die Leugnung des Islamismus
Die Chefredakteurin von Causeur schreibt:
„Wir sind uns der Gründe für dieses Schweigen sehr wohl bewußt: Muslime sollten nicht stigmatisiert werden. Ist aber, sich zu weigern, über den Dschihadismus zu sprechen, als wären sie alle daran beteiligt, nicht der beste Weg, sie zu stigmatisieren? Sind sie Kinder, vor denen wir die Wahrheit verbergen müssen, um sie nicht zu kränken? Sollten wir sie davon ausschließen, über ein Phänomen nachzudenken, das aus dem Islam kommt, ohne mit ihm verwechselt zu werden? Wenn der Anschlag am Vorabend von Wahlen stattfindet, heißt es auch, man solle keine ‚Ängste schüren‘. Der Himmel bewahre uns davor, daß die Wähler eine aufgeklärte Entscheidung treffen.“
Die Verleugnung der Realität des alltäglichen Islamismus, den Gilles Kepel als „atmosphärischen Dschihadismus“ bezeichnet, ist eines der größten Übel der französischen Gesellschaft. Ein schwerwiegendes Symptom des eigentlichen Problems.
Text: Andreas Becker
Bild: Tempi