(Rom) Gestern empfing Papst Franziskus Teile des sizilianischen Klerus. Bischöfe und Priester hatten sich in der Sala Clementina des Apostolischen Palastes versammelt, um dem Kirchenoberhaupt zu begegnen. Franziskus empfing sie freundlich, um sie heftig zu rügen.
„Papst Franziskus hat heute die sizilianischen Bischöfe mit ihrer altmodischen Art, die Messe zu halten, konfrontiert. Er forderte weniger luxuriöse Gewänder und kürzere, präzisere Predigten, nicht wie jetzt, wo sie über ‚alles und nichts‘ sprechen.“
So berichtete die italienische Presseagentur ANSA im Anschluß an die Audienz.
Die päpstliche Rüge bezog sich nicht nur auf die Liturgie, sondern auf mehrere Aspekte. Es war eine regelrechte Kopfwäsche. Das Erstaunlichste an seiner Rede, in der sich Franziskus mehrmals hinreißen ließ, die vorgefertigte Ansprache durch Einschübe aus dem Stegreif zu ergänzen, ist seine Kritik daran, wie der Klerus der größten und bevölkerungsreichsten Mittelmeerinsel die Liturgie zu gestalten pflegt.
Der Papst warnte den sizilianischen Klerus. Dieser solle die überlieferten Meßgewänder aufgeben und ein „Aggiornamento“ (Aktualisierung) der „liturgischen Mode“ vornehmen.
Franziskus zeigte sich energisch und emotional. Seine Schelte begann er mit der Warnung vor dem „Karrierismus“, den er als „einen Irrweg“ bezeichnete, „der am Ende enttäuscht und einen allein und verloren zurückläßt“.
Am Ende bekräftigte er seine bereits vielfach geäußerte Kritik am „Gerede“:
„Eines der Dinge, die das kirchliche Leben am meisten zerstören, sowohl in der Diözese als auch in der Pfarrei, ist das Geschwätz, das mit Ehrgeiz einhergeht.“
Das Gerede sei eine „Plage“, wie der Papst sagte, die „die Kirche, die Gemeinschaften, die Zugehörigkeit und die Persönlichkeit zerstört“.
Dazwischen lag der überraschendste Teil, nämlich eine ausführliche Erwähnung der Situation in Sizilien. Franziskus leitete sie mit einer Frage ein:
„Ich möchte nicht schließen, ohne etwas zu erwähnen, das mich beunruhigt, das mich ziemlich beunruhigt. Ich frage mich: Wie steht es bei Ihnen um die Reform, die das Konzil eingeleitet hat?“
Was dann folgte, war eine energische Rüge. Zunächst kritisierte Franziskus Formen der Volksfrömmigkeit, die offenbar eine Anspielung auf die großen Patronatsfeste war, die auf Sizilien und in Süditalien fester Bestandteil der Volkskultur sind. In Catania, der zweitgrößten Stadt der Insel, wird am 5. Februar der Gedenktag der heiligen Agatha, der Stadtpatronin, begangen. Die gottgeweihte Jungfrau erlitt 251, während der Christenverfolgung unter Kaiser Decius, das Martyrium. Zu der an diesem Tag stattfindenden Prozession mit den Reliquien der Heiligen versammeln sich bis zu einer Million Sizilianer.
„Aber die Liturgie, wie läuft die ab? Und da weiß ich nicht, weil ich in Sizilien nicht zur Messe gehe und nicht weiß, wie die sizilianischen Priester predigen, ob sie so predigen, wie es in Evangelii gaudium vorgeschlagen wurde, oder ob sie so predigen, daß die Leute auf eine Zigarette rausgehen und dann wiederkommen… Jene Predigten, in denen über alles und nichts geredet wird. Denkt daran, daß nach acht Minuten die Aufmerksamkeit nachläßt, und die Menschen wollen Substanz. Ein Gedanke, ein Gefühl und ein Bild, und das tragen sie die ganze Woche mit sich.“
Der Vorwurf war etwas verallgemeinernd, denn was genau meinte er mit „Substanz“? Dann setzte Franziskus seine Ermahnung fort:
„Aber wie feiern sie [die sizilianischen Priester]? Ich gehe dort nicht zur Messe, aber ich habe Bilder gesehen. Ich sage es klar und deutlich: Aber, meine Lieben, immer noch Spitzen, Birette…, aber wo sind wir denn? Sechzig Jahre nach dem Konzil! Ein bißchen Aktualisierung auch in der liturgischen Kunst, der liturgischen ‚Mode‘! Ja, gelegentlich ein bißchen Spitze von der Großmutter tragen, geht ja, aber nur manchmal. Es ist, um der Großmutter eine Freude zu machen, oder? Ihr habt alle verstanden, nicht wahr? Es ist schön, der Großmutter eine Freude zu machen, aber es ist besser, die Mutter zu feiern, die heilige Mutter Kirche, und zwar so, wie die Mutter Kirche gefeiert werden will. Und die Insellage darf nicht die wahre Liturgiereform behindern, die das Konzil vorangebracht hat. Und [die Sizilianer sollen] keine Quietisten bleiben.“
Diesen Hauptteil seiner Ansprache beendete Franziskus, der gestern erstmals auch den Präsidenten der zentralen israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem im Vatikan empfing, mit einem Aufruf an den sizilianischen Klerus zur Einheit, nicht des Klerus, sondern des Landes, denn Sizilien, so der Papst, erlebe „seit Jahren einen akuten Rückschritt“:
„Wenn also im Gefühl der Menschen in Sizilien Bitterkeit und Enttäuschung über die Entfernung vorherrschen, die sie von den reicheren und entwickelteren Gebieten des Landes und Europas trennt; wenn so viele, vor allem die jungen Leute, danach streben, wegzugehen, um einen reicheren und komfortableren Lebensstandard zu finden, während diejenigen, die bleiben, Gefühle der Enttäuschung in sich tragen, dann sind wir Hirten umso mehr aufgerufen, das Leben dieses Volkes voll und ganz anzunehmen.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshots)
Wie war das mit dem „Gerede“?