
(Rom) Innerhalb weniger Tage wurden ganz unterschiedliche Aussagen von Papst Franziskus zur Homosexualität berichtet. Was denkt Papst Franziskus wirklich? Und vor allem, was bezweckt er mit den widersprüchlichen Signalen? Eine Antwort auf diese Fragen ist schwierig, da beiden berichteten Aussagen der vergangenen Tagen nicht verifizierbar sind.
Am Pfingstsonntag veröffentlichte die spanische Tageszeitung El País ein Interview mit Juan Carlos Cruz, einem Sprecher der Karadima-Opfer und heute bekennender Homosexueller. Cruz enthüllte Aussagen, die Papst Franziskus Ende April bei einem persönlichen Gespräch zu dessen Homosexualität tätigte. Auf die Frage des Journalisten, ob er mit dem Papst auch über seine Homosexualität gesprochen habe, antwortete Cruz:
„Ja, wir haben darüber gesprochen. Ihm wurde praktisch gesagt, daß ich ein Perverser sei. Ich habe ihm erklärt, daß ich nicht die Reinkarnation des heiligen Luis Gonzaga, aber auch kein schlechter Mensch bin. Ich versuche niemandem wehzutun. Er sagte mir: ‚Juan Carlos, daß du schwul bist, spielt keine Rolle. Gott hat dich so gemacht, und er liebt sich so, und es ist mir ganz egal. Der Papst will dich so. Du mußt glücklich sein, mit dem, was du bist‘.“
Die Behauptungen von Cruz wurden vom Vatikan weder kommentiert noch dementiert. Gestern erfolgte jedoch etwas, was als indirekte „Richtigstellung“ verstanden werden könnte: Eine jener für dieses Pontifikat nicht untypischen Umwegkorrekturen, die offiziell nichts dementieren, aber andere Aussagen desselben Papstes „neutralisieren“ sollen.
Papst Franziskus: „Augen auf“
Vatican Insider, das vom päpstlichen Hofvatikanisten Andrea Tornielli koordinierte Nachrichtenportal, berichtete von Aussagen, die Papst Franziskus bei der Frühjahrsvollversammlung der Italienischen Bischofskonferenz hinter verschlossenen Türen getätigt habe. Das Thema war auch in diesem Fall die Homosexualität. Wenn Vatican Insider darüber berichtet, darf angenommen, daß Papst Franziskus wünscht, daß seine Worte an die Öffentlichkeit gelangen.
Der Papst habe den Bischöfen zum Thema Homosexuelle nahegelegt:
„Im Zweifel ist es besser, wenn sie nicht in die Priesterseminare eintreten“.
Die Vollversammlung der italienischen Bischöfe wurde am Pfingstmontag eröffnet. Nach seiner Eröffnungsrede stellte sich Papst Franziskus unter Ausschluß der Öffentlichkeit den Fragen der Bischöfe. Dabei ging es auch um das Thema „der Zulassung homosexueller Jugendlicher in die Seminare“, so Vatican Insider. Papst Franziskus habe wiederholt, was er bereits vor einigen Jahren sagte. Damals hatte er den Vertretern der Kleruskongregation in einer Audienz nahegelegt:
„Achtung bei den Aufnahmen in die Seminare: Augen auf!“
Am vergangenen Montag wurde er noch deutlicher. Das Kirchenoberhaupt zeigte sich besorgt über den Berufungsrückgang, den er als eine seiner „drei Sorgen“ zur italienischen Kirche bezeichnete. Franziskus empfahl den Bischöfen, sich mehr um die Qualität als um die Quantität der künftigen Priester zu kümmern.
In diesem Zusammenhang erwähnte er „homosexuelle Menschen, die aus verschiedenen Gründen wünschen, in ein Seminar einzutreten“, so Vatican Insider. Es brauche daher einer „genauen Unterscheidung“, so Franziskus:
„Wenn ihr auch nur den geringsten Zweifel habt, ist es besser, sie nicht eintreten zu lassen“.
Der Verweis auf Chile und römische Dokumente
Vatican Insider verdeutlicht, worum es geht, indem im Artikel ein Zusammenhang mit Chile und dem dort schwelenden Konflikt, zu dem auch Juan Carlos Cruz gehört, hergestellt wird, ohne Cruz oder andere namentlich zu nennen.
„Zwischen den Zeilen kann man herauslesen, was Papst Franziskus bereits in seinem Meditationsschreiben schwarz auf weiß niedergelegt hatte, das er brevi manu den chilenischen Bischöfen während ihrer Begegnung am 15. Mai im Vatikan ausgehändigt hatte. In einer Anmerkung zu diesem Text beklagte der Papst die Probleme in den Seminaren, wo – wie er schrieb – ‚Bischöfe und Ordensobere die Leitung Priestern anvertrauten, die im Verdacht stehen, Homosexualität zu praktizieren‘.“
Jede „Verallgemeinerung“ sei natürlich zu vermeiden, so Vatican Insider. Die päpstliche Mahnung lasse sich jedoch auf die Ratio fundamentalis „Das Geschenk der Berufung zum Priestertum“ zurückführen, die von der Kleruskongregation im Dezember 2016 veröffentlicht wurde. Damit wurden die Bestimmungen zum Eintritt in ein Priesterseminar aktualisiert und „praktische Empfehlungen auch zu Gesundheit, Ernährung, Bewegung und Erholung geliefert“.
Im Absatz 199 heißt es:
„Hinsichtlich der Personen mit homosexuellen Tendenzen, die in die Seminare eintreten oder die im Verlauf der Ausbildung diese Veranlagung entdecken «[kann] die Kirche [im Einklang mit ihrem Lehramt 303] – bei aller Achtung der betroffenen Personen – jene nicht für das Priesterseminar und zu den heiligen Weihen zulassen […], die Homosexualität praktizieren, tiefsitzende homosexuelle Tendenzen haben oder eine sogenannte ‘homosexuelle Kultur‘ unterstützen. Die genannten Personen befinden sich nämlich in einer Situation, die in schwerwiegender Weise daran hindert, korrekte Beziehungen zu Männern und Frauen aufzubauen. Die negativen Folgen, die aus der Weihe von Personen mit tiefsitzenden homosexuellen Tendenzen erwachsen können, sind nicht zu übersehen».“
Die Kleruskongregation wiederholte, was die Bildungskongregation 2005 in ihrer Instruktion über Kriterien zur Berufungserklärung von Personen mit homosexuellen Tendenzen im Hinblick auf ihre Zulassung für das Priestertum und zu den heiligen Weihen sagte.
Das „Nein“ von Benedikt XVI.
Papst Benedikt XVI. verschärfte damals das „Nein“ der Kirche zum Eintritt von Männern in Priesterseminare oder Ordensgemeinschaften, die Homosexualität praktizieren oder „tiefverwurzelte homosexuelle Neigungen“ haben.
Der deutsche Papst bekräftigte auch die kirchliche Verurteilung von homosexuellen Handlungen als „schwere Sünde“, da „in sich unmoralisch und widernatürlich“. Wer nur homosexuelle Neigungen zeige, könne – obwohl diese „objektiv ungeordnet sind – aufgenommen werden, wobei jede Form der „ungerechten Diskriminierung“ zu vermeiden sei.
Vatican Insider sagt es nicht direkt, doch steht eine Frage im Raum: Was aber, wenn Männer mit „objektiv ungeordneten“, homosexuellen Neigungen in ein Seminar aufgenommen werden, wo sie auf Vorgesetzte stoßen, die praktizierende Homosexuelle sind?
Papst Franziskus habe den italienischen Bischöfen am Pfingstmontag eingeschärft, daß sie beim „geringsten Zweifel“ Kandidaten abweisen sollen.
Die Tageszeitung Il Giornale titelt daher heute:
„Warnung des Papstes an Bischofskonferenz: ‚Die Schwulen sollen nicht ins Seminar‘“.
Unklar bleibt, warum Franziskus je nach Gesprächspartner unterschiedlich spricht und eine offene Klarstellung vermeidet.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: InfoVaticana
Heiliger Vater, da hat ihr Ohrenbläser Kardinal Rodriguez Maradiaga aber großen Handlungsbedarf. Oder wird wieder einmal mit zweierlei Maß gemessen?