Die Trittbrettfahrer

Der mißbrauchte sexuelle Mißbrauchsskandal


Das von Domani veröffentlichte Schreiben von Msgr. Ladaria an Kardinal Barbarin im Jahr 2015.
Das von Domani veröffentlichte Schreiben von Msgr. Ladaria an Kardinal Barbarin im Jahr 2015.

(Rom) Geht die Schmutz­kü­bel­kam­pa­gne gegen Bene­dikt XVI. nach hin­ten los? Nach­dem Kar­di­nal Duka sei­nen Mit­bru­der Kar­di­nal Marx bezich­tig­te, Bene­dikt XVI. dif­fa­miert zu haben, ist das für den Münch­ner Erz­bi­schof der Fall. Gilt das aber auch für Rom, wo nun auf­ge­tauch­te Doku­men­te den Hei­li­gen Stuhl zu kom­pro­mit­tie­ren scheinen?

Anzei­ge

Vor­sicht ist gebo­ten. Das beginnt schon beim Medi­um, das die Ent­hül­lun­gen vor­nahm. Die Doku­men­te wur­den der links­li­be­ra­len Tages­zei­tung Doma­ni zuge­spielt. Die­se titel­te gestern auf der ersten Seite:

„Die Schrei­ben des Vati­kans über die Pädo­phi­len. Fran­zis­kus und das ‚Schwei­ge­sy­stem‘.“

Kon­kret geht es um zwei Brie­fe der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on. Einer stammt aus dem Jahr 2012, der ande­re aus dem Jahr 2015. Aller­dings war einer davon bereits bekannt. Aus dem Inhalt, so die Tages­zei­tung, gehe her­vor, daß die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, im Zusam­men­hang mit dem sexu­el­len Miß­brauchs­skan­dal durch Kle­ri­ker, ein „Schwei­ge­sy­stem“ begün­stigt habe, um „einen öffent­li­chen Skan­dal zu ver­mei­den“. Der Vor­wurf wiegt schwer und wird von ande­ren Medi­en, wel­che die Mel­dung auf­ge­grif­fen haben, noch ent­spre­chend ver­deut­licht. So titel­te die lin­ke kata­la­ni­sche Zei­tung El Peri­ód­ico:

„Der Vati­kan gab schrift­li­che Anwei­sun­gen, um Fäl­le von Päd­era­stie zu vertuschen.“

Im Jahr 2015? Kaum zu glau­ben. Doch so trägt es eine bestimm­te Pres­se in die Öffentlichkeit.

Mit der Über­schrift „Fran­zis­kus und das Schwei­ge­sy­stem“ sug­ge­rier­te Doma­ni, daß Fran­zis­kus ver­strickt sein könn­te. Im Arti­kel fin­det sich davon aber nichts. Nahe­lie­gen­der­wei­se, denn nie­mand wür­de, ob aus ehr­li­cher Über­zeu­gung oder um Fran­zis­kus zu scha­den, sol­che Doku­men­te einer links­li­be­ra­len Zei­tung wie Doma­ni zuspie­len. Die Absicht hin­ter der Akti­on ist eine ande­re und hat auch nicht mit dem sexu­el­len Miß­brauchs­skan­dal zu tun.

Ein Blick auf bei­de Doku­men­te erhellt den Hin­ter­grund. Bei­de Schrei­ben sind von Kar­di­nal Luis Lada­ria SJ, dem amtie­ren­den Prä­fek­ten der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, unter­zeich­net, aller­dings in sei­ner dama­li­gen Funk­ti­on als Sekre­tär die­ses Dik­aste­ri­ums. Das erste Schrei­ben von 2012 wur­de auch vom dama­li­gen Glau­bens­prä­fek­ten Kar­di­nal Leva­da unter­schrie­ben, das zwei­te Schrei­ben von 2015 nur von Ladaria.

Was Papst Franziskus nahegelegt wird

Mit der Ent­hül­lung und den ent­spre­chen­den Schlag­zei­len soll Papst Fran­zis­kus nahe­ge­legt wer­den, Kar­di­nal Luis Lada­ria SJ nicht als Glau­bens­prä­fekt zu bestä­ti­gen. Die Amts­zeit Lada­ri­as endet Ende Juni. Papst Fran­zis­kus scheint ohne­hin nicht sehr geneigt, das Man­dat sei­nes Mit­bru­ders im Jesui­ten­or­den zu ver­län­gern. In eini­gen Krei­sen ist man jedoch unge­dul­dig und scheint sich der päpst­li­chen Absich­ten in der Sache nicht sicher zu sein. Des­halb will man ein wenig nachhelfen.

Was wur­de also „ver­tuscht“, um El Peri­ód­ico auf­zu­grei­fen? Das Schrei­ben von 2015 rich­te­te der dama­li­ge Kuri­en­erz­bi­schof Lada­ria an Kar­di­nal Bar­ba­rin, den dama­li­gen Erz­bi­schof von Lyon. Die­ser wur­de selbst Opfer einer Schmutz­kü­bel­kam­pa­gne, weil es bestimm­ten poli­ti­schen Krei­sen immer gefällt, Kir­chen­män­ner anzu­pran­gern, zu jagen und mög­lichst zu Fall zu brin­gen. So geschah es dann auch. Kar­di­nal Bar­ba­rin wur­de ange­klagt und sogar ver­ur­teilt, im Fall eines straf­fäl­lig gewor­de­nen Kle­ri­kers nicht aus­rei­chend schnell gehan­delt zu haben. Papst Fran­zis­kus ließ den Pri­mas von Gal­li­en fal­len, wäh­rend er sei­ne Pro­te­gés über das Maß ver­tei­digt. Kar­di­nal Bar­ba­rin gehör­te offen­sicht­lich nicht zu die­sen. Doch dann folg­te der Pau­ken­schlag und Kar­di­nal Bar­ba­rin wur­de rechts­kräf­tig frei­ge­spro­chen. Der Scha­den war natür­lich schon ange­rich­tet. Mit den Schmutz­kü­beln hat­te man ihn in gro­ßen Let­tern auf den Titel­sei­ten ange­schüt­tet. Sein Frei­spruch wur­den dann nur mehr bei­läu­fig berich­tet. Der Kar­di­nal war inzwi­schen aller Ämter ent­blößt wor­den und letzt­lich kaum mehr als eine Pri­vat­per­son. Er zog sich, ohne von Fran­zis­kus wirk­lich reha­bi­li­tiert wor­den zu sein, in ein Frau­en­klo­ster in Nord­frank­reich zurück. Die Jagd war erfolg­reich gewe­sen.

Und im kon­kre­ten Fall, auf den sich Lada­ria bezog? Lada­ria hat in sei­nem Schrei­ben nichts von dem getan, was die sen­sa­ti­ons­gie­ri­gen Schlag­zei­len bestimm­ter Medi­en nahe­le­gen. Es ist Auf­ga­be der Kir­che, Straf­ta­ten zu ver­mei­den und began­ge­ne zu ahn­den. Es ist aber nicht Auf­ga­be der Kir­che, der Sen­sa­ti­ons­lust bestimm­ter Medi­en zulie­be, öffent­li­che Pran­ger auf­zu­rich­ten. Lada­ria über­ant­wor­te­te Kar­di­nal Bar­ba­rin den Fall eines Prie­sters, der sich laut Unter­su­chung der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on schul­dig gemacht hat­te, weil er in Bar­bar­ins Zustän­dig­keit fiel. Der Erz­bi­schof von Lyon arbei­te­te mit der staat­li­chen Justiz zusam­men und der genann­te Prie­ster wur­de nach einem ordent­li­chen Gerichts­ver­fah­ren 2020 zu fünf Jah­ren Haft ver­ur­teilt. Kei­ne „Ver­tu­schung“, aber auch kein öffent­li­cher Pran­ger durch die Kirche.

Als Trittbrettfahrer den sexuellen Mißbrauchsskandal mißbrauchen

Die Absicht der Akteu­re hin­ter der „Ent­hül­lung“ ist durch­schau­bar, wenn sie den Bogen auch zu Bene­dikt XVI. schla­gen, der der­zeit Opfer einer Münch­ner Schmutz­kü­bel­kam­pa­gne ist. Auch in sei­nem Fall mischen bestimm­te kirch­li­che Krei­se eif­rig mit, wie es bei Kar­di­nal Bar­ba­rin der Fall war – oder bei Kar­di­nal Pell, einem ande­ren pro­mi­nen­ten Opfer durch­sich­ti­ger Diskreditierungsbestrebungen.

Man kann es noch deut­li­cher sagen. Der sexu­el­le Miß­brauchs­skan­dal stört bestimm­te Medi­en gar nicht. Für die geschän­de­ten Kin­der wer­den nur Kro­ko­dils­trä­nen ver­gos­sen. Schon gar nicht sol­len die Hin­ter­grün­de auf­ge­deckt und auf­ge­ar­bei­tet wer­den, denn sie wür­den einen abscheu­li­chen homo-päd­era­sti­schen Sumpf offen­le­gen. Im Zuge von Tritt­brett­fah­rer­ak­tio­nen soll der sexu­el­le Miß­brauchs­skan­dal viel­mehr genützt, letzt­lich miß­braucht wer­den, um kirch­li­che bzw. kir­chen­in­ter­ne Geg­ner zu schädigen.

Was der­zeit gegen Bene­dikt XVI. und Kar­di­nal Lada­ria in zwei getrenn­ten Aktio­nen geschieht, sind nur zwei Aspek­te die­ses Miß­brauchs des sexu­el­len Mißbrauchsskandals. 

Das erklärt auch, war­um die „Ent­hül­lung“, die in Wirk­lich­keit kei­ne ist, durch eine links­li­be­ra­le Zei­tung erfolgte.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Doma­ni (Screen­shot)

Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!