Nach acht Jahren „Barmherzigkeit“ stehen die Franziskaner der Immakulata vor dem Generalkapitel

Eigenständigkeit oder überwachte Freiheit?


Die Franziskaner der Immakulata werden bereits vom dritten Apostolischen Kommissar geleitet. 2022 soll acht Jahre nach Absetzung ihres Gründers und Generaloberen durch Papst Franziskus ein Generalkapitel stattfinden.
Die Franziskaner der Immakulata werden bereits vom dritten Apostolischen Kommissar geleitet. 2022 soll acht Jahre nach Absetzung ihres Gründers und Generaloberen durch Papst Franziskus ein Generalkapitel stattfinden.

(Rom) Im soeben begon­ne­nen Jahr 2022 wird ein Gene­ral­ka­pi­tel der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta statt­fin­den. Es wird das erste sein, seit Papst Fran­zis­kus im Som­mer 2013 den Ordens­grün­der und Gene­ral­obe­ren P. Ste­fa­no Maria Manel­li abset­zen ließ und den Orden unter kom­mis­sa­ri­sche Auf­sicht stellte.

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In ihren Weih­nachts­grü­ßen wur­de vom Apo­sto­li­schen Kom­mis­sar P. Gian­fran­co Ghir­lan­da SJ und sei­nem Stell­ver­tre­ter P. Car­lo Cal­lo­ni OFMCap die Ein­be­ru­fung eines Gene­ral­ka­pi­tels bestä­tigt. Auf die­sem sol­len eine neue Ordens­re­gel und ein neu­er Gene­ral­obe­rer gewählt werden.

Die Weih­nachts­wün­sche der Kommissare

Acht Jah­re nach dem Beginn einer bei­spiel­lo­sen Zer­stö­rung, die emble­ma­tisch für das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus wer­den soll­te, sol­len die Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta wie­der erste Schrit­te in Rich­tung Eigen­stän­dig­keit gehen dür­fen. Von einer Wie­der­erlan­gung der­sel­ben kann aller­dings kei­ne Rede sein. Es han­delt sich um eine gesteu­er­te Zukunft, die sich im festen Rah­men der tra­di­ti­ons­feind­li­chen Gedan­ken­welt von San­ta Mar­ta zu bewe­gen hat.

Altrituell und missionarisch

Nach acht Jah­ren der berg­o­glia­ni­schen „Barm­her­zig­keit“ ist vom Orden sei­ner Grün­der P. Manel­li und P. Gabrie­le Maria Pel­let­tie­ri kaum noch etwas übrig. Den­noch haben die ver­blie­be­nen Prie­ster des ursprüng­li­chen Cha­ris­mas Angst vor dem nahen­den Gene­ral­ka­pi­tel. Es dürf­te, so ihre Befürch­tung, die letz­ten Aus­sich­ten auf ein Wie­der­auf­blü­hen des 1990 kano­nisch errich­te­ten Ordens zunich­te­ma­chen. Das außer­ge­wöhn­li­che Cha­ris­ma des Ordens bestand dar­in, daß er alt­ri­tu­ell und mis­sio­na­risch war. Die stän­di­ge geist­li­che Ver­tie­fung in die ursprüng­li­che Ordens­re­gel der Fran­zis­ka­ner, die im Vor­bild von P. Maxi­mi­li­an Kol­be maria­nisch gele­sen wur­de, hat­te den Orden dazu geführt, in immer grö­ße­rer Klar­heit die Tra­di­ti­on und den über­lie­fer­ten Ritus wie­der­zu­ent­decken. Als neu­ri­tu­ell gegrün­de­ter Orden unter­stan­den die Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta auch nach ihrem ordens­in­ter­nen Wech­sel zum über­lie­fer­ten Ritus wei­ter­hin der Ordens­kon­gre­ga­ti­on und unter­schie­den sich dadurch von den soge­nann­ten Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten. Das hat­te auch damit zu tun, daß Manel­lis Fran­zis­ka­ner an den ihnen anver­trau­ten Wall­fahrts­kir­chen in bei­den For­men des Römi­schen Ritus zele­brier­ten. Sie waren wie eine Speer­spit­ze der Tra­di­ti­on, die tief in die neu­ri­tu­el­le Ordens­welt hin­ein­ge­sto­ßen war und dort durch­aus Inter­es­se und neu­gie­ri­ge Auf­merk­sam­keit fand.

Was unter Papst Bene­dikt XVI., der ihnen sehr gewo­gen war und ihnen Dien­ste an der Päpst­li­chen Basi­li­ka San­ta Maria Mag­gio­re in Rom über­trug, eine ganz neue, viel­ver­spre­chen­de und zukunfts­wei­sen­de Kon­stel­la­ti­on war, soll­te sich unter Papst Fran­zis­kus als regel­rech­te Fal­le erwei­sen. In ihr saßen die Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta fest. Sie unter­stan­den der Ordens­kon­gre­ga­ti­on, die über die Voll­macht ver­füg­te, P. Manel­li und die Ordens­lei­tung abzu­set­zen und Kom­mis­sa­re zu schicken.

Die Ordens­grün­der P. Manel­li (l.) und P. Pellettieri

Pater Pio und Pater Maximilian Kolbe als Vorbilder

Pater Manel­li wur­de 1933 in dem damals zu Ita­li­en gehö­ren­den Fiume (kroa­tisch Rije­ka) gebo­ren. Sei­ne Fami­lie, die Pater Pio ver­ehr­te, zog noch in den 30er Jah­ren in die Nähe des stig­ma­ti­sier­ten Kapu­zi­ners auf den Gar­ga­no. Dort emp­fing Manel­li von Pater Pio die erste Hei­li­ge Kom­mu­ni­on. Als er am 1. Mai 2013 sei­nen 80. Geburts­tag beging, konn­te er auf ein erfüll­tes Leben und ein gro­ßes, sich welt­weit aus­brei­ten­des geist­li­ches Werk blicken, das er seit 1970 gedul­dig auf­ge­baut hat­te. Damals hat­te er zusam­men mit P. Pel­let­tie­ri, bei­de gehör­ten dem Mino­ri­ten­or­den an, ihren Gene­ral­obe­ren gebe­ten, den Weg einer stren­ge­ren Obser­vanz beschrei­ten zu dür­fen. Grund dafür war die dop­pel­te, aller­dings gegen­sätz­li­che Wahr­neh­mung: Einer­seits hat­te das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil zur Rück­kehr zu den Wur­zeln auf­ge­ru­fen, was die bei­den Ordens­män­ner ernst­neh­men woll­ten. Ande­rer­seits war die Fol­ge des Kon­zils eine mas­si­ve Ero­si­on des Ordens­le­bens durch zahl­rei­che Libe­ra­li­sie­run­gen, die P. Manel­li und sein Mit­bru­der ablehnten.

Aus der ihnen erlaub­ten Erfah­rung erwuchs die Ein­sicht zur Grün­dung eines neu­en fran­zis­ka­ni­schen Ordens, der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta. 1982 war par­al­lel die erste weib­li­che Gemein­schaft enstan­den. Auch die­ser wur­de von Fran­zis­kus unter kom­mis­sa­ri­sche Auf­sicht gestellt.

Drei Kommissare

In weni­gen Mona­ten wird P. Manel­li sei­nen 89. Geburts­tag bege­hen. Sein Gesund­heits­zu­stand ist sehr ange­schla­gen. Kei­ne drei Mona­te nach sei­nem 80. Geburts­tag begann die römi­sche Ordens­kon­gre­ga­ti­on im Auf­trag von Papst Fran­zis­kus die Zer­trüm­me­rung sei­nes Ordens. Wäh­rend der Ordens­grün­der noch immer lebt, sind zwei von Papst Fran­zis­kus ent­sand­te Kom­mis­sa­re bereits gestor­ben. Der erste Kom­mis­sar war der im Juli 2013 ernann­te Kapu­zi­ner P. Fidenzio Vol­pe, der am 7. Juni 2015 im Alter von 75 Jah­ren ver­starb. Ihm folg­te als zwei­ter Kom­mis­sar der Sale­sia­ner P. Sabi­no Ardi­to, der 82jährig am ver­gan­ge­nen 7. Dezem­ber abbe­ru­fen wur­de. Bereits kurz zuvor, im Novem­ber 2021, war der Jesu­it P. Gian­fran­co Ghir­lan­da, der seit 2015 bereits Ardi­tos Stell­ver­tre­ter war, zum drit­ten Kom­mis­sar ernannt worden. 

P. Ardi­to war dop­pelt gegen Covid-19 geimpft, also angeb­lich „voll­im­mu­ni­siert“. Auf der Inter­net­sei­te der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta heißt es lapi­dar: „In Erwar­tung der drit­ten Imp­fung wur­de er Coro­na-posi­tiv gete­stet“. Der Kom­mis­sar wird als Coro­na-Toter gezählt, obwohl er wegen eines Herz­in­farkts, den er im Som­mer erlit­ten hat­te, hos­pi­ta­li­siert wer­den muß­te. In der Fol­ge ver­schlech­ter­te sich sein Gesund­heits­zu­stand zusehends.

Ardi­to und sei­ne bei­den Stell­ver­tre­ter Ghir­lan­da und Cal­lo­ni ent­bo­ten 2016 unge­wöhn­li­che Oster­wün­sche über „künst­li­che Sicher­hei­ten“ und den „angeb­li­chen Besitz der Wahrheit“. 

Zu sei­nem Wir­ken als Kom­mis­sar bleibt selbst die von den Kom­mis­sa­ren kon­trol­lier­te Inter­net­sei­te der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta wort­karg: „Seit 2015, bis weni­ge Tage vor sei­nem Tod, war er Päpst­li­cher Kom­mis­sar unse­rer Ordens­fa­mi­lie. Wir erin­nern uns an ihn mit Zunei­gung, Respekt und Dank­bar­keit für die schwie­ri­ge Auf­ga­be, die er zu bewäl­ti­gen hat­te, und für die Klar­heit und Beson­nen­heit, mit der er sein Amt bis zu sei­nem frei­wil­li­gen Rück­tritt führte.“

Noch knap­per fiel die Bekannt­ga­be des neu­en Kom­mis­sars aus: „Der neue Apo­sto­li­sche Kom­mis­sar des Insti­tuts ist P. Gian­fran­co Ghir­lan­da SJ“. Dabei war der Orden einst bekannt für sei­ne Nut­zung der modern­sten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel. Ein Blick auf die Inter­net­sei­te des Ordens zeigt, daß auch davon kaum mehr etwas übrig­ge­blie­ben ist.

Der Dorn im Auge

Offi­zi­ell nann­te Rom bis heu­te kei­ne Grün­de für die Abset­zung Manel­lis, der Ordens­lei­tung und die Ent­sen­dung von Kom­mis­sa­ren. Hin­ter den Kulis­sen ließ die Ordens­kon­gre­ga­ti­on aber kei­nen Zwei­fel: Die Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta hat­ten durch die Annah­me des über­lie­fer­ten Ritus eine „rote Linie“ über­schrit­ten, die den nun unter Fran­zis­kus ton­an­ge­ben­den Kir­chen­krei­sen uner­träg­lich war. Vor allem ihr mis­sio­na­ri­scher Eifer hat­te ein ganz neu­es Phä­no­men ent­ste­hen las­sen, das sie von den Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten unter­schied. Die jun­ge fran­zis­ka­ni­sche Gemein­schaft war zwar nur kurz nach der Ent­ste­hung der ersten Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten im Jahr 1988 kir­chen­recht­lich errich­tet wor­den, hat­te aber einen ganz ande­ren Erfah­rungs­ho­ri­zont. Die Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta hat­ten die Unter­drückung und Ver­fol­gung der „lefeb­vria­ni­schen Rich­tung“ und die Gewäh­rung einer Heim­statt in der Ein­heit mit Rom durch das Motu pro­prio Eccle­sia Dei von 1988 nicht durch­ge­macht. Sie waren „unbe­la­stet“ und „unbe­küm­mert“, und daher ohne eine ange­zo­ge­ne Hand­brem­se unter­wegs. Genau das mach­te sie unter den nach dem über­ra­schen­den Amts­ver­zicht von Bene­dikt XVI. ent­stan­de­nen völ­lig neu­en Ver­hält­nis­sen in der Kir­che zum ersten Opfer von San­ta Mar­ta, noch vor den Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten.

Trotz des Kahl­schlags, der Schlie­ßung von Klö­stern, der Auf­he­bung des ordens­ei­ge­nen Prie­ster­se­mi­nars und eines gro­ßen Exodus von Ordens­an­ge­hö­ri­gen ist der Orden heu­te noch auf vier Kon­ti­nen­ten prä­sent. Von der star­ken Expan­si­on, die er in den Jah­ren vor dem vati­ka­ni­schen Ein­griff erleb­te, ist nichts mehr übrig. Im deut­schen Sprach­raum exi­stiert wei­ter­hin das Klo­ster zum Unbe­fleck­ten Her­zen und hei­li­gen Johan­nes dem Täu­fer in Kitz­bü­hel (Tirol, Erz­diö­ze­se Salzburg).

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: imma​co​la​ta​.com/​MiL (Screen­shots)

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