Die wahre „Verschwörung“ in der Geschichte

Gedanken in einer Zeit der Verschwörungen und Verschwörungstheorien


Die Menschen fürchten sich vor Verschwörungen und Komplotten, da sie meist im Verborgenen wirken. Doch über allen Verschwörungen und Intrigen steht ein leuchtender, wenn auch verborgener Plan Gottes: eine "Verschwörung" zum Guten.
Die Menschen fürchten sich vor Verschwörungen und Komplotten, da sie meist im Verborgenen wirken. Doch über allen Verschwörungen und Intrigen steht ein leuchtender, wenn auch verborgener Plan Gottes: eine "Verschwörung" zum Guten.

Von Cri­stia­na de Magistris

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Die Dyna­mik von Ver­schwö­run­gen und Kom­plot­ten, die sich im Lau­fe der Mensch­heits­ge­schich­te von der sym­bol­träch­ti­gen Ermor­dung Juli­us Cae­sars bis hin zur aktu­el­len Pan­de­mie ent­fal­tet hat und die­se unwei­ger­lich auch wei­ter­hin prä­gen wird, wur­de in jüng­ster Zeit aus­führ­lich und mei­ster­haft erläu­tert und stellt eine tief­ge­hen­de Ein­la­dung zum Nach­den­ken dar.

Wir soll­ten an die­ser Stel­le inne­hal­ten und dar­über nach­den­ken, wie die­se trau­ri­gen Kate­go­rien das Leben unse­res Herrn Jesus Chri­stus gekenn­zeich­net haben, des­sen Geburt wir gera­de, wie jedes Jahr, mit einem trotz allem hoff­nungs­vol­len Her­zen und einer kind­li­chen Hin­ga­be an Sei­ne Vor­se­hung fei­ern.

Das Leben unse­res Herrn ist unmit­tel­bar nach sei­ner Geburt von einer ver­meint­li­chen Ver­schwö­rung geprägt. Nach Mat­thä­us (2,16) befahl König Hero­des, ein grau­sa­mer und blut­rün­sti­ger Mann, das Mas­sa­ker an den unschul­di­gen neu­ge­bo­re­nen Kin­dern, den Beth­leh­emi­ti­schen Kin­der­mord, weil er fälsch­li­cher­wei­se annahm, daß der neu­ge­bo­re­ne König der Juden sei­nen Thron an sich rei­ßen könn­te. Eine sol­che Tat spie­gelt sei­nen per­ver­sen und grau­sa­men Cha­rak­ter per­fekt wider. Hero­des ließ näm­lich auch sei­ne Frau und drei sei­ner Kin­der töten und ver­ur­teil­te sei­ne besten Freun­de auf blo­ßen Ver­dacht hin zum Tode. Hero­des‘ Furcht beruh­te nicht auf der objek­ti­ven Wirk­lich­keit, son­dern auf sei­ner Lei­den­schaft für die Macht und sei­ner zwang­haf­ten Angst, sie zu ver­lie­ren. Was aber war das Ergeb­nis die­ser irr­sin­ni­gen Geste? Damit wur­den die ersten Früch­te der Mär­ty­rer dem Him­mel dar­ge­bracht, die die Kir­che seit­her jedes Jahr am 28. Dezem­ber ehrt. Wäh­rend der Tyrann sein Leben mit einem schänd­li­chen Tod been­de­te und sei­nen Thron und sei­ne Kro­ne ver­lor, erb­ten sei­ne Opfer durch ihn einen ewi­gen Thron und eine ewi­ge Kro­ne.

Das gesam­te öffent­li­che Wir­ken des Herrn Jesus Chri­stus war von ver­schie­de­nen Ver­su­chen geprägt, ihn zu besei­ti­gen, wie uns die ande­ren Evan­ge­li­sten mit gro­ßer Genau­ig­keit über­lie­fern. Gegen ihn ver­bün­de­ten sich in kür­ze­ster Zeit geg­ne­ri­sche Kräf­te und Par­tei­en. Bereits im drit­ten Kapi­tel des Mar­kus­evan­ge­li­ums wird der Beschluß gefaßt, Jesus, der den Mann mit der ver­dorr­ten Hand am Sab­bat geheilt hat­te, zu beseitigen:

„Da gin­gen die Pha­ri­sä­er sogleich mit den Hero­dia­nern hin­aus und berie­ten sich gegen ihn, um ihn zu töten“ (Mk 3,6).

Die Hero­dia­ner bil­de­ten die poli­ti­sche Par­tei des Hero­des und waren für die römi­sche Herr­schaft. Die Pha­ri­sä­er haß­ten sie zutiefst, „aber sie wei­ger­ten sich nicht, mit ihnen zu ver­han­deln, wenn es dar­um ging, sich gegen Jesus zu ver­schwö­ren“ (P. M. Sales). Im Lukas­evan­ge­li­um erscheint der Ver­such, Chri­stus zu töten, im vier­ten Kapi­tel. Als Jesus zum ersten Mal in der Syn­ago­ge sei­ner Hei­mat­stadt Naza­reth pre­digt, erregt er mit sei­nen Wor­ten den Zorn sei­ner Zuhö­rer, die von einer natio­na­li­sti­schen Heils­vi­si­on ver­blen­det sind:

„Als sie das hör­ten, wur­de das gan­ze Volk in der Syn­ago­ge zor­nig und stand auf und trieb ihn aus der Stadt hin­aus; sie führ­ten ihn an den Abhang des Ber­ges, auf dem ihre Stadt lag, und woll­ten ihn in den Abgrund stür­zen“ (Lk 4, 28–29).

Im Johan­nes­evan­ge­li­um wird berich­tet, daß ein Beschluß, den Hei­land zu besei­ti­gen, gefaßt wur­de nach der Hei­lung des Kran­ken im Teich von Bethsaida:

„Die Juden trach­te­ten noch mehr danach, ihn zu töten, weil er nicht nur den Sab­bat brach, son­dern Gott sei­nen Vater nann­te und sich Gott gleich­stell­te“ (Joh 5,18).

Dabei wird das Todes­ur­teil erst nach der Auf­er­weckung des Laza­rus ver­hängt (Joh 11,53). Mit teuf­li­scher List gibt Kai­phas vor, „nicht aus Haß gegen Jesus, son­dern aus Staats­rä­son, d. h. aus Eifer für das Gemein­wohl, zu han­deln, und hält es für bes­ser, daß ein ein­zi­ger Mensch, d. h. Jesus, obwohl unschul­dig, in den Tod geht, als das gan­ze Volk zugrun­de­ge­hen zu sehen“ (P. M. Sales).

In der Erzäh­lung des Johan­nes wer­den „die Kohor­te mit dem Befehls­ha­ber und die Wachen der Juden“ zur Gefan­gen­nah­me Jesu her­an­ge­zo­gen (Johan­nes 18, 3–12). Der Begriff „Kohor­te“ bezeich­ne­te eine Abtei­lung von etwa 600 römi­schen Sol­da­ten, die unter dem Befehl des römi­schen Pro­ku­ra­tors stan­den und für die Auf­recht­erhal­tung der Ord­nung in der Stadt Jeru­sa­lem zustän­dig waren. Im Tem­pel in Jeru­sa­lem waren etwa zwei­hun­dert Wäch­ter im Ein­satz, die vom Hohe­prie­ster für die Sicher­heit der hei­li­gen Stät­te ange­stellt wur­den. Zwi­schen den bei­den Korps, der Besat­zungs­trup­pe und der Tem­pel­wa­che, herrsch­te tie­fe Riva­li­tät und Feind­schaft, doch auf uner­klär­li­che Wei­se ver­ein­ten sie sich für die Gefan­gen­nah­me eines Man­nes, die in Sei­nem Tod am Kreuz gip­feln soll­te.

So wur­de von den reli­giö­sen Auto­ri­tä­ten lang­sam, aber sicher eine Ver­schwö­rung gegen den Erlö­ser aus­ge­brü­tet, die im Ver­rat des Judas ihre Stüt­ze fand. Eine Ver­schwö­rung und ein Kom­plott sind also mit­ein­an­der ver­wo­ben. Das Ergeb­nis ist allen bekannt: der Tod des Herrn. Aber was war das Schick­sal der Ver­schwö­rer und des Ver­rä­ters? Um Chri­stus zu ver­ur­tei­len, benutz­ten die Ver­schwö­rer den Vor­wand, das jüdi­sche Volk ret­ten zu wollen:

„Es ist bes­ser, dass ein Mensch für das Volk stirbt, als daß das gan­ze Volk zugrun­de geht“ (Joh 11,50).

So hat­te es Kai­phas gedon­nert. Doch das Volk wur­de nicht geret­tet, son­dern nach der Zer­stö­rung des Tem­pels und der hei­li­gen Stadt durch das Heer des Titus im Jahr 70 aus der Stadt ver­bannt. Judas starb durch Selbst­mord (Mt 27,5).

Das ist aber nicht das Über­ra­schen­de. Auch in mensch­li­chen Ange­le­gen­hei­ten sind die Ver­schwö­rer oft die Ver­lie­rer. Erstaun­lich ist jedoch das Wir­ken der Vor­se­hung, der es gelingt, die mensch­li­chen Intri­gen zu durch­kreu­zen, sie in unüber­wind­li­che Gren­zen zu zwin­gen und auf die höch­sten Zie­le zu len­ken, die nur Sie kennt. Die unmensch­li­che Ver­schwö­rung des San­he­drins und das maka­bre Kom­plott des Judas, die von der Vor­se­hung wei­se koor­di­niert wur­den, waren in Wirk­lich­keit die unbe­wuß­ten, aber wirk­sa­men Werk­zeu­ge der Erlö­sung des Men­schen und der ewi­gen Herr­lich­keit des Erlö­sers. Indem sie den Sohn Got­tes töte­ten, dach­ten die Mit­glie­der des San­he­drins, sie wür­den das jüdi­sche Volk ret­ten, statt­des­sen ver­ur­teil­ten sie es zum ewi­gen Exil. Aber durch die­sen Tod hat Gott nicht nur eines, son­dern alle Völ­ker geret­tet, auch das jüdi­sche Volk, wenn auch erst am Ende der Zei­ten, und den gelieb­ten Sohn ver­herr­licht, der zu Sei­ner Rech­ten sitzt.

In der Geburt, dem Leben und dem Tod des Got­tes­soh­nes gehen die unge­rech­te­ste und gewalt­tä­tig­ste mensch­li­che Ver­schwö­rung der Geschich­te flie­ßend in einen gött­li­chen Plan über, mit der Gott mit Hil­fe die­ser Ver­schwö­rung Sei­nen ewi­gen Plan der Gerech­tig­keit und der Barm­her­zig­keit ver­wirk­licht. „Wie könn­te man nicht zuge­ben“, sagt der hei­li­ge Augu­sti­nus, „daß es die Vor­se­hung ist, die sich der Sün­den der Gott­lo­sen bedient, wenn doch gera­de durch die Sün­den auf barm­her­zi­ge Wei­se das Blut ver­gos­sen wur­de, durch das die Sün­den erlas­sen wer­den?

Pater Regi­nald Gar­ri­gou-Lagran­ge schrieb:

„Die­se Wege der Vor­se­hung sind uns nur des­halb nicht ver­bor­gen, weil sie für die schwa­chen Augen unse­res Gei­stes zu strah­lend sind.“

Ange­sichts uner­klär­li­cher Übel, die sich dem mensch­li­chen Ver­ständ­nis ent­zie­hen – per­sön­li­che, natio­na­le oder pla­ne­ta­ri­sche –, lehrt uns das irdi­sche Leben des Herrn Jesus Chri­stus, daß es eine gött­li­che „Ver­schwö­rung“ – im ety­mo­lo­gi­schen, ursprüng­li­chen Sin­ne des Wor­tes –, also einen gehei­men Plan Got­tes zugun­sten des Men­schen gibt, eine Ver­schwö­rung der Lie­be, die in der Lage ist, die mensch­li­chen Ereig­nis­se umzu­keh­ren, um Sei­ne höch­sten Plä­ne der Güte und Barm­her­zig­keit zu ver­wirk­li­chen. Augu­sti­nus sagt:

„Nicht nur für die Tat­sa­che, daß Gott sich um die mensch­li­chen Ange­le­gen­hei­ten küm­mert, son­dern auch für die Grö­ße die­ser Sor­ge gibt es kei­nen grö­ße­ren und siche­re­ren Beweis als den, der uns von Chri­stus, dem Men­schen, gege­ben wird: die leuch­ten­de Offen­ba­rung Chri­sti in der Geburt, die Geduld Chri­sti im Tod, die Macht Chri­sti in der Auferstehung.“

Über den mensch­li­chen Ver­schwö­run­gen, Intri­gen und Rän­ken, das soll uns Zuver­sicht sein, gibt es eine gött­li­che Ord­nung, die sie alle mit sou­ve­rä­ner Weis­heit regelt und lenkt. Es gibt eine gött­li­che „Ver­schwö­rung“, den Plan Got­tes, der die Welt regiert. Für den mensch­li­chen Ver­stand ist es ein Hell-Dun­kel, an das uns die Weih­nacht jedes Jahr erin­nert, in der die Lie­be Got­tes zu den Men­schen sicht­bar wird.

Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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