
(Managua) Nicaragua ist ein Zentrum der marxistischen Befreiungstheologie. Ihrem zersetzenden Wirken wird kaum Einhalt geboten, was nur durch eine weitgehende Untätigkeit der kirchlichen Hierarchie möglich ist. Der einzige Meßort im überlieferten Ritus des Landes wurde jedoch beseitigt. Am Zweiten Adventssonntag wurde in Nicaragua die letzte heilige Messe in der außerordentlichen Form des Römischen Ritus zelebriert – wegen Traditionis custodes.
Am 6. Juli nahm Papst Franziskus, wenige Tage bevor er das Motu proprio Traditionis custodes erließ, den altersbedingten Rücktritt von Bischof Juan Abelardo Mata Guevara, einem Salesianer, an. Er war der einzige Diözesanbischof Nicaraguas, der aufgeschlossen gegenüber der Tradition und dem überlieferten Ritus war. Der Bischofsstuhl von Estelí ist seither vakant. Am 6. Juli wurde, was das vatikanische Tagesbulletin nicht erwähnte, Msgr. Rolando Álvarez Lago, der Bischof von Matagalpa, zum Apostolischen Administrator von Estelí ernannt.
In der Bischofsstadt Estelí wurde in der Pfarrkirche Unserer Lieben Frau von Guadalupe seit fast acht Jahren, auf der Grundlage des Motu proprio Summorum Pontificum, die heilige Messe im überlieferten Ritus zelebriert. Es war der einzige Meßort in ganz Nicaragua.
Bischof Mata förderte auch die Militia Immaculatae (MI), die 1917 vom heiligen P. Maximilian Kolbe in Rom gegründet und im Heiligen Jahr 2000 in Polen durch die Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX) in der katholischen Tradition wiedergegründet worden war.
Durch die bischöfliche Förderung konnte die Militia Immaculatae nach einem Besuch ihres Direktors P. Karl Stehlin FSSPX in der Diözese Estelí Fuß fassen und Anfang 2019 in der Pfarrkirche Unserer Lieben Frau von Guadalupe die ersten 400 Ritter aufnehmen. Dazu war P. Miguel Boniface, der Moderator der Militia Immaculatae für Mittelamerika, zu Pfarrer Augusto César Marín, dem einzigen Priester des Landes, der im überlieferten Ritus zelebrierte, nach Estelí gekommen. Die Piusbruderschaft selbst ist in Nicaragua nicht präsent.
1978 geboren, studierte Don Augusto zunächst Psychologie und spezialisierte sich in Klinischer Psychologie. Von einer starken Marienfrömmigkeit geprägt, verspürte er dann die Berufung zum Priester. 2014 wurde er am Fest Unserer Lieben Frau von Lourdes zum Priester der Diözese Estelí geweiht und zum Pfarrer der Pfarrei Unserer Lieben Frau von Guadalupe ernannt. Dort zelebrierte er seit seiner Priesterweihe neben dem Novus Ordo als einziger Priester Nicaraguas jeden Sonntag auch im überlieferten Ritus.
Was nun in Estelí unter Berufung auf Traditionis custodes geschehen ist, geschieht derzeit auch in anderen Teilen der Welt, besonders aber in der Kirche Lateinamerikas. Dort herrscht in der kirchlichen Hierarchie eine verbreitete Abneigung gegen den überlieferten Ritus, die sich nur zum Teil mit der marxistischen Infiltration durch die Befreiungstheologie erklären läßt. Ein großes Hindernis für den überlieferten Ritus in Lateinamerika ist auch dessen starke Ablehnung in den beiden katholischen romanischen Nationen Italien und Spanien, die für große Teile Lateinamerikas prägend sind. In dieser Ablehnung fließen mehrere historische und kulturelle Faktoren zusammen.
Unter Berufung auf Traditionis custodes untersagte Msgr. Álvarez, obwohl nur Administrator der Diözese Estelí, die weitere Zelebration im überlieferten Ritus, wohlwissend, daß der überlieferte Ritus damit in Nicaragua ausgelöscht wird. Laut dem örtlichen Radiosender ABC Stereo erfolgte das Verbot „gemäß Anweisung von Papst Franziskus“.
Am 5. Dezember wurde in der Pfarrkirche Unserer Lieben Frau von Guadalupe in Estelí die letzte heilige Messe im überlieferten Ritus zelebriert.
Gegenüber dem Radiosender sagte Don Augusto:
„Monsignore Rolando Álvarez hat mir verboten, diese Messe öffentlich zu zelebrieren, und ich akzeptiere diese Entscheidung aus Gehorsam.“
Die Mitteilung vom Verbot zu erhalten, sei für ihn „sehr schwer“ gewesen, da er seit seiner Priesterweihe jeden Sonntag „durch die Barmherzigkeit des Herrn Jesus dazu inspiriert“, den überlieferten Römischen Ritus zelebrierte.
„Alle Heiligen haben sich von dieser Messe ernährt; mit dieser Messe wurden die Menschen in Lateinamerika evangelisiert; diese Messe wurde vom Zweiten Vatikanischen Konzil nie verboten; diese Messe ist ein liturgischer Schatz, den es zu bewahren gilt.“
Papst Franziskus habe die Zelebration des überlieferten Ritus mit Traditionis custodes eingeschränkt und die Entscheidung darüber dem Ortsbischof „in die Hände gegeben“. Abschließend sagte Don Augusto César Marín:
„Ich befinde mich in einer Phase der tiefgreifenden Unterscheidung, denn es geht um mein Seelenheil und mein Priestertum.“

Text: Giuseppe Nardi
Bild: ABC Stereo/Propaganda Catolica (Screenshots)