(Brüssel/Amsterdam) In der Medizin gilt als allgemeiner Konsens, was für die Moraltheologie und die christliche Philosophie stets galt. Ein Mensch wird nicht Mensch, mit seiner Würde, weil er geboren wurde, sondern ist es von der Empfängnis an. Die Anerkennung dieser Tatsache wird aber nicht dazu genützt, das Lebensrecht der ungeborenen Kinder zu verteidigen, sondern von Abtreibungsfanatikern mißbraucht, um ein „Recht“ abzuleiten, bereits geborene Kinder töten zu können. So geschieht es in Neuseeland, aber nicht nur dort.
Im ozeanischen Inselstaat erlaubt eines der brutalsten Abtreibungsgesetze, daß Kinder, die ihre Abtreibung überleben, obwohl schon geboren und lebensfähig, hilflos dem Tod überlassen werden können.
Die Tötung des ungeborenen Kindes wird zur Begründung herangezogen. Wenn man ein Kind vor der Geburt töten könne, müsse man es auch nach der Geburt töten können, da der Geburtsvorgang selbst keine Zäsur darstelle, die es zum Menschen mache. Aus dem Mund der Abtreibungslobby, die laufend Nebelkerzen zündet, klingt es so: Der moralische Status des Babys ist derselbe wie der des ungeborenen Kindes. Wenn beide keinen moralischen Wert haben, weil sie nur potenziell eine Person sind, dann sollte derselbe Grund die Tötung einer potenziellen Person auch nach der Geburt rechtfertigen.
Beschwichtigend wird eine Grenze gezogen, zumindest vorerst, die besagt, daß sich die Ausweitung der Lizenz zum Töten „nur“ auf die genannten Kinder beschränke, die ohnehin tot sein müßten, aber ihre Abtreibung überlebt haben, und es somit „nur“ um die unmittelbar auf die Geburt folgende Zeit gehe.
Neuseeland spricht von „lebend geborenen, aber unerwünschten“ Kindern, die zur Tötung freigegeben sind. Es gibt Regierungen, die sich unter dem Deckmantel des „Humanismus“ noch grausamere Gesetze zugelegt haben, auch in Europa.
Die Realität ist noch schlimmer
Laut einer Umfrage, die in der Fachzeitschrift Acta Obstetricia et Gynecologica Scandinavica im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde, herrscht unter 117 Anästhesisten und Operationsgehilfen in Flandern, dem niederländischsprachigen Landesteil von Belgien, fast einhelliger Konsens zugunsten von Spätabtreibungen und eine sehr hohe Unterstützung für die Euthanasierung von Neugeborenen, selbst dann, wenn das Baby eine Überlebenschance hat.
Die Realität ist noch schlimmer: Archives of Disease in Childhood. Fetal and Neonatal Edition, eine maßgebliche medizinische Fachzeitschrift, berichtet, daß nicht weniger als zehn Prozent aller Kinder, die zwischen 2016 und 2017 in Flandern vor ihrem ersten Geburtstag starben, von ihren Ärzten mit der „ausdrücklichen Absicht“ behandelt wurden, „ihr Leben zu beenden“. Das ist Kindermord.
Für die Studie „End-of-life decisions in infants and young children: a population-based mortality follow-up study“ (Entscheidungen am Lebensende bei Säuglingen und Kleinkindern: eine bevölkerungsbasierte Folgestudie zur Sterblichkeit) wurden Ärzte gebeten, anonym einen Fragebogen zu beantworten. Aus den Antworten geht nicht nur hervor, daß im untersuchten Zeitpunkt zehn Prozent der Todesfälle unter Neugeborenen gezielt euthanasiert wurden. „Nur“ zehn Prozent heißt es.
In Wirklichkeit gibt es eine weitere Gruppe von fast 37 Prozent der Todesfälle, wo den neugeborenen Kindern die nötige medizinische Behandlung vorenthalten wurde. Es erfolgte in diesen Fällen keine aktive, aber eine passive Tötung: Man ließ sie sterben.
Hinzu kommen weitere 14 Prozent der Fälle, in denen Pharmaka verabreicht wurden, die möglicherweise, aber nicht ausdrücklich, lebensverkürzende Folgen hatten.
Im Klartext: Mehr als die Hälfte der verstorbenen Neugeborenen von 2016/2017 wurde durch eine bewußten Tötung oder gezielte Unterlassung der Hilfeleistung umgebracht.
Keine Strafverfolgung
Die Enthüllung dieser Grausamkeiten führt aber nicht zu einem empörten Aufschrei. Die Medien halten die öffentliche Meinung unter Kontrolle. Vielmehr wird eine gesetzliche Regelung zur Tötung neugeborener Kinder gefordert, um den „Wildwuchs“ unter Kontrolle zu bringen. Einer von vielen Euphemismen, welche die Abtreibungslobby griffbereit hält. Damit will sie die Legalisierung des Tötens ausweiten, über den Geburtstag hinaus.
In den Niederlanden sind die Staatsanwälte vom Justizministerium angewiesen, Ärzte, die Kinder unter 12 Jahren euthanasieren, unter bestimmten Voraussetzungen strafrechtlich nicht zu verfolgen, obwohl die gesetzlichen Bestimmungen auf diese Altersgruppe formell gar nicht ausgedehnt sind.
Ausgerechnet Theo Boer, Professor für Gesundheitsethik und starker Befürworter der Euthanasie in den Niederlanden, bedauert die dramatischen Auswüchse der Euthanasieanwendung.
„Ich glaube, daß viele Menschen die Euthanasie als normalen Teil der ärztlichen Arbeit ansehen, so wie eine Geburt oder eine Operation. Aber ich habe den Eindruck, daß eine große und wachsende Minderheit eine besorgniserregende Frage stellt: ‚Wo wird es enden?‘“, so Boer auf iFamNews.
Die Tötung von Kindern soll offenbar zu dem werden, was sie nie sein kann: eine „ethische“ medizinische Praxis. Heute trifft es die Kinder im ersten Lebensjahr, wen morgen?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Infovaticana