(Buenos Aires) Der für Oktober geplante Prozeß gegen Kurienbischof Gustavo Oscar Zanchetta, einen Protegé von Papst Franziskus, wurde auf das Jahr 2022 verschoben. 2019 hatte die argentinische Staatsanwaltschaft einen internationalen Haftbefehl gegen den emeritierten Bischof von Orán erlassen.
Nachdem das Verfahren gegen Emilio Lamas wegen Verjährung eingestellt worden war, folgte nun die Verschiebung des Prozeßbeginns gegen Kurienbischof Gustavo Zanchetta, vorerst um mehr als vier Monate. In Opferkreisen lösten diese beiden Nachrichten im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Ahndung von sexuellem Mißbrauch an Minderjährigen erheblichen Unmut aus.
Lamas wurde 2017 bzw. 2018 von Männern, die zur Tatzeit pubertierende Jugendliche seiner Pfarrei waren, des sexuellen Mißbrauchs beschuldigt. In beiden Fällen handelte es sich um homosexuellen Mißbrauch. Beide Jungen waren zur Tatzeit zwölf bis vierzehn Jahre alt. Einer von ihnen nennt sich heute Carla Morales Rios und ist ein militanter Transsexuellen-Aktivist. Lamas wurde 2020 nach einem kirchlichen Verfahren aus dem Klerikerstand ausgeschlossen und laisiert. Strafrechtlich belangt wird er vielleicht nie. Staatsanwaltschaft und Nebenkläger wollen gegen die Verjährungsentscheidung Einspruch einlegen.
Der Fall Zanchetta
Der Prozeß gegen Kurienbischof Zanchetta sollte am 12. Oktober beginnen, zwei Jahre nachdem ein internationaler Haftbefehl gegen den Bischof ausgestellt worden war. Eine lange Zeit, wie Kritiker meinen. Nun kommt es zu einer weiteren Verzögerung. Das Verfahren sollte bis Ende Februar 2022 abgeschlossen sein. Der Antrag auf Verfahrenseröffnung ist bereits drei Jahre anhängig.
Nun wurde eine Verschiebung beschlossen, was den Prozeßbeginn um mindestens vier Monate verzögert. Die zweite Kammer des zuständigen Gerichts von Orán gab dem Antrag der Verteidigung von Bischof Zanchetta statt. Diese hatte geltend gemacht, daß die von ihr wie auch von der Staatsanwaltschaft angeforderten Akten des kanonischen Verfahrens gegen Zanchetta bis heute nicht eingegangen sind. Argentinien hatte dafür auf Anforderung der Gerichtsbehörde auf diplomatischer Ebene den Heiligen Stuhl kontaktiert.
Als neuer Termin für den Prozeßbeginn wurde der 21. Februar festgelegt. Eine erneute Verschiebung ist jedoch nicht ausgeschlossen. Über den Fall wird ein dreiköpfiger Richtersenat entscheiden.
Der emeritierte Bischof von Orán, Gustavo Oscar Zanchetta, ist wegen des sexuellen Missbrauchs von G.G.F.L. und C.M. angeklagt.
Die mysteriöse Geschichte
Der Fall Zanchetta gehört zu den dunklen Kapiteln des derzeitigen Pontifikats. Zanchetta war 2013 von Franziskus zum Bischof von Orán ernannt worden und gilt als einer seiner Protegés.
2016 hatten mehrere Prälaten des Bistums Orán, darunter der Regens des bischöflichen Priesterseminars und die beiden Generalvikare, dem Apostolischen Nuntius ein Dossier über untragbares Fehlverhalten von Diözesanbischof Zanchetta übermittelt und um Intervention des Heiligen Stuhls ersucht.
Der Regens führte Klage, daß er wegen des Umgangs des Bischofs mit den Seminaristen besorgt sei. Im Juni 2015 waren zudem vom Kanzler der Diözese auf dem Smartphone des Bischofs homosexuelles Bildmaterial und Nackt-Selfies des Bischofs entdeckt worden, die er auf WhatsApp mit Dritten geteilt hatte. Schließlich wurde in informierten Kreisen auch der Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs ruchbar. Da verschwand Bischof Zanchetta in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus seiner Diözese. Die Öffentlichkeit wußte damals noch nichts über die Hintergründe der Flucht. Es wurden Unregelmäßigkeiten in den Diözesanfinanzen vermutet, da Zanchetta diese in einem desolaten Zustand hinterlassen hatte. Papst Franziskus nahm, was nicht weniger erstaunte, sofort den Rücktritt Zanchettas an, über dessen Verbleib offiziell nichts bekannt war. Eine mysteriöse Geschichte.
Ein halbes Jahr später, es war schon 2018, tauchte Zanchetta wieder auf, diesmal im Vatikan, wo er, der „Franziskus-Freund“ (El Tribuno), eine hohe Position in der Apostolischen Güterverwaltung erhielt. Zum Jahreswechsel 2018/2019 wurden durch argentinische Medien die wahren Hintergründe für den fluchtartigen Abgang Zanchettas aus Argentinien bekannt.
Inzwischen waren die Anzeigen wegen sexuellen Mißbrauchs durch zwei Männer, die zum Tatzeitpunkt minderjährig waren, formalisiert. Als 2019 die Ermittlungen der argentinischen Staatsanwaltschaft bekannt wurden, reagierte der Vatikan zwar, indem Zanchetta beurlaubt wurde. Mehr geschah aber nicht. Da Zanchetta im Vatikan für die argentinische Staatsanwaltschaft unerreichbar war, erließ sie im November 2019 einen internationalen Haftbefehl. Zanchetta erklärte schließlich, der argentinischen Justiz zur Verfügung zu stehen. Der Prozeßbeginn verzögerte sich jedoch immer wieder. Zanchetta konnte dennoch an seinen Arbeitsplatz in der Apostolischen Güterverwaltung zurückkehren. Im Vatikan wohnt er auch heute, wie Papst Franziskus, in Santa Marta.
Nun wird auch im Oktober der Prozeß gegen Zanchetta nicht beginnen.
Im Juni 2020 schrieb Katholisches.info zur Sache Zanchetta – Franziskus:
„Die Achillesverse der päpstlichen Strategie bleibt das willkürliche Ausblenden der Homosexualität.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia (Screenshot)
Gibt es keinen Rauch-Melder unter dem Dach von Santa Marta?