Radikale Linke übernimmt die Macht in Peru – und Papst Franziskus (be)grüßt sie

Der Sozialismus des 21. Jahrhundert


Pedro Castillo, Vertreter der marxistisch-leninistischen Partei Perú libre, wurde als neuer Staatspräsident angelobt. Eine Sensation für den Andenstaat, die Papst Franziskus zu erfreuen scheint.
Pedro Castillo, Vertreter der marxistisch-leninistischen Partei Perú libre, wurde als neuer Staatspräsident angelobt. Eine Sensation für den Andenstaat, die Papst Franziskus zu erfreuen scheint.

(Lima) Die poli­ti­sche Lin­ke über­nimmt in Peru die Macht. Zu den Gra­tu­lan­ten gehört, was noch vor weni­gen Jah­ren ver­wun­dert hät­te, auch das katho­li­sche Kirchenoberhaupt.

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Papst Fran­zis­kus wur­de am Beginn sei­nes Pon­ti­fi­kats als „Sozio­lo­ge auf dem Papst­thron“ bezeich­net, um eine Ana­lo­gie zu sei­nen Vor­gän­gern her­zu­stel­len: Johan­nes Paul II. (1978–2005) wur­de „der Phi­lo­soph“ und Bene­dikt XVI. „der Theo­lo­ge“ genannt. Aller­dings zeig­te sich bald, daß mit Fran­zis­kus im März 2013 weni­ger ein Sozio­lo­ge, son­dern „der Poli­ti­ker“ auf der Cathe­dra Petri Platz genom­men hat­te. Die poli­ti­sche Auf­merk­sam­keit des regie­ren­den Pap­stes kon­zen­triert sich vor allem auf den ame­ri­ka­ni­schen Dop­pel­kon­ti­nent. Er zielt auf die USA ab, als die füh­ren­de, aber nicht mehr unan­ge­foch­te­ne Welt­macht, und auf Latein­ame­ri­ka, woher Fran­zis­kus stammt.

Die poli­ti­schen Sym­pa­thien von Papst Fran­zis­kus sind links ver­or­tet, wor­aus er kein Geheim­nis macht. Das gilt für die Demo­kra­ti­sche Par­tei und deren Expo­nen­ten in den USA, eben­so für die Ver­tre­ter der ver­schie­de­nen Links­grup­pie­run­gen, die in latein­ame­ri­ka­ni­schen Staa­ten Macht aus­üben oder nach die­ser grei­fen. Es gibt nur weni­ge ame­ri­ka­ni­sche Län­der, in denen Fran­zis­kus noch nicht im Rah­men von Wah­len sei­nen Teil zum Wahl­kampf bei­getra­gen hät­te, ent­we­der direkt oder indi­rekt. Er war dabei kei­nes­wegs immer erfolg­reich, eher das Gegen­teil. Das galt vor allem für die ersten Jah­re sei­nes Pon­ti­fi­kats. Inzwi­schen scheint sich die poli­ti­sche Lin­ke zu erho­len. Die USA konn­ten zurück­er­obert wer­den, eben­so Argen­ti­ni­en. In Kuba, Vene­zue­la und Boli­vi­en hal­ten sich die Kom­mu­ni­sten, die sich heu­te lie­ber „Sozia­li­sten des 21. Jahr­hun­derts“ nen­nen, an der Macht. Für Fran­zis­kus ist das durch­aus eine Genugtuung.

Der Wahl­sieg Jair Bol­so­n­a­ros in Bra­si­li­en ist aller­dings noch eine offe­ne Wun­de. Die­ser konn­te trotz des per­sön­li­chen Ein­sat­zes von Fran­zis­kus nicht ver­hin­dert wer­den. Dabei hat­te er in den Mona­ten vor den Wah­len vom Herbst 2018 gleich mehr­fach prä­ven­tiv erklärt, daß eine Wahl­nie­der­la­ge der Arbei­ter­par­tei (PT) in Wirk­lich­keit ein „Putsch“ der poli­ti­schen Rech­ten sein wer­de. Die Sozia­li­sten hät­ten es nicht bes­ser sagen kön­nen. Seit es gelun­gen ist, Trump aus dem Wei­ßen Haus zu ent­fer­nen, schöpft die poli­ti­sche Lin­ke auch in Bra­si­li­en wie­der Hoff­nung. Der Wind habe sich gedreht, heißt es: Die Lin­ke sei wie­der auf dem Vormarsch.

Päpst­li­che Inter­ven­tio­nen unter­schied­li­cher Art zugun­sten lin­ker Kan­di­da­ten und Par­tei­en gab es seit 2013 zumin­dest in den USA, in Mexi­ko, in Costa Rica, auf Kuba, in Vene­zue­la, Kolum­bi­en, Boli­vi­en, Bra­si­li­en, Para­gu­ay, Argen­ti­ni­en und Chi­le (sie­he dazu Auf wel­cher Sei­te Fran­zis­kus in Latein­ame­ri­ka steht).

In Peru griff Fran­zis­kus in den Epi­sko­pat ein, um eine Neu­ori­en­tie­rung zu errei­chen. Wie in ande­ren Staa­ten Latein­ame­ri­kas ist auch im Anden­staat die mar­xi­sti­sche Befrei­ungs­theo­lo­gie ver­brei­tet. Ein Schutz­damm dage­gen war der streit­ba­re Juan Luis Kar­di­nal Cipria­ni Thor­ne, der von 1999 bis 2019 Erz­bi­schof von Lima und Pri­mas war. Der heu­te 77 Jah­re alte Kar­di­nal und Ange­hö­ri­ge des Opus Dei wur­de von Fran­zis­kus mit Voll­endung des 75. Lebens­jah­res, also bei der ersten sich bie­ten­den Gele­gen­heit, eme­ri­tiert (sie­he Und es kam so schlimm). Zuvor hat­te das Kir­chen­ober­haupt hin­rei­chend ver­ste­hen las­sen, wen er för­dern will. Der Kar­di­nal gehör­te mit Sicher­heit nicht dazu. Fran­zis­kus hat­te kei­ne Beden­ken, Kar­di­nal Cipria­ni öffent­lich im Streit um die Aus­rich­tung der Päpst­li­chen Katho­li­schen Uni­ver­si­tät von Peru zu demü­ti­gen. Papst Bene­dikt XVI. war auf Wunsch von Kar­di­nal Cipria­ni gegen eine kirch­lich pro­gres­si­ve und poli­tisch links­ra­di­ka­le Über­nah­me der Uni­ver­si­tät ein­ge­schrit­ten. Fran­zis­kus mach­te alles wie­der rück­gän­gig.

Am gest­ri­gen Sonn­tag ent­deck­te Fran­zis­kus laut eige­ner Aus­sa­ge auf dem Peters­platz „eini­ge perua­ni­sche Fah­nen“. Die­se nahm er zum Anlaß, um einen ver­schlei­er­ten Gruß an die neue Regie­rung des Anden­staa­tes zu sen­den. Dort war weni­ge Tage zuvor, am 28. Juli, Pedro Castil­lo Ter­ro­n­es als neu­er Staats­prä­si­dent ange­lobt wor­den. Castil­lo hat­te in der Stich­wahl vom 5. Juni mit der hauch­dün­nen Mehr­heit von 0,12 Pro­zent gegen sei­ne Kon­kur­ren­tin Kei­ko Fuji­mo­ri gewon­nen. Im Vor­feld hat­te er gedroht, eine Wahl­nie­der­la­ge auch gar nicht anzu­er­ken­nen. Nach einer Über­prü­fung bestä­tig­te das natio­na­le Wahl­ge­richt am 19. Juli sei­nen Wahlsieg.

Seit ver­gan­ge­ner Woche gilt ein Novum in der Geschich­te Perus: Das erste links­ra­di­ka­le Staats­ober­haupt ist in den Prä­si­den­ten­pa­last ein­ge­zo­gen. Castil­lo ist Expo­nent der mar­xi­stisch-leni­ni­sti­schen Par­tei Perú lib­re. Der Anden­staat reiht sich damit erst­mals mit Boli­vi­en und Vene­zue­la in die Fron­de einer Agen­da aus sozia­li­sti­scher Plan­wirt­schaft und Links­na­tio­na­lis­mus ein. Castil­lo for­der­te im Wahl­kampf die Ver­staat­li­chung der Schlüs­sel­in­du­strie, wes­halb sei­ne vor­sich­ti­ge Distan­zie­rung vom vene­zo­la­ni­schen Cha­vis­mus als blo­ße Wahl­tak­tik ange­se­hen wer­den kann.

Papst Fran­zis­kus sag­te gestern beim Ange­lus auf dem Petersplatz:

„Und ich sehe eini­ge perua­ni­sche Fah­nen und grü­ße euch Perua­ner, die ihr einen neu­en Prä­si­den­ten habt. Möge der Herr euer Land immer segnen!“

Als Dil­ma Rouss­eff von der bra­si­lia­ni­schen Arbei­ter­par­tei (PT) 2016 ihres Amtes als Staats- und Regie­rungs­chefin ent­ho­ben wur­de, zeig­te sich Papst Fran­zis­kus im Rah­men einer impro­vi­sier­ten Ver­an­stal­tung in den Vati­ka­ni­schen Gär­ten „trau­rig“. Gestern zeig­te er sich sicht­lich zufrie­den über den Ein­zug eines Mar­xi­sten in den Prä­si­den­ten­pa­last in Lima.

Die Befrei­ungs­theo­lo­gie ist in Latein­ame­ri­ka kein Hilfs­mit­tel für die Kir­che, son­dern gegen sie. Die lin­ke Poli­ti­sie­rung der Kir­che löste einen Mas­sen­ex­odus unter den Katho­li­ken aus. Mil­lio­nen von Katho­li­ken wan­dern seit­her zu pro­te­stan­ti­schen Frei­kir­chen ab. Sogar Castil­los Frau und sei­ne Kin­dern sind evan­ge­li­kal. Doch die nega­ti­ven Fol­gen will man im Vati­kan seit dem Früh­jahr 2013 nicht sehen und schon gar nicht analysieren.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wiki­com­mons

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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3 Kommentare

  1. Herr Nar­di, eine klei­ne Rich­tig­stel­lung. Es gibt kei­ne Links­ra­di­ka­len, weil links bereits extrem ist. Links ist gegen Ehe, Fami­lie, Pri­vat­ei­gen­tum. Das sind die wich­tig­sten Bedürf­nis­se des Men­schen, um eine gutes Leben mit einer gewis­sen Frei­heit füh­ren zu kön­nen. Damit sind die Lin­ken Men­schen­fein­de. Ich weiß, das klingt sehr hart.
    Der Staat hat sei­ne Bür­ger ein­fach in Ruhe zu las­sen. Das kön­nen Sie von Lin­ken nicht erwar­ten. Die Ver­ste­hen zwar die Welt nicht, wol­len sie aber täg­lich verbessern.
    Nach mei­ner Ein­schät­zung ist Papst Fran­zis­kus ein luthe­ri­stisch-neu­ka­tho­li­scher Ideo­lo­ge. Wie ich das mit sei­nem Gebets­pro­gramm (KU Nr. 6) zusam­men brin­gen soll, ist mir schlei­er­haft. Sein Ver­hal­ten ent­spricht dem aller Ideologen.

  2. Wie kann es sein, dass Papst Fran­zis­kus nicht damit anfängt, als geist­li­cher Füh­rer die Mensch­heit in Got­tes Him­mel­reich zu füh­ren, indem sie schon auf Erden begin­nen, den schma­len Weg der Hei­lig­keit zu gehen, der auf der Erde Got­tes Frie­den schenkt in Fami­lie, Gemein­de und Gesell­schaft, son­dern vom ande­ren Ende her begin­nen will, die Mensch­heit poli­tisch ohne Gott auf Erden irgend­wie „glück­lich“ machen zu wollen?
    Alle die­se Ver­spre­chen wel­cher poli­ti­schen Füh­rer auch immer ende­ten stets in unvor­stell­ba­rer Not und unvor­stell­ba­rem Elend wie die Geschich­te zeigt.
    Wie­so koen­nen das nur so weni­ge sehen? Wie­so gehen vie­le in die Fal­le „Dies alles will ich Dir gben, wenn Du nie­der­fällst und mich anbetest?“

  3. Die Frei­mau­rer zie­hen von Sieg zu Sieg. Der Mar­xis­mus als Herr­schaft weni­ger über eine ver­elen­de­te Mas­se, mit den Chi­mä­ren des Sozia­len ver­klei­det, passt wunderbar.
    Die Staa­ten der sog. 1 Welt bekom­men immer wei­ter die Mei­nungs­dik­ta­tur zu spü­ren die über kurz oder lang in die Welt­dik­ta­tur der NWO mün­den wird.
    Das Zitat vom Papst, wenn es Rich­tung des neu­en Des­po­ten geht, ist eine Blas­phe­mie der unter­sten Sor­te, denn wie kann Gott ein Land seg­nen, des­sen Regie­rung völ­lig athe­istisch ist ?
    Und wür­den die Tage nicht abgekürzt..!

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