Athanasius Schneider: „Es wird eine weltweite Kette von Katakomben-Messen entstehen“

Traditionis custodes zeige einen Hirten, der die Schafe "wütend mit dem Stock schlägt"


Ein Schatz, welcher seit mindestens tausend Jahren der ganzen Kirche gehört, sei keine Privatsache eines Papstes, über die er frei verfügen könne. Interview mit Weihbischof Athanasius Schneider.
Ein Schatz, welcher seit mindestens tausend Jahren der ganzen Kirche gehört, sei keine Privatsache eines Papstes, über die er frei verfügen könne. Interview mit Weihbischof Athanasius Schneider.

Weih­bi­schof Atha­na­si­us Schnei­der, einer der her­aus­ra­gend­sten Bischö­fe der katho­li­schen Kir­che, nahm in einem Inter­view mit der US-ame­ri­ka­ni­schen Zei­tung The Rem­nant aus­führ­lich zum neu­en Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des von Papst Fran­zis­kus Stel­lung, mit dem das Kir­chen­ober­haupt den über­lie­fer­ten Ritus „ernied­rigt“ und eine „Unge­rech­tig­keit“ gegen­über jenen Katho­li­ken begeht, die die­sem Ritus ver­bun­den sind. Vor allem habe Fran­zis­kus damit in der Kir­che eine „Zwei­klas­sen­ge­sell­schaft“ geschaf­fen. Das Inter­view führ­te Dia­ne Montagna.

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Sein erster Ein­druck von Tra­di­tio­nis cus­to­des sei der eines Hir­ten gewe­sen, der nicht den „Geruch der Scha­fe“ habe, son­dern „sie wütend mit einem Stock schlägt“.

Durch Tra­di­tio­nis cus­to­des gebe es in der Kir­che die „Pri­vi­le­gier­ten“, die Katho­li­ken „Erster Klas­se“, die mit dem Novus Ordo Mis­sae ver­bun­den sind. „Eine gro­ße Anzahl katho­li­scher Fami­li­en, Kin­der, Jugend­li­cher und Prie­ster“, die mit dem über­lie­fer­ten Ritus ver­bun­den sind und „mit gro­ßem geist­li­chem Nut­zen die Wirk­lich­keit und das Geheim­nis der Kir­che erfah­ren haben“, sind zu Katho­li­ken „zwei­ter Klas­se“ gemacht wor­den, „die kaum noch gedul­det werden“.

Das Motu pro­prio und der dazu­ge­hö­ren­de Begleit­brief zei­gen, so Weih­bi­schof Schnei­der, eine „erstaun­lich eng­stir­ni­ge Hal­tung“. Vor allem der „abfäl­li­ge Ton“ ste­he in einem „ekla­tan­ten Kon­trast“ zu den von die­sem Pon­ti­fi­kat ver­kün­de­ten Leit­sät­zen. Die­se sei­en das Gegen­teil von Uni­for­mi­tät, die Fran­zis­kus im lit­ur­gi­schen Bereich anstre­be. Der Gesamt­ein­druck „als Gan­zes“ zei­ge eine „pasto­ra­le Into­le­ranz und sogar spi­ri­tu­el­le Starr­heit“. In dem von ihm unter­zeich­ne­ten Doku­ment über die Brü­der­lich­keit aller Men­schen „begrüßt Papst Fran­zis­kus die ‚Viel­falt der Reli­gio­nen‘, wäh­rend er in sei­nem neu­en Motu pro­prio die Viel­falt der lit­ur­gi­schen For­men im römi­schen Ritus ent­schie­den ablehnt“.

Der Weih­bi­schof lob­te sei­ne Mit­brü­der im Bischofs­amt, die als Reak­ti­on auf Tra­di­tio­nis cus­to­des die Gläu­bi­gen unter­stützt haben. Dar­in zei­ge sich, daß das Motu pro­prio einen „Bume­rang-Effekt“ haben wer­de. In Anspie­lung auf das Motu pro­prio, in dem der Hei­li­ge Geist in Anspruch genom­men wird, betont Msgr. Schnei­der, daß das welt­wei­te „kon­ti­nu­ier­li­che Wachs­tum“ der Meß­or­te des über­lie­fer­ten Ritus „zwei­fel­los das Werk des Hei­li­gen Gei­stes und ein wah­res Zei­chen der Zeit“ sei.

Damit sie nicht zu „Kämpfern gegen Gott“ werden

Papst Fran­zis­kus und jene, die nun mit der Umset­zung des Motu pro­prio befaßt sind, soll­ten den Rat des Gam­a­liel (Apg 5,38f) beher­zi­gen, damit sie nicht zu „Kämp­fern gegen Gott“ werden.

„Ein fast tau­send Jah­re alter gül­ti­ger und hoch geschätz­ter lit­ur­gi­scher Schatz ist nicht das Pri­vat­ei­gen­tum eines Pap­stes, über das er frei ver­fü­gen kann.“

Daß die über­lie­fer­te lit­ur­gi­sche Form Spal­tung schafft und die Ein­heit der Kir­che bedroht, „wird durch die Tat­sa­chen widerlegt“.

„In der Ver­gan­gen­heit erkann­te die römi­sche Kir­che die Viel­falt der Aus­drücke in ihrer lex oran­di an. In der apo­sto­li­schen Kon­sti­tu­ti­on, die die triden­ti­ni­sche Lit­ur­gie ver­kün­de­te, Quo Pri­mum (1570), erkann­te Papst Pius V., der alle lit­ur­gi­schen Aus­drucks­for­men der römi­schen Kir­che bil­lig­te, die mehr als zwei­hun­dert Jah­re alt waren, sie als einen eben­so wür­di­gen und legi­ti­men Aus­druck der lex oran­di der römi­schen Kir­che an. In die­ser Bul­le erklär­te Papst Pius V., daß er in kei­ner Wei­se ande­re legi­ti­me lit­ur­gi­sche Aus­drucks­for­men inner­halb der römi­schen Kir­che aufhebt.“

Der Ver­gleich, den Fran­zis­kus mit Pius V. zog, sei daher nicht ange­mes­sen, denn der über­lie­fer­te Ritus, der bis zur Lit­ur­gie­re­form von Paul VI. 1969 Gül­tig­keit hat­te, sei nicht durch Pius V. ent­stan­den, son­dern „blieb schon Jahr­hun­der­te vor dem Kon­zil von Tri­ent im wesent­li­chen unver­än­dert. Die erste gedruck­te Aus­ga­be des Mis­sa­le Roma­num stammt aus dem Jahr 1470, also hun­dert Jah­re vor dem von Pius V. her­aus­ge­ge­be­nen Meßbuch.“

„Diskriminierung einer fast tausend Jahre alten liturgischen Form“

Das neue Motu pro­prio von Papst Fran­zis­kus sei auch des­halb „zutiefst besorg­nis­er­re­gend“, weil „es eine Hal­tung der Dis­kri­mi­nie­rung gegen­über einer fast tau­send Jah­re alten lit­ur­gi­schen Form der katho­li­schen Kir­che zeigt“. Einer­seits habe die Kir­che „nie“ das abge­lehnt, was ihr im Lau­fe von Jahr­hun­der­ten „Aus­druck der Hei­lig­keit“ gewe­sen sei. Die Völ­ker Euro­pas und der ande­ren Kon­ti­nen­te „wur­den evan­ge­li­siert und dok­tri­när und gei­stig durch den über­lie­fer­ten römi­schen Ritus geformt“.

Weih­bi­schof Schnei­der emp­fiehlt Semi­na­ri­sten und jun­gen Prie­stern, um die Erlaub­nis für den über­lie­fer­ten Ritus anzu­su­chen und „die­sen gemein­sa­men Schatz der Kir­che zu nutzen“:

„Und soll­te ihnen die­ses Recht ver­wei­gert wer­den, kön­nen sie ihn den­noch nutzen.“

Mit den Nor­men, die Papst Fran­zis­kus in Tra­di­tio­nis cus­to­des fest­ge­schrie­ben habe, wer­de ver­sucht, „den See­len und dem Leben so vie­ler Katho­li­ken unbarm­her­zig die über­lie­fer­te Lit­ur­gie zu ent­rei­ßen, die hei­lig ist und die geist­li­che Hei­mat die­ser Katho­li­ken darstellt“.

Die über­lie­fer­te Mes­se sei „ein Schatz, der der gan­zen Kir­che gehört, da sie seit min­de­stens tau­send Jah­ren von Prie­stern und Hei­li­gen zele­briert und zutiefst geschätzt wird“.

Die neuen Liturgie-Inquisitoren

Die Bischö­fe, die seit der Ver­öf­fent­li­chung des neu­en Motu pro­prio die über­lie­fer­te Lit­ur­gie ver­bo­ten haben, bezeich­ne­te Weih­bi­schof Schnei­der als neue „Lit­ur­gie-Inqui­si­to­ren“ mit einem „erstaun­lich rigi­den Kle­ri­ka­lis­mus“, also etwas, das Fran­zis­kus in der Ver­gan­gen­heit beklagt habe.

Das gegen die Tra­di­ti­on gerich­te­te Motu pro­prio von Papst Fran­zis­kus wei­se „eini­ge Ähn­lich­kei­ten“ mit den „schick­sal­haf­ten und äußerst star­ren lit­ur­gi­schen Ent­schei­dun­gen“ auf, die unter Patri­arch Nikon von Mos­kau die rus­sisch-ortho­do­xe Kir­che 1652–1666 getrof­fen hat. Sie führ­ten zu einem dau­er­haf­ten Schis­ma der Alt­ri­tu­el­len, wel­che die lit­ur­gi­schen und ritu­el­len Prak­ti­ken der rus­si­schen Kir­che wie vor den Refor­men von Patri­arch Nikon bei­be­hiel­ten.“ „Heu­te bedau­ert die rus­sisch-ortho­do­xe Kir­che die dra­sti­schen Ent­schei­dun­gen des Patri­ar­chen Nikon, denn wenn die von ihm umge­setz­ten Nor­men wirk­lich pasto­ral gewe­sen wären und die Anwen­dung des alten Ritus erlaubt hät­ten, hät­te es kein jahr­hun­der­te­lan­ges Schis­ma mit vie­len unnö­ti­gen und grau­sa­men Lei­den gegeben.“

Msgr. Schnei­der ver­weist auf eine wirk­li­che Not in der Kir­che, die „ein  Motu Pro­prio mit stren­gen Nor­men gegen die Pra­xis von ‚LGBT-Mes­sen‘“ brau­che, die „an sich schon eine Got­tes­lä­ste­rung“, ein Ärger­nis für die Gläu­bi­gen und eine Belei­di­gung der gött­li­chen Maje­stät sei. Statt­des­sen wür­den sie „vom Hei­li­gen Stuhl und vie­len Bischö­fen tole­riert“. Nicht zuletzt sei eine sol­che Hal­tung auch „eine Unge­rech­tig­keit gegen­über akti­ven Homo­se­xu­el­len, die durch sol­che Fei­ern in ihren Sün­den bestä­tigt wer­den und deren ewi­ges Heil dadurch in Gefahr gebracht wird.“

Bischö­fe, beson­ders in den USA und Frank­reich, die sich trotz Tra­di­tio­nis cus­to­des hin­ter die Gläu­bi­gen der Tra­di­ti­on stell­ten, lob­te Weih­bi­schof Schnei­der wegen ihrer „wah­ren apo­sto­li­schen und pasto­ra­len Hal­tung“. Das Motu pro­prio wer­de „letzt­lich ein Pyr­rhus­sieg“ sein und einen „Bume­rang-Effekt“ zei­gen. Wenn es dar­um gehe, die über­lie­fer­te Form des römi­schen Ritus zu unter­drücken, „ver­liert ein Auf­ruf zum Gehor­sam sei­ne Kraft“.

Und wie wird die Zukunft aussehen?

„Mit der Zeit wird sicher­lich eine welt­wei­te Ket­te von Kata­kom­ben-Mes­sen ent­ste­hen, wie es in Zei­ten der Not und Ver­fol­gung geschieht. Wir kön­nen in der Tat Zeu­ge einer Ära gehei­mer über­lie­fer­ter Mes­sen werden.“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: The Rem­nant (Screen­shot)

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4 Kommentare

  1. Weih­bi­schof Schnei­der emp­fiehlt Semi­na­ri­sten und jun­gen Prie­stern, um die Erlaub­nis für den über­lie­fer­ten Ritus anzu­su­chen und „die­sen gemein­sa­men Schatz der Kir­che zu nutzen“:
    „Und soll­te ihnen die­ses Recht ver­wei­gert wer­den, kön­nen sie ihn den­noch nutzen.“

    Wie ist die­ser letz­te Satz zu ver­ste­hen? Ich fin­de ihn nicht im Original-Interview.

  2. Das jet­zi­ge Pon­ti­fi­kat ist völ­lig unver­ständ­lich und sehr trau­rig für die katho­li­sche Kir­che und die Welt. Eine gro­ße Zahl Hl.Messen (jede ein­zel­ne hat einen unend­li­chem Wert), wer­den den Men­schen vor­ent­hal­ten. Vom Amt des Stell­ver­tre­ter Chri­sti auf Erden wird das Hei­li­ge Opfer redu­ziert durch Ver­bo­te und durch Pflicht zur Kon­ze­le­bra­ti­on. Cui bono?
    Es wird eine welt­wei­te Ket­te von Kata­kom­ben-Mes­sen ent­ste­hen. Wir soll­ten ler­nen von der chi­ne­si­schen Unter­grund­kir­che, wie wir geschütz­te Zele­bra­ti­ons­or­te und Infor­ma­ti­ons­ket­ten auf­bau­en kön­nen, wie wir Bischö­fe und Prie­ster schüt­zen kön­nen, wie Bischö­fe aus­rei­chend Bischö­fe wei­hen kön­nen, wie wir für Ihren Lebens­un­ter­halt sor­gen kön­nen, denn es wird rasant an der Welt­ein­heits­kir­che, an dem „Haus des einen“ gebaut, nicht an ver­schie­de­nen Göt­zen­tem­peln, son­dern an dem „Haus des einen“ – wer ist das wohl? Satan drängt es immer mehr zum Altar, denn er will ange­be­tet wer­den. Die Chri­sten­be­drän­gung und ‑ver­fol­gung hat jetzt aus der Kir­che her­aus begonnen.

  3. Nicht nur die Schön­heit und Wir­kung der alten Mes­se wird ein Dorn im Auge sein. Auch ist sie wesent­lich weni­ger zu mani­pu­lie­ren als die nach­kon­zi­lia­re Mes­se. Der gan­ze Zeit­geist­un­sinn mit den Hal­le­lu­ja-Gesangs­hef­ten, Arm­hal­tun­gen zum Vater Unser und den unab­läs­sig abge­wan­del­ten Mess­tex­ten. Das lässt sich nicht in die alte Mes­se einpressen. 

    Wenn schon Got­tes­dien­ste nicht mehr aus­ge­setzt wer­den, dann wird alles unter­nom­men, die Gläu­bi­gen doch noch fern zu hal­ten. Wenn sie trotz­dem kom­men, hel­fen ger­ne ein paar Damen über­eif­rig bei der Umset­zung der aktu­el­len Regeln und stö­ren damit die Hei­lig­keit der Mes­se. Beim Sin­gen bit­te die Mas­ke auf­set­zen heisst über­setzt: Ihr sollt nicht sin­gen. Dann machen wir man­gels Prie­stern das Rota­ti­ons­prin­zip, da kann sich die Gemein­de wenig­stens nicht mit einem Seelsorger
    iden­ti­fi­zie­ren. Und zuletzt wird die Hei­lig­keit Mes­se selbst angegriffen.

  4. Den­noch, dar­in liegt viel­leicht das Geheim­nis ihres, die­ser Men­schen sou­ve­rä­nen Leben.

    Blieb ihnen der Grund­re­spekt vor den gro­ßen Tra­di­tio­nen ins­ge­heim erhalten.

    Sie bewahr­ten eine Wit­te­rung für die unge­heu­ren Poten­tia­le der Überlieferung
    und hiel­ten sich so in die­sen Umbrü­chen und Apo­sta­sien, durch die sie mar­schie­ren muss­ten, den Zugang frei zu einem bestän­di­gen Hinterland.

    Sie waren Men­schen mit Ressourcen.
    Immer konn­ten sie auf etwas zurück­grei­fen, wenn wie­der ein­mal die gro­ße Wahr­heit verrottete.
    ‑Enzens­ber­ger-

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