Schock-Doku: Die Spaltung der Kirche in der Deutschschweiz

Wer zuschaut und schweigt, macht sich mitverantwortlich


Turmkreuz der Bischofskirche von Sankt Gallen: Wie ist die Lage der Kirche in der Deutschschweiz?
Turmkreuz der Bischofskirche von Sankt Gallen: Wie ist die Lage der Kirche in der Deutschschweiz?

Eine umfang­rei­che Doku­men­ta­ti­on befaßt sich mit der Lage der Kir­che in der Deutsch­schweiz und geht der Fra­ge nach, wie tief die Spal­tung bereits fort­ge­schrit­ten ist. Oder han­delt es sich bereits um ein Schisma?

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Die Doku­men­ta­ti­on „Spal­tung der katho­li­schen Kir­che in der Deutsch­schweiz – Schis­ma?“ wird von ihrem Autor beschei­den als „Chro­nik“ bezeich­net, doch sie ist weit mehr. Sie lie­fert ein genau beleg­tes und erschrecken­des Bild „vom Zustand der katho­li­schen Kir­che in der deutsch­spra­chi­gen Schweiz“.

Befin­den sich Tei­le der Kir­che in der Deutsch­schweiz „auf dem Weg zu einer welt­li­chen ‚Neu­en Kir­che Schweiz‘?“ Der Autor sagt: „Die Fak­ten spre­chen für sich“, und die­se läßt er aus sei­ner Doku­men­ta­ti­on sprechen.

Autor der Schock-Doku ist Dr. Mar­quard Imfeld. Imfeld stu­dier­te an der ETH Zürich und der Han­dels­hoch­schu­le St. Gal­len, er ist pro­mo­vier­ter Natur­wis­sen­schaf­ter, der in der Pri­vat­wirt­schaft zunächst in der For­schung, dann im Bereich des Lebens­mit­tel­rechts tätig war und schließ­lich sein eige­nes Unter­neh­men grün­de­te. Der Vater von vier Kin­dern war zusam­men mit sei­ner Frau vie­le Jah­re im Pfarr­le­ben aktiv. Dort muß­ten sie im Lau­fe der Zeit das Ein­schlei­chen von Häre­si­en beob­ach­ten, bis sie sich im eige­nen geist­li­chen Haus hei­mat­los fühl­ten. Sie fan­den dank des Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum eine neue Hei­mat im über­lie­fer­ten Ritus bei der Petrus­bru­der­schaft.

Glossar einer Fehlentwicklung

Als gläu­bi­ger Katho­lik, der an die immer­wäh­ren­den und gül­ti­gen Wahr­hei­ten der römisch-katho­li­schen Kir­che glaubt, sah sich Imfeld gedrängt, im Sin­ne des Sen­sus fidei fide­li­um die Ent­wick­lung in den Bis­tü­mern und Kan­to­nen der Deutsch­schweiz zu doku­men­tie­ren. Seit 2013 infor­miert er dar­über regel­mä­ßig die Bischö­fe und Ter­ri­to­ri­aläb­te der Schweiz sowie den Apo­sto­li­schen Nun­ti­us. Eine Reak­ti­on erhielt er bis­her nur von letz­te­rem. Die Schwei­zer Bischofs­kon­fe­renz sieht er durch eine Mischung aus För­de­rung, Dul­dung und fal­schem Ein­heits­stre­ben in der Ver­ant­wor­tung für eine Spi­ra­le des Nie­der­gangs, die sich zuneh­mend beschleu­nigt und zwangs­läu­fig zur Ago­nie füh­ren muß. Imfeld sieht sei­ne fort­lau­fend aktua­li­sier­te Doku­men­ta­ti­on als Bei­trag dafür, daß es nicht dazu kommt. 

Die Doku­men­ta­ti­on zeigt zunächst auf, wie der Zer­fall des Glau­bens und von Pfar­rei­en in der Deutsch­schweiz abläuft und gibt dann einen Über­blick zur Spal­tung der Kir­che. Was Imfeld, nach Bis­tü­mern getrennt, für St. Gal­len, Basel, Chur und den deut­schen Anteil von Lau­sanne-Genf-Fri­bourg doku­men­tiert, ist erschütternd.

Spra­chen, Kon­fes­sio­nen und Bis­tü­mer der Schweiz

Zum bes­se­ren Ver­ständ­nis auch für Leser, die mit kirch­li­chen Belan­gen weni­ger ver­traut sind, geht der eigent­li­chen Doku­men­ta­ti­on ein Glos­sar vor­aus, das die wich­tig­sten Begrif­fe erklärt, dar­un­ter auch den vom Autor gewähl­ten Begriff „Neue Kir­che Schweiz“ und „schmut­zi­ges Schis­ma“. Damit ist ein fak­ti­sches, aber nicht erklär­tes Schis­ma gemeint.

Auf dem Weg zu einer „Neu­en Kir­che Schweiz“ sieht Imfeld die Bischö­fe von St. Gal­len und Basel, Mar­kus Büchel und Felix Gmür. Bei­de wur­den von Papst Bene­dikt XVI. ernannt, was zunächst ver­wun­dert. In bei­den Bis­tü­mern hat sich aller­dings das Pri­vi­leg erhal­ten, heu­te welt­weit eine sel­te­ne Aus­nah­me, daß das jewei­li­ge Dom­ka­pi­tel den Bischof wählt, den der Papst nur mehr bestä­ti­gen kann. Das Bis­tum St. Gal­len erlang­te im Herbst 2015 Berühmt­heit, als bekannt wur­de, daß sich dort seit den 90er Jah­ren ein inter­na­tio­na­ler gehei­mer Zir­kel hoch­ran­gi­ger pro­gres­si­ver Kir­chen­män­ner traf, um die Pon­ti­fi­ka­te von Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. zu boy­kot­tie­ren und die Wahl eines Pap­stes aus den eige­nen Rei­hen zu organisieren.

Neben den all­ge­mein in den Orts­kir­chen der Staa­ten West­eu­ro­pas in unter­schied­li­cher Inten­si­tät ver­brei­te­ten Pro­ble­men von „Abwei­chun­gen“ und „Häre­si­en“ tritt aus der Doku­men­ta­ti­on ein spe­zi­fi­sches Pro­blem ent­ge­gen: der „Syn­kre­tis­mus“. Gemeint ist die Ver­mi­schung mit pro­te­stan­ti­schen Reli­gi­ons­auf­fas­sun­gen, die sich durch öku­me­ni­sche Got­tes­dien­ste mit gemein­sa­mer Lit­ur­gie und Inter­kom­mu­ni­on zeigt. Es wird teils unge­niert getan, was aus gutem Grund streng ver­bo­ten ist.

Merkmale auf dem Weg zu einer „anderen“ Kirche

Als Merk­ma­le auf dem Weg zur „Neu­en Kir­che Schweiz“ iden­ti­fi­ziert Imfeld vor allem eine „anti-römi­sche Theo­lo­gie“, die zu einer „ideo­lo­gie­an­fäl­li­gen pro­te­stan­ti­sier­ten“ Kir­che führt. Die Fol­ge ist eine „weit fort­ge­schrit­te­ne Zer­stö­rung des Wein­bergs“ und im Domi­no­ef­fekt ein Ver­sie­gen des Priesternachwuchses: 

„In einem zer­stör­ten Wein­berg gibt es kei­ne Priesterkandidaten.“

Als Crux macht Imfeld ein schwei­ze­ri­sches Spe­zi­fi­kum aus, die öffent­lich-recht­li­chen Lan­des­kir­chen, die auf Kan­tons­ebe­ne die Kir­che gegen­über dem Staat ver­tre­ten und die Kir­chen­steu­er ein­he­ben. Die­se unnö­ti­gen zwi­schen­ge­schal­te­ten Rechts­sub­jek­te, die sei­ner­zeit den Katho­li­ken von Libe­ra­len und Refor­mier­ten auf­ge­zwun­gen wur­den, haben es sich neben und unab­hän­gig vom Orts­bi­schof ein­ge­rich­tet. Durch das Zurück­hal­ten der ein­ge­ho­be­nen Kir­chen­steu­er ver­fü­gen sie über ein Druck­mit­tel gegen­über den Bischö­fen, das alle Vor­aus­set­zun­gen für eine veri­ta­ble Erpres­sung bietet.

Imfeld spricht unum­wun­den von „Häre­sie-ori­en­tier­ten öffent­lich-recht­li­chen Lan­des­kir­chen“ und „Häre­sie-ori­en­tier­ten Pfar­rei­en“. Als ein wich­ti­ges Instru­ment der Fehl­ent­wick­lung benennt er ins­be­son­de­re die theo­lo­gi­schen Aus­bil­dungs­stät­ten und das Inter­net­por­tal der Schwei­zer Bischofs­kon­fe­renz kath​.ch, das „Häre­si­en, LGBT und links-grü­ne Poli­tik pro­pa­giert“ und „gläu­bi­ge Katho­li­ken und Bischö­fe verspottet“.

Häresie-orientierte Ausbildung

In einem direk­ten Ver­gleich stellt die Doku­men­ta­ti­on den schis­ma­ti­sie­ren­den, „nicht mehr römisch-katho­li­schen“ Teil der Kir­che dem römisch-katho­li­schen gegen­über. Eine beson­de­re wohl­wol­len­de Erwäh­nung fin­den dabei die 44 Meß­or­te des über­lie­fer­ten Ritus in der Deutschschweiz.

Als Kern­punk­te des „Zer­falls von Pfar­rei­en“ wird die Aus­bil­dung von „Häre­sie-ori­en­tier­ten Lai­en­theo­lo­gen“ und Funk­tio­nä­ren in „Häre­sie-ori­en­tier­ten theo­lo­gi­schen Fakul­tä­ten“ genannt, beson­ders jener von Luzern, der älte­sten katho­li­schen Fakul­tät der Schweiz, die als „Zen­trum der Häre­sie“ aus­ge­wie­sen wird. Die zuneh­men­de Anzahl von Häre­sie-ori­en­tier­ten Lai­en­theo­lo­gen führt zu zuneh­men­dem Druck auf glau­bens­treue Prie­ster in den Pfar­rei­en, so Imfeld. Im bereits fort­ge­schrit­te­nen Sta­di­um fol­ge als ver­meint­li­ches Para­dox die Kle­ri­ka­li­sie­rung der Häre­sie-ori­en­tier­ten Lai­en­theo­lo­gen. Damit schließt sich der Kreis der Sub­ver­si­on und gelangt an sein Ziel.

Für die Bis­tü­mer Basel und St. Gal­len emp­fiehlt Imfeld eine Apo­sto­li­sche Visi­ta­ti­on, eben­so für die Lan­des­kir­che des Kan­tons Zürich (Bis­tum Chur). Detail­liert wer­den die Posi­tio­nen der Bischö­fe Gmür und Büchel sowie von Joseph Maria Bonn­emain, dem neu­en Bischof von Chur, und von Charles Mor­e­rod, dem Bischof von Lau­sanne, Genf und Fri­bourg jeweils zu den The­men „Ehe, Fami­lie, Sexua­li­tät“, „Orga­ni­sa­ti­on von Pfar­rei­en, Pasto­ral­räu­men“, „Zöli­bat“, „Wei­he von Frau­en“ und „Meß­fei­er“ dokumentiert.

Schock-Doku, aber keine Elegie

Die voll­stän­di­ge Doku­men­ta­ti­on zum aktu­el­len Stand:

Mit dem Autor Imfeld ist aus dem Hym­nus Veni, Sanc­te Spi­ri­tus zu zitie­ren: Lava quod est sor­di­dum, in der Hoff­nung, daß die­se Doku­men­ta­ti­on end­lich jenes Gehör fin­det, das sie ver­dient.
Bereits jetzt ist sie eine unwi­der­leg­ba­re Chro­nik, die eine Fehl­ent­wick­lung doku­men­tiert, die ohne Not los­ge­tre­ten und ver­tieft wird. Was sie nicht ist, soll auch gesagt wer­den: Sie ist kei­ne Ele­gie auf die Kir­che Jesu Chri­sti, die am Hoch- und Alpen­rhein, an Aare, Lim­mat und Thur älter ist als die Deutsch­schweiz selbst. Die Imfeld-Doku­men­ta­ti­on ist der ern­ste Ruf eines glau­bens­treu­en Katho­li­ken, dem der Ernst der Lage bewußt ist, wo ande­re lie­ber weg­schau­en und dadurch den Nie­der­gang begünstigen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Pixabay/​Wikicommons

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