(Caracas) In Venezuela herrscht große Vorfreude auf die morgen bevorstehende Seligsprechung des christlichen Arztes José Gregorio Hernández (1864–1919). Das Seligsprechungskomitee hatte Kardinalsstaatssekretär Pietro Parolin angekündigt, der in Vertretung von Papst Franziskus die Seligsprechung des Dieners Gottes vollziehen sollte. Gestern wurde vom vatikanischen Presseamt jedoch bekanntgegeben, daß Kardinal Parolin wegen der Corona-Pandemie „nicht wie gewünscht“ nach Venezuela kommen könne.
Kardinal Parolin war bis zu seiner Ernennung zum Kardinalstaatssekretär durch Papst Franziskus Apostolischer Nuntius in Venezuela gewesen. Wörtlich heißt es in der vatikanischen Presseerklärung:
„Aufgrund höherer Gewalt, die hauptsächlich mit der COVID-19-Pandemie zusammenhängt, kann der Staatssekretär anläßlich der Seligsprechung des ehrwürdigen Dieners Gottes José Gregorio Hernández, die am 30. dieses Monats in Caracas stattfinden wird, nicht wie gewünscht nach Venezuela reisen.“
Der Kardinal versicherte zugleich seine geistige Teilnahme an diesem „sehr wichtigen Moment für die Kirche und das ganze Land“ und brachte die Hoffnung zum Ausdruck, daß die Seligsprechung „den Glauben der Venezolaner und ihr christliches Leben in Nachahmung des neuen Seligen zu vertiefen, sich der humanitären Krise zu stellen und zur Förderung eines pluralistischen und friedlichen Zusammenlebens beitragen wird“.
Das Seligsprechungskomitee gab unterdessen bekannt, daß nun der Apostolische Nuntius Msgr. Aldo Giordano die Zeremonie in Vertretung des Papstes leiten wird.
Der tatsächliche Hintergrund
Der römische Hinweis auf die Corona-Pandemie ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Am vergangenen 13. März sollte in Argentinien, der Heimat von Papst Franziskus, die Seligsprechung von Fray Mamerto Esquiú (1828–1883) stattfinden. Die Seligsprechungsdekrete für den argentinischen Franziskaner und Bischof Esquiú und und für den venezolanischen Arzt José Gregorio Hernández wurden von Papst Franziskus am selben 19. Juni 2020 unterzeichnet. Die für den 13. März 2021 geplante feierliche Seligsprechungszeremonie sollte in Catamarca, in der Heimatprovinz des Seligen, stattfinden, wurde aber wegen der Corona-Pandemie auf vorerst unbestimmte Zeit verschoben.
In Venezuela wurden die Seligsprechungsfeierlichkeiten nicht verschoben. Laut venezolanischen Kirchenkreisen bestehe die Absicht von Staatspräsident Nicolas Maduro, die Festlichkeiten durch massive Präsenz von Behördenvertretern für sein unter Druck stehendes sozialistisches Regime zu nützen. Ein gemeinsames Auftreten des Kardinalstaatssekretärs mit dem möglicherweise persönlich anwesenden Maduro hätte als Anerkennung und Legitimierung der sozialistischen Diktatur ausgelegt werden können. Eine Verschiebung der Feierlichkeiten hätte daran nichts geändert. Der einzige „diplomatische“ Ausweg bestand darin, daß sich der Kardinalstaatssekretär einer solchen Vereinnahmung durch eine Absage mit Verweis auf die Corona-Pandemie entzieht.
Zurück bleiben erneut Venezuelas Katholiken, die sich vom Heiligen Stuhl seit Jahren weniger Diplomatie, sondern klare Worte erhoffen. Bereits 2016, als Maduro von Franziskus im Vatikan empfangen wurde, kritisierte die venezolanische Opposition, daß der Papst „die Unterdrücker statt der Unterdrückten“ empfängt. Franziskus und das vatikanische Staatssekretariat sprechen von Dialog, doch genau den erklärte Kardinal Jorge Urosa, der Erzbischof von Caracas und Primas von Venezuela, 2017 für „unmöglich“. Man habe es viele Jahre versucht, doch sei das Regime zu keinem Dialog bereit. 2018 wurde Kardinal Urosa von Papst Franziskus emeritiert und der Erzbischofsstuhl von Caracas seither nicht mehr neu besetzt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons