Vor 500 Jahren wurde Martin Luther exkommuniziert

Was macht Papst Franziskus?


Luther verbrennt die päpstliche Bannandrohungsbulle. Darauf erfolgte am 3. Januar 1521 seine Exkommunikation.
Luther verbrennt die päpstliche Bannandrohungsbulle. Darauf erfolgte am 3. Januar 1521 seine Exkommunikation.

(Rom) Am 3. Janu­ar jährt sich zum 500. Mal die offi­zi­el­le Exkom­mu­ni­ka­ti­on von Mar­tin Luther. Am 3. Janu­ar 1521 wur­de Luther mit der Bul­le Decet Roma­num pon­ti­fi­cem aus­drück­lich zum Häre­ti­ker erklärt. Was wird Papst Fran­zis­kus machen?

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Die Päp­ste waren gedul­dig und groß­zü­gig mit dem ziem­lich über­spann­ten und zwi­schen Grö­ßen­wahn und inne­rer Zer­ris­sen­heit schwan­ken­den Augu­sti­ner-Ere­mi­ten aus dem Klo­ster Erfurt. Der Deut­sche erkann­te aber nicht die Groß­zü­gig­keit, son­dern sah in der päpst­li­chen Geduld eine Schwä­che der Gegen­sei­te. Und er tat das alles mit Ver­ach­tung. Soviel steht heu­te fest: Luther war nicht um Eini­gung bemüht, auch die Ein­heit der Kir­che war ihm einerlei.

Schließ­lich for­der­te Papst Leo X. mit der Bul­le Exsur­ge Domi­ne vom 15. Juni 1520 von Luther ein Zei­chen der Unter­wer­fung unter die Auto­ri­tät des Petrus. Nach­dem Jah­re ver­gan­gen waren, hat­te Rom nun eine Frist von 60 Tagen gesetzt. Die­se Frist lief am 27. Novem­ber 1520 aus. Im rasen­den Eifer ver­brann­te Luther ver­ächt­lich die Bul­le in der Öffent­lich­keit. Er woll­te die Brücken abreißen.

Deutsch­na­tio­na­le Kräf­te sehen bis heu­te in Luthers Bruch mit Rom eine „natio­na­le“ Tat. Doch genau das war sie nicht. Luther brauch­te die deut­sche Nati­on aus kei­ner „römi­schen Gefan­gen­schaft“ zu befrei­en, weil es eine sol­che nie gege­ben hat­te, nicht für das deut­sche Volk, nicht für irgend­ein ande­res Volk. Ande­re Völ­ker sahen die­ses Pro­blem auch gar nie. Die Auto­ri­tät des Pap­stes war damals wie heu­te geist­li­cher Natur, nicht weltlicher.

Die Bul­le, mit der Luther am 3. Janu­ar 1521 exkom­mu­ni­ziert wurde

Luthers Refor­ma­ti­on war die anti-natio­na­le Tat schlecht­hin, denn sie bedeu­te­te die tie­fe Spal­tung des deut­schen Vol­kes und damit des Abend­lan­des. Das deut­sche Volk war die Trä­ger­na­ti­on des Hei­li­gen Römi­schen Rei­ches. Die Zer­rei­ßung die­ses Vol­kes in der Mit­te Euro­pas bedeu­te­te die Zer­rei­ßung des Rei­ches. Letz­te­res konn­te for­mal zwar noch ver­hin­dert wer­den, aller­dings um einen Preis, der sei­nen inne­ren Zer­fall bedeu­te­te. Die Reichs­macht ver­blaß­te, wäh­rend jene hun­der­ter Lan­des­für­sten, Reichs­städ­te und Reichs­gra­fen an ihre Stel­le trat, zer­split­tert, klein­räu­mig, inter­es­sen­ge­lei­tet, oft genug ego­istisch. Das war auch der Grund, wes­halb Luther bei Lan­des­für­sten Unter­stüt­zung fand, ohne die sein Spal­tungs­werk schnell in sich zusam­men­ge­bro­chen wäre. Die­se unglück­se­li­ge Ver­quickung von per­sön­li­chem Fana­tis­mus und poli­ti­scher Inter­es­sen prägt das Luther-Bild bis heu­te. Die Für­sten, die sich der neu­en Leh­re zuwand­ten, wuß­ten, daß der Papst fern und ohne Armeen war. Dar­um ging es ihnen auch gar nicht. Sie wit­ter­ten die Gele­gen­heit, den Kai­ser und die Reichs­macht zu ihren Gun­sten zu schwä­chen. Nein, von einer „natio­na­len Tat“ kann kei­ne Rede sein, da haben deutsch­na­tio­na­le Krei­se noch eini­gen Geschichts­re­vi­sio­nis­mus zu leisten. 

Von der von Luther aus­ge­lö­sten Spal­tung haben sich Volk und Reich nicht mehr erholt. Auf die Ver­wer­fung folg­ten neue Ver­wer­fun­gen. Dar­aus erwuchs der fran­zö­si­sche Drang zum Rhein, da die Schwä­che des Rei­ches Begehr­lich­kei­ten weck­te. Eben­so erwuchs dar­aus der deutsch-deut­sche Gegen­satz zwi­schen dem katho­li­schen Öster­reich und dem pro­te­stan­ti­schen Preu­ßen, der 1866 mit Waf­fen­ge­walt ent­schie­den wur­de. Über die zahl­rei­chen inter­nen Ver­wer­fun­gen aus reli­giö­sen Grün­den, ein­schließ­lich des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges, von den Nie­der­lan­den über die Schweiz bis hin­ein in habs­bur­gi­sche Erb­lan­de, aber auch ent­lang der Sprach­gren­zen etwa gegen­über den Polen, sei an die­ser Stel­le geschwiegen.

Mit dem Ver­bren­nen der Bul­le setz­te Luther einen Akt, wie er Fana­ti­ker „wür­dig“ ist. Es kam dar­auf, wie es kom­men muß­te. Mit der Bul­le Decet Roma­num pon­ti­fi­cem wur­de nicht nur Mar­tin Luther exkom­mu­ni­ziert. Auch alle sei­ne Anhän­ger alle Unter­stüt­zer wur­den zu Häre­ti­kern erklärt.

Ad futuram rei memoriam

Auf der Sei­te des Vati­ka­ni­schen Geheim­ar­chivs ist zu lesen:

„Am 3. Janu­ar 1521 wur­de die Bul­le Decet Roma­num pon­ti­fi­cem ver­öf­fent­licht, womit Mar­tin Luther aus­drück­lich zum Häre­ti­ker erklärt wur­de, eben­so wie sei­ne Anhän­ger und jeder, der in Zukunft Luther selbst oder sei­ne Schü­ler auf­neh­men oder unter­stüt­zen wür­de. Der Papst behielt sich eine even­tu­el­le Los­spre­chung des Mön­ches vor und befahl allen Erz­bi­schö­fen, Metro­po­li­ten, Bischö­fen, Dom­ka­pi­teln, Kano­ni­kern und auch den Obe­ren der regu­lä­ren Orden die Häre­sie Luthers und sei­ner Adep­ten in Ver­tei­di­gung des katho­li­schen Glau­bens zu bekämp­fen. An dem­sel­ben Tag der Ver­öf­fent­li­chung der Exkom­mu­ni­ka­ti­ons­bul­le ver­sen­de­te man apo­sto­li­sche Bre­ven an den Erz­bi­schof von Mainz Albrecht (zum Gene­ral­inqui­si­tor ganz Deutsch­lands ernannt) und an die Nun­ti­en Carac­cio­lo und Eck, um sie aus­ge­stat­tet mit der not­wen­di­gen Befug­nis zur Bekämp­fung und Ver­ur­tei­lung aller beharr­li­chen Luthe­ra­ner aufzufordern.

Die­se Bul­le hat im Unter­schied zu der vor­her­ge­hen­den eine Are­n­ga im typisch juri­sti­schen Stil, wo bibli­schen Tex­ten wenig Platz gelas­sen wird, ab der ersten Zeile:

„Leo epis­co­pus ser­vus ser­vor­um Dei. Ad futuram rei memo­ri­am. Decet Roma­num pon­ti­fi­cem, ex tra­di­ta sibi divi­ni­tus pote­sta­te, poe­na­rum spi­ri­tua­li­um et tem­po­ra­li­um, pro meri­torum diver­si­ta­te, dis­pen­sa­torem con­sti­tu­tum, ad repri­men­dum nefa­ri­os cona­tus per­ver­sorum quos noxiae vol­un­ta­tis adeo deprava­ta cap­ti­vat inten­tio, ut, Dei timore post­po­si­to, cano­ni­cis sanc­tion­i­bus man­da­tis­que apo­sto­li­cis neglec­tis atque con­temp­tis, nova et fal­sa dog­ma­ta exco­gi­t­are, ac in Eccle­sia Dei nefa­ri­um scis­ma indu­ce­re […] con­tra tales eorum­que sequaces acri­us insurgere…“

Martin Luthers Einzug im Vatikan

Ganz anders Papst Fran­zis­kus: Er ließ 2017 eine Sta­tue von Mar­tin Luther im Vati­kan auf­stel­len. Die­se Geste moch­te Pro­te­stan­ten schmei­cheln, dien­te aber nicht der Wahr­heits­fin­dung, son­dern besten­falls der ohne­hin ver­brei­te­ten Ver­klä­rung Luthers. Eben­so unge­wöhn­li­che Gesten und Aus­sa­gen waren dem bereits vor­aus­ge­gan­gen. So fabu­lier­te Kar­di­nal Wal­ter Kas­per, der Theo­lo­ge von Papst Fran­zis­kus, in sei­nem im März 2016 erschie­ne­nen Luther-Buch, daß der über­hitz­te Häre­si­arch heu­te auch für man­che Katho­li­ken so etwas wie „ein gemein­sa­mer Kir­chen­va­ter“ sei. Luther habe recht gehabt, Rom sei schuld am Bruch gewe­sen. Da paß­te es auch ins Bild, daß Kas­per mit aus­ge­präg­ter Nar­ren­frei­heit Luther in eine Rei­he mit dem hei­li­gen Franz von Assi­si stell­te und damit wie­der einen „küh­nen“ Bogen zu Papst Fran­zis­kus zu schla­gen ver­such­te. Die unzu­tref­fen­de Behaup­tung Kas­pers, Luther habe recht gehabt, wur­de von Fran­zis­kus im Juni 2016 wie­der­holt.

Wie bereits aus der Ver­gan­gen­heit bekannt, brach­te das päpst­li­che Ent­ge­gen­kom­men kein eben­sol­ches Ent­ge­gen­kom­men von pro­te­stan­ti­scher Sei­te, weil der Pro­te­stan­tis­mus sich aus sei­ner anti-katho­li­schen Hal­tung defi­niert. Die­ses Grund­de­fi­zit, ein regel­rech­ter Geburts­feh­ler, wur­de ihm von Mar­tin Luther ein­ge­impft. Papst Fran­zis­kus fei­er­te selbst­ver­ges­sen mit den Luthe­ra­nern 500 Jah­re Refor­ma­ti­on. Er ver­zich­te­te dar­auf, sie zur Wahr­heit zu rufen, und erreich­te dadurch nichts.

Was wird Fran­zis­kus nun am 3. Janu­ar 2021 tun, wenn sich zum 500. Mal die Exkom­mu­ni­ka­ti­on Mar­tin Luthers und die sei­ner Anhän­ger jährt? 

Aus dem bis­he­ri­gen Pon­ti­fi­kat las­sen sich zwei mög­li­che Vor­ge­hens­wei­sen able­sen, eine wahr­schein­li­che und eine unwahr­schein­li­che. Eine, die des Petrus wür­dig und sei­nem Amt ent­spre­chen wür­de, wird es hin­ge­gen nicht sein. 

Anfang Juni, ein hal­bes Jahr bevor sich die Exkom­mu­ni­ka­ti­on jährt, wur­de Papst Fran­zis­kus von deut­schen Theo­lo­gen ersucht, die Bul­le zurück­zu­neh­men. Im Gegen­zug wur­de die Annul­lie­rung von Luthers Ver­dikt durch den Luthe­ri­schen Welt­bund in Aus­sicht gestellt, mit dem er den Papst zum „Anti­christ“ erklärt hat­te. An die­ser Stel­le soll nicht dar­auf ein­ge­gan­gen wer­den, daß hier Unglei­ches mit­ein­an­der ver­gli­chen und unter­schied­li­che Ebe­nen als gleich­ran­gig sug­ge­riert wer­den, was sie nicht sind. 

Fran­zis­kus kann, was die wahr­schein­li­che­re Vari­an­te ist, den 500. Jah­res­tag von Decet Roma­num pon­ti­fi­cem ein­fach igno­rie­ren. Er könn­te aber auch, ganz berg­o­glia­nisch, das wäre die im Augen­blick unwahr­schein­li­che­re Vari­an­te, die Exkom­mu­ni­ka­ti­ons­bul­le auf­he­ben. In die­se Rich­tung deu­te­ten in den ver­gan­ge­nen fünf Jah­ren meh­re­re Gesten, die dem Kir­chen­ober­haupt pro­gres­si­ven Applaus und media­le Aner­ken­nung brach­ten, aber geist­lich frucht­los blieben.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wikicommons/Vatican.va (Screen­shot)

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