
(Rom) Während sich katholische Stellen darin überbieten, eine moralische Unbedenklichkeitserklärung für den zugelassenen mRNA-Impfstoff von Pfizer/BioNtech auszustellen, pochen Muslime auf Einhaltung von Unvereinbarkeitsbestimmungen. Ist die Verwendung von Gewebe abgetriebener Kinder kein Problem, von Schweinefleisch hingegen schon?
Seit in Großbritannien (2. Dezember), den USA (11. Dezember) und der EU (21. Dezember) der Pfizer/BioNtech-Impfstoff BNT162b2 gegen das Coronavirus SARS-CoV‑2 zugelassen ist und in diesen Ländern die Impfkampagnen anrollen, beeilen sich katholische Stellen, eine moralische Unbedenklichkeitserklärung abzugeben. Die Tatsache, daß diese neue Generation von genetischen mRNA-Impfstoffen unter Verwendung von Zellinien abgetriebener Kinder entwickelt wurde, sei „moralisch akzeptabel“, weil sie dem Schutz der Gesundheit diene. So betonte es Ende November die Päpstliche Akademie für das Leben und so bekräftigte es gestern die römische Glaubenskongregation mit einer ausdrücklichen Note zum Thema (siehe dazu Kirchliche Kakophonie zur Impfstoff-Zulassung).
Anders sehen das die Muslime. Während für die katholische Hierarchie die Verwendung von Gewebe abgetriebener Kinder für die Impfstoffherstellung kein Problem zu sein scheint, pochen Muslime auf die Einhaltung des islamischen Gesetzes und fordern Unbedenklichkeitserklärungen, daß die Impfstoffe halal sind, also nicht unter Verwendung von Produkten vom Schwein hergestellt werden.
Die Verwendung von Teilen vom Schwein wäre nicht nur für Muslime, sondern auch für Juden problematisch. Bereits im Oktober waren indonesische Diplomaten und islamische Religionsvertreter in die Volksrepublik China gereist. Während die Diplomaten über den Ankauf von Impfstoff-Dosen verhandelten, waren die islamischen Religionsvertreter darum besorgt, Erklärungen zu erhalten, daß im Anti-SARS-CoV-2-Impfstoff nichts enthalten ist, was dem islamischen Gesetz widerspricht.
Die islamischen Religionsvertreter wissen, daß es üblich ist, zur Stabilisierung und Konservierung von Impfstoffen eine Gelatine vom Schwein zu verwenden.
Die Pharmaunternehmen Pfizer, BioNtech, Moderna und AstraZeneca beeilten sich in Erklärungen zu betonen, daß ihre Corona-Impfstoffe frei von Schweinegelatine seien. Bei BioNtech verwies man besonders stolz auf den Beitrag muslimischer Wissenschaftler zur Entwicklung des Impfstoffs. Solche Unbedenklichkeitserklärungen, um die sich islamische Staaten bemühen, gibt es noch nicht von allen Pharmaunternehmen, die inzwischen Impfstoffe entwickelt haben.
Für Religionsgemeinschaften wie Muslime und orthodoxe Juden, für die jeder Konsum des Schweines als religiös unrein gilt, stellt die Frage eine großes Problem dar. Über westlich assimilierte Muslime wird versucht, einen lockereren Umgang zu etablieren: Der Schutz der Gesundheit sei eine „höheres Gut“, das solche Bedenken überwinde. So zitiert Associated Press (AP) den islamischen Wissenschaftler Harunor Rashid von der Universität Sydney. Ebenso wird erwähnt, daß diese Meinung auch unter orthodoxen jüdischen Gemeinschaften verbreitet sei. AP zitiert dazu Rabbi David Stav, einen der Gründer von Tzohar, einer Organisation zionistischer orthodoxer Rabbis in Israel:
„Nach dem jüdischen Gesetz gilt das Verbot, Schweinefleisch zu essen oder Schweinefleisch zu verwenden, nur dann, wenn es eine natürliche Art ist, es zu essen.“ Ein Impfstoff sei keine natürliche Art der Aufnahme.
In Wirklichkeit sehen das bei weitem nicht alle Muslime und Juden wie Prof. Rashid oder Rabbi Stav. Die Verwendung von Schweineteilen scheint eine größere und problematischere Frage zu sein als als die Verwendung von Teilen abgetriebener Kinder.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons