„Hinter dem Gerede vom ‚Paradigmenwechsel‘ versteckt sich die Häresie“

Kardinal Gerhard Müller im Interview zu den Homosexualitäts-Aussagen von Papst Franziskus


Die LGBT sind Gegner der Kirche. Der Papst soll klar sprechen
Kardinal Müller: „Die LGBT sind Gegner der Kirche. Der Papst soll klar sprechen.“

(Rom) Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, der vor­ma­li­ge Prä­fekt der römi­schen Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, mel­de­te sich in einem Inter­view der Tages­zei­tung La Veri­tà erneut zu den Auf­se­hen und Ärger­nis erre­gen­den Aus­sa­gen von Papst Fran­zis­kus zu homo­se­xu­el­len Ver­bin­dun­gen und der fak­ti­schen Aner­ken­nung der Homo­se­xua­li­tät zu Wort. „Immer wenn die Fein­de der Kir­che, die Athe­isten und die LGBT-Akti­vi­sten, Gesprächs­part­ner oder Inter­pre­ten des Petrus­nach­fol­gers sind, besteht die Mög­lich­keit, daß das Ergeb­nis das Gegen­teil des Erhoff­ten ist. Ent­we­der führt der Papst Homo­se­xu­el­le zurück auf den Weg des Glau­bens, oder sie ver­zer­ren sei­ne Wor­te zu ihren Gun­sten und ver­wir­ren dadurch Katho­li­ken“, so der Kardinal.

Fra­ge: Emi­nenz, wel­che Mei­nung haben Sie sich zu den Aus­sa­gen des Pap­stes zum The­ma ein­ge­tra­ge­ne Part­ner­schaf­ten gemacht, so wie sie durch den soeben vor­ge­stell­ten Doku­men­tar­film „Fran­ces­co“ prä­sen­tiert und dis­ku­tiert werden?

Kar­di­nal Mül­ler: Immer, wenn die Fein­de der Kir­che, die Athe­isten und die LGBT-Akti­vi­sten, Gesprächs­part­ner oder Inter­pre­ten des Nach­fol­gers des Petrus sind, besteht die Mög­lich­keit, daß das Ergeb­nis das Gegen­teil des Erhoff­ten ist. Ent­we­der führt der Papst Homo­se­xu­el­le zurück auf den Weg des Glau­bens, oder sie ver­zer­ren sei­ne Wor­te zu ihren Gun­sten und ver­wir­ren dadurch Katho­li­ken, die dem Papst treu blei­ben wol­len. Kein Katho­lik kann die Unter­wei­sung in der Leh­re der Kir­che in der Inter­pre­ta­ti­on von Kir­chen­geg­nern ernst neh­men. Es ist völ­lig irrele­vant, was sie von ihren Gesprä­chen mit dem Papst erzäh­len oder wie er in ihren Vide­os oder Inter­views erscheint. Vom Gesichts­punkt der theo­lo­gi­schen Wis­sen­schaft stel­len sol­che pri­va­ten pasto­ra­len Spe­ku­la­tio­nen kei­nen locus theo­lo­gi­cus dar. Sie haben für einen Katho­li­ken kei­ner­lei Auto­ri­tät, auch dann nicht, wenn der Papst dadurch „Pro­zes­se ansto­ßen“ will. Der Glau­ben kommt von der Offen­ba­rung Got­tes und nicht vom mani­pu­la­ti­ven „wor­ding and framing“ von theo­lo­gi­schen und poli­ti­schen Influen­cern. Die Glau­bens­leh­re zu Ursprung, Sinn und Gren­zen der Auto­ri­tät des Pap­stes in Glau­bens­fra­gen sind ganz klar vom Kon­zil von Flo­renz und beson­ders vom Ersten und Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil defi­niert. Die dok­tri­nel­le und pasto­ra­le Auto­ri­tät des Pap­stes kommt nicht aus der spe­zi­fi­schen Per­sön­lich­keit des Amts­in­ha­bers auf dem Thron des Petrus. Das sehen wir beim Fischer Simon, den Chri­stus zum Petrus macht kraft sei­nes gött­li­chen Auf­trags. Sei­ne Macht, die von allen gläu­bi­gen Katho­li­ken Gehor­sam ver­langt, besteht aus­schließ­lich dar­in, offen­sicht­lich zu machen, was der himm­li­sche Vater ihm offen­bart hat, d. h., daß Jesus nicht irgend­ein Pro­phet oder ein Mor­al­mo­dell ist, son­dern der Sohn Got­tes (Mt 16,16). Jesus ist aber nicht „Got­tes­sohn“ in einem über­tra­ge­nen, meta­pho­ri­schen Sinn, so wie wir durch Annah­me Kin­der der Gna­de sind (s. Röm 8,16). Er ist der Sohn der aller­hei­lig­sten Drei­fal­tig­keit, er hat uns den Vater offen­bart (Mt 11,27), und ihm ist als Sohn alle Macht im Him­mel und auf Erden gege­ben. Die Apo­stel und ihre Nach­fol­ger leh­ren nur das, was Jesus sie gelehrt hat (Mt 28,20). Ein blin­der Gehor­sam aller, wie er sich im Per­so­nen­kult gegen­über den Füh­rern in tota­li­tä­ren Syste­men zeigt, ist das Gegen­teil des Gehor­sams der Reli­gi­on als Bestand­teil des über­na­tür­li­chen Glau­bens, der sich direkt an Gott rich­tet, der weder betrügt noch betrü­gen kann (Lumen gen­ti­um, 25),

Fra­ge: Aber von den Umstän­den und der mög­li­chen Falsch­dar­stel­lung des Pap­stes ein­mal abge­se­hen bleibt die Erklä­rung zur Mög­lich­keit eines Rechts­schut­zes für ein­ge­tra­ge­ne Part­ner­schaf­ten. Das ist ein poli­ti­sches, nicht nur ein theo­lo­gi­sches Thema.

Kar­di­nal Mül­ler: Die Ver­wir­rung, die manch­mal bewußt erzeugt wird, besteht in der Ver­wechs­lung der natür­li­chen und sakra­men­ta­len Ver­bin­dung zwi­schen Mann und Frau in der Ehe mit den per­sön­li­chen Pro­ble­men, die eini­ge Indi­vi­du­en durch eine ero­tisch-sexu­el­le Anzie­hung zu Per­so­nen des glei­chen Geschlechts haben. Ein lai­zi­sti­scher Staat bezieht sich in sei­nen Nor­men nicht auf eine über­na­tür­li­che Offen­ba­rung oder eine bestimm­te Reli­gi­on, son­dern auf das Natur­recht, das sich in der Ver­nunft arti­ku­liert. Die Kir­che, als Hüte­rin auch der anthro­po­lo­gi­schen natür­li­chen Wahr­heit, muß dem Anspruch des Staa­tes oder ideo­lo­gi­scher Orga­ni­sa­tio­nen wie jenen der LGBT ent­ge­gen­tre­ten, die nach ihren Lau­nen die Ehe zwi­schen Mann und Frau als sozia­le Kon­struk­ti­on rela­ti­vie­ren. Päp­ste und Bischö­fe soll­ten in der heu­ti­gen Medi­en­welt ler­nen, sich klar und unmiß­ver­ständ­lich aus­zu­drücken, sodaß sich die pasto­ra­le Sor­ge für eini­ge Per­so­nen in schwie­ri­gen Situa­tio­nen nicht für Miß­brauch eig­net, die die Anthro­po­lo­gie unter­gra­ben, deren onto­lo­gi­sche und mora­li­sche Prin­zi­pi­en der Ver­nunft und der Offen­ba­rung entspringen.

Fra­ge: Eini­ge Bischö­fe haben gesagt, daß das, was der Papst sagt, ein Irr­tum gegen­über dem vor­he­ri­gen Lehr­amt ist wie zum Bei­spiel der Note der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on von 2003, in der man zu sagen scheint, daß kei­ne recht­li­che Aner­ken­nung mög­lich ist. Stimmt das?

Kar­di­nal Mül­ler: Zual­ler­erst muß der Papst in vol­ler Über­ein­stim­mung mit der Offen­ba­rung blei­ben, so wie sie durch die Hei­li­ge Schrift und die apo­sto­li­sche Tra­di­ti­on bewahrt und bezeugt ist. Dann muß er auch förm­lich alle dog­ma­ti­schen Ent­schei­dun­gen der Kon­zi­li­en und der Päp­ste aner­ken­nen, die ihm vor­aus­ge­gan­gen sind. Weder der regie­ren­de Papst noch sei­ne Vor­gän­ger kön­nen ihre sub­jek­ti­ven Sicht­wei­sen dem Glau­ben der gan­zen Kir­che auf­er­le­gen, egal ob in der Poli­tik, der Kin­der­er­zie­hung oder der Kuli­na­rik. So sind zum Bei­spiel die poli­ti­schen Urtei­le über das Ver­hal­ten von Kai­ser und Papst im Mit­tel­al­ter an jene Zeit gebun­den und nicht ver­bind­lich für den geof­fen­bar­ten Glau­ben. Man kann und man muß vie­le For­men des Den­kens oder des Ver­hal­tens ein­zel­ner Päp­ste kri­ti­sie­ren, ohne aber die gött­li­che Mis­si­on und die dar­aus fol­gen­de Macht des Pap­stes als Nach­fol­ger des Petrus in Fra­ge zu stel­len. Jesus hat aus Simon den Petrus gemacht und auf ihm sei­ne Kir­che erbaut. Zugleich hat Jesus, das wah­re Haupt der Kir­che, ihn hart kri­ti­siert, weil er ihn wäh­rend der Pas­si­on ver­leug­net hat. Die Hei­li­gen Hie­ro­ny­mus, Augu­sti­nus und Tho­mas von Aquin haben in ihren Kom­men­ta­ren zum Brief an die Gala­ter Pau­lus für sei­ne Ehr­lich­keit gelobt, wegen der schar­fen Kri­tik, die er an Petrus übte, aber umge­kehrt auch Petrus, wegen der Demut, mit der er die­se brü­der­li­che Zurecht­wei­sung akzep­tier­te. In die­ser Situa­ti­on hat Petrus der Ein­heit der Kir­che einen unschätz­ba­ren Dienst erwie­sen. Die Aus­übung des Pri­mats der Kir­che von Rom muß sich die­se bei­den Grund­sät­ze der Apo­stel immer vor Augen hal­ten, die mit dem Blut ihres Mar­ty­ri­ums der Kir­che von Rom den Pri­mat in der Gemein­schaft der öst­li­chen Bischofs­kir­chen erwor­ben haben.

Fra­ge: Ein Teil der katho­li­schen Welt hält es für aus­rei­chend, wenn man eine ein­ge­tra­ge­ne homo­se­xu­el­le Ver­bin­dung nicht „Ehe“ nennt, also kei­nen Bezug zur Fami­lie her­stellt. Ist auch unter die­sen Umstän­den aus Ihrer Sicht eine Aner­ken­nung ein­ge­tra­ge­ner Part­ner­schaf­ten nicht möglich?

Kar­di­nal Mül­ler: Die christ­li­chen Gläu­bi­gen sind kei­ne Sophi­sten und spie­len nicht nomi­na­li­stisch mit den Wor­ten. Die Ehe ist im Wort­sinn und der Sache nach gemäß der Schöp­fungs­ord­nung und der Erlö­sung eine Lebens­bund zwi­schen einem Mann und einer Frau. Jede Form des Zusam­men­le­bens von Per­so­nen glei­chen Geschlechts (zum Bei­spiel Ordens­ge­mein­schaf­ten) oder unter­schied­li­chen Geschlech­tes hat einen reli­giö­sen oder mora­li­schen Wert. Man kann es aber nicht „Ehe“ nen­nen, und jede sexu­el­le Ver­bin­dung außer­halb der Ehe ist objek­tiv eine schwe­re Sün­de. Das kön­nen auch jene Theo­lo­gen nicht ändern, die stolz dar­auf sind, „pro­gres­siv“ zu sein und sich auf eine angeb­li­che Nähe zu Papst Fran­zis­kus beru­fen. Histo­risch ist es bereits vor­ge­kom­men, daß sogar Päp­ste in Glau­bens­fra­gen schwank­ten oder schwer­wie­gend gefehlt haben. Des­halb ist die Unfehl­bar­keit in Glau­bens- oder Moral­fra­gen nur dann gege­ben, wenn der Papst dem Glau­ben der gan­zen Kir­che eine offen­bar­te Glau­bens­leh­re ver­kün­det. Er kann dem ihm geof­fen­bar­ten Glau­ben der Kir­che aber nicht sei­ne per­sön­li­chen Wer­tun­gen oder bestimm­te phi­lo­so­phi­sche oder theo­lo­gi­sche Theo­rien auf­er­le­gen, weil die Offen­ba­rung in ihrer kon­sti­tu­ti­ven Wirk­lich­keit mit dem Tod des letz­ten Apo­stels defi­ni­tiv abge­schlos­sen ist. Päp­ste und Bischö­fe sind Zeu­gen der ein für alle­mal erhal­te­nen Offen­ba­rung Got­tes in Jesus Chri­stus und nicht Emp­fän­ger einer neu­en Offen­ba­rung, die über Chri­stus hin­aus­geht oder Chri­stus sogar zu einer Vor­stu­fe einer höhe­ren Got­tes­er­kennt­nis redu­ziert. Hin­ter dem pseu­do­in­tel­lek­tu­el­len Gere­de vom „Para­dig­men­wech­sel“ steckt nur eine getarn­te Häre­sie, die das Wort Got­tes ver­fälscht. Der Papst und die Bischö­fe haben kei­ne neue öffent­li­che Offen­ba­rung emp­fan­gen, die Teil des Depo­si­tum fidei ist. Frü­her haben uns die Pro­te­stan­ten fälsch­lich beschul­digt, wir wür­den den Papst über Chri­stus stel­len. Heu­te ver­tei­di­gen wir mit gutem Grund die wah­re Leh­re vom Papst­tum gegen bestimm­te Katho­li­ken, die eine Sicht sei­ner poli­tisch-reli­giö­sen Macht der Ver­gan­gen­heit ver­ab­so­lu­tie­ren und sei­ne gött­li­che Mis­si­on, „das bestän­di­ge und sicht­ba­re Fun­da­ment der Ein­heit des Glau­bens und der Gemein­schaft“ der Bischö­fe und ihrer Orts­kir­chen relativieren.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL

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