(Rom) Fabiola Gianotti, Generaldirektorin der Europäischen Organisation für Kernforschung CERN mit Sitz in der Nähe von Genf, wurde von Papst Franziskus zum ordentlichen Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften ernannt.
Die experimentelle Teilchenphysikerin und Trägerin des Fundamental Physics Prize, des Premio Enrico Fermi und zahlreicher weiterer Auszeichnungen und Ehrendoktorate ist seit 1987 am CERN tätig. 2016 folgte die Italienerin dem deutschen Physiker Rolf-Dieter Heuer an der Spitze des CERN nach, den sie seither als erste Frau leitet. 2019 wurde sie für eine zweite Amtszeit bestätigt.
Das CERN ist die weltweit größte Forschungseinrichtung im Bereich Teilchenphysik, an der 23 EU- und EFTA-Staaten sowie Serbien und Israel beteiligt sind. An der Einrichtung mit einem Jahreshaushalt von über einer Milliarde Schweizer Franken wird physikalische Grundlagenforschung betrieben, wobei schwerpunktmäßig mit Hilfe von Teilchenbeschleunigern der Aufbau der Materie erforscht wird. Bis 2021 soll der am CERN eingesetzte größte Teilchenbeschleuniger der Welt auf 14 Teraelektronenvolt aufgerüstet werden. Das Spektrum der physikalischen Forschungsprojekte ist jedoch weit umfangreicher. Am CERN enstand auch das World Wide Web (WWW). Es handelt sich in vielerlei Hinsicht um eine Ausnahmeeinrichtung. So liegt das CERN (zwei Forschungszentren) auf schweizerischem und französischem Staatsgebiet. Die Schweiz gewährte der Einrichtung und ihren Vertretern Immunität. Obwohl sie sich teilweise auf Schweizer Territorium befindet, unterliegt sie nicht der Schweizer Gerichtsbarkeit. Größter Geldgeber ist die Bundesrepublik Deutschland, die zusammen mit der Schweiz und Frankreich zu den Gründern gehört.
Im Sommer 2016 wurde das CERN zum Schauplatz eines seltsamen Ereignisses, das von der Generaldirektion nach Medienanfragen bestätigt, aber als „Scherz“ einiger Wissenschaftler bezeichnet wurde.
In Interviews der jüngsten Zeit sagte die Wissenschaftlerin, an Gott zu glauben, und daß ihre Aufgabe als Wissenschaftlerin mit ihrem Glauben in keinem Konflikt stehe:
„Die Wissenschaft wird nie die Existenz oder die Nicht-Existenz Gottes beweisen können. Ich aber glaube. Die Wissenschaft ist mit dem Glauben vereinbar. Es gibt keine Widersprüche. Wichtig ist, die beiden Ebenen zu trennen: Ob gläubig oder nicht, es ist nicht die Physik, die uns darauf Antwort gibt.“
Gianotti gehört zum wissenschaftlichen Beratungsgremium des UN-Generalsekretärs. 2012 wurde sie vom Time Magazine auf Platz fünf der Persönlichkeiten des Jahres gereiht, 2013 von Forbes unter die 100 einflußreichsten Frauen der Welt, ebenso 2018 von der BBC.
Gianotti besuchte das Konservatorium von Mailand und ist diplomierte Pianistin. Sie ist nicht verheiratet. In einem Interview sagte sie in Anspielung darauf, sie habe in ihrem Leben „Opfer bringen müssen“.
Kurz vor der Ernennung zum ordentlichen Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften wurde Gianotti im September auch Mitglied des italienischen Aspen Institute.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/Google Maps (Screenshot)