
(Moskau) Rußlands neue Verfassung wird zwei sensationelle Neuerungen enthalten. Sie wird einen Gottesbezug haben und die Ehe wird als Bund zwischen einem Mann und einer Frau festgeschrieben.
Während es in Westeuropa manchen Bischöfen gefällt, Politiker zu kritisieren, denen es noch ein Anliegen ist, Bezug auf das Christentum oder christliche Symbole zu nehmen, weil sie das „falsche“ Parteibuch haben, freuen sich die russisch-orthodoxen Bischöfe über die anstehende Verfassungsänderung im größten Flächenstaat der Welt. Wladimir Putin macht es möglich.
Der Kontrast
2004 wurde von den Staats- und Regierungschefs der EG eine „Verfassung“ unterzeichnet, die natürlich keine ist, weil es keinen Staat EU gibt, weshalb das Ganze auch nur „Vertrag über eine Verfassung für Europa“ hieß. Nur in zwei der 28 Mitgliedsstaaten durfte das Volk darüber bindend abstimmen, in Frankreich und in den Niederlanden, und in beiden Staaten wurde die „Verfassung“ prompt abgelehnt. Daraus zogen die Politiker Konsequenzen: Im zweiten Anlauf wurde der Verfassungsentwurf in der Substanz unverändert als Vertrag von Lissabon vorgelegt, sodaß sich das Inkrafttreten zwar um drei Jahre verzögerte; und im neuen Anlauf ließ sicherheitshalber kein Staat mehr seine Bürger mitentscheiden. Daraus ist 2009 die seit 1992 auf den Weg gebrachte EU mit allen damit zusammenhängenden Problemen entstanden, einschließlich des inzwischen erfolgten Austritts von Großbritannien, weil aus einem erfolgreichen Projekt der Friedenssicherung und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ein politisches Einheitsprojekt gemacht wurde mit dem Ziel, die Nationalstaaten durch einen EU-Staat zu ersetzen.
Im 2009 in Kraft getretenen Text fehlt jeder Gottesbezug. Argumentiert wurde, daß Gott keine Verfassung brauche, was mit Sicherheit stimmt. Nicht Gott braucht eine Verfassung, sondern die Verfassung braucht Gott, will sagen, Europa braucht Gott und seinen Schutz und Beistand. Die bewußte Verbannung Gottes aus dem Grundgesetz der europäischen Kooperation wurde zur bewußten Verleugnung Gottes. Dem EU-Werk fehlt jeder höhere Bezug, der über die gerade handelnden Personen und Mehrheiten hinausgeht.
17 Jahre nachdem sich auf dem sogenannten Europäischen Konvent die antichristlichen Kräfte durchgesetzt und Gott wie zu Zeiten der Französischen Revolution oder der kommunistischen Sowjetunion „gestürzt“ haben, geht Rußland den gegenteiligen Weg.
Hatte das Reichsgrundgesetz des Zarenreiches einen Gottesbezug, vor allem in allen Eidesformeln, verschwand dieser nach der bolschewistischen Oktoberrevolution. Keine der drei sowjetischen Verfassungen erwähnte Gott. Ebensowenig die seit 1993 geltende Verfassung der Russischen Föderation. Nun will Staatspräsident Wladimir Putin das ändern.
Das einstige „Reich der Gottlosen“, wie die Bolschewiken genannt wurden und sich spöttisch auch selbst nannten, wird im 21. Jahrhundert den Gottesbezug wieder in die Verfassung aufnehmen. Zugleich will Putin der Homo-Agenda einen Riegel vorschieben, indem die Ehe als Bund zwischen einem Mann und einer Frau festgeschrieben wird.
Im Westen wurde von Politikern ein Wettlauf unternommen, wer bereitwilliger die Institution Ehe preisgibt. Es wurde auch ein Wettrennen veranstaltet, wer unter den Verantwortungsträgern und zahlreichen Kultur- und Medienverantwortlichen am wenigsten Ahnung vom Rechtsinstitut der Ehe hat und darüber, warum ein Staat die Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau aus gutem Grund besonders schützt und weiterhin schützen sollte.
Kaum woanders hat der Anti-Diskriminierungsdiskurs größeren Schaden angerichtet als im Bereich von Ehe und Familie.
Wie der Präsident des russischen Parlaments Wjatscheslaw Wolodin bekanntgab, wird in der neuen Verfassung unter anderem zu lesen sein:
„Die Russische Föderation, vereint durch eine tausendjährige Geschichte, bewahrt die Erinnerung an die Vorfahren, die uns die Ideale und den Glauben an Gott übermittelt haben.“
Die Idee, die Ehe in der Verfassung zu definieren, wurde von Wladimir Putin mehrfach öffentlich vertreten und löste empörte Reaktionen in westlichen Linkskreisen aus. Putin hatte gesagt: Solange er Präsident ist, werde es keine „Eltern 1“ und „Eltern 2“ geben, sondern Vater und Mutter.
Vor Putin hatte bereits Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán 2011 mit einer neuen Verfassung den Gottesbezug festgeschrieben. Die ungarische Verfassung, „Grundgesetz“ genannt, beginnt mit den Worten:
Gott, segne die Ungarn!
WIR, DIE MITGLIEDER DER UNGARISCHEN NATION, erklären zu Beginn des neuen Jahrtausends in der Verantwortung für alle Ungarn Folgendes:
Wir sind stolz darauf, daß unser König, der Heilige Stephan I., den ungarischen Staat vor tausend Jahren auf festen Fundamenten errichtete und unsere Heimat zu einem Bestandteil des christlichen Europas machte.
Wir sind stolz auf unsere Vorfahren, die für das Bestehen, die Freiheit und Unabhängigkeit unseres Landes gekämpft haben.
Wir sind stolz auf die großartigen geistigen Schöpfungen ungarischer Menschen.
Wir sind stolz darauf, daß unser Volk Jahrhunderte hindurch Europa in Kämpfen verteidigt und mit seinen Begabungen und seinem Fleiß die gemeinsamen Werte Europas vermehrt hat.
Wir erkennen die Rolle des Christentums bei der Erhaltung der Nation an. Wir achten die unterschiedlichen religiösen Traditionen unseres Landes.
Die Polen ihrerseits vollzogen einen offiziellen Staatsakt, mit dem Jesus Christus zum König von Polen gekrönt wurde.
Es gibt Kräfte, die die Konstantinische Wende des 4. Jahrhunderts rückgängig machen wollen. Es gibt aber auch Kräfte, die sie verteidigen. Jedes Land wird sich entscheiden müssen, auf welcher Seite es stehen will.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL