(Wien) Was bewegt einen ehemaligen österreichischen Diplomaten und nunmehrigen katholischen Priester, der vor zehn Jahren geweiht wurde, seine Dissertation an der Päpstlichen Universität Gregoriana für das Thema zu verwenden, einen Nachweis erbringen zu wollen, daß es doch vereinbar sei, Katholik und Freimaurer zu sein? Michael Heinrich Weninger, so der Name dieses Priesters, der derzeit für Aufsehen sorgt, ist dabei kein Einzelfall.
Vor einigen Jahren tat sich Wiens Dompfarrer Toni Faber im selben Anliegen hervor. In einem Fernsehgespräch auf TW1, heute ORF III, mit Michael Kraus, dem ehemaligen Großmeister der Großloge von Österreich, und dem ebenfalls freimaurerischen Moderator Heinz Sichrovsky war er bemüht, die von der Kirche seit mehr als 280 Jahren vertretene Unvereinbarkeit zwischen Kirche und Loge kleinzureden.
Mehr noch: Ganz im Sinne der Freimaurerei tat er sie als eine Art Relikt einer angeblich dunklen, eben „unwissenden“ Vergangenheit der Kirche ab. Nicht die Loge und ihre Ziele seien obskur, im Umkehrschluß müsse wohl sie „wissend“ sein.
Sichrovsky ist Jude, doch Kraus bezeichnet sich als „praktizierender Katholik“, und Faber und Weninger sind Priester. Das wirft Fragen auf.
Wien hat eine Tradition, was die Annäherungsbemühungen zwischen Kirche und Loge betrifft, und das hatte nicht mit dem Kaiserhaus zu tun, von dem nur der angeheiratete Lothringer Franz I. Stephan Logenmitglied war. Trotz seiner formalen Stellung als römisch-deutscher Kaiser hatte er faktisch nur die Rolle inne, die heute in Großbritannien Prinzgemahl Philip als Mann von Königin Elisabeth II. einnimmt. Die Regierungsgeschäfte führte Kaiserin Maria Theresia. Ihr war durch ihren Vater, Kaiser Karl VI., ja auch die Kaiserwürde zu verdanken.
Die Wiener Tradition hat mehr mit der Kirche selbst zu tun. Die Grundrichtung erinnert in gewisser Weise an den ökumenischen Dialog mit den protestantischen Landeskirchen. Es wird a priori eine Bringschuld der Kirche behauptet. Sowohl die protestantischen Landeskirchen als auch die Freimaurerei lehnen die katholische Kirche und deren Glaubenslehre zwar ab, begehren aber von ihr anerkannt zu werden. In Wirklichkeit ist eine Anerkennung ohne Annäherung gemeint. Wenn schon, habe sich die katholische Kirche anzunähern.
Um die Umsetzung bemühte sich besonders intensiv Kardinal Franz König (1905–2004), der von 1956–1985 Erzbischof von Wien war. Durch den „Modernisierungsprozeß“, den die Kirche durch das Zweite Vatikanische Konzil erlebte, wurde die Chance gesehen, die Verurteilung der Loge, wie sie durch mehrere päpstliche Bullen seit 1738 erfolgt war, aufzuheben. Die erste Bulle war In eminenti apostolatus specula von Papst Clemens XII. Im Codex Iuris Canonici (CIC) von 1917, das ist das Gesetzbuch des Kirchenrechts, wurde die automatische Exkommunikation festgeschrieben, die jeden Katholiken trifft, der einer Loge beitritt.
Der Anstoß zur versuchten Wende
Nach dem Konzil trat Kardinal König an die Großloge von Österreich heran, angeblich mit Wissen und Billigung des damaligen Präfekten der römischen Glaubenskongregation, Franjo Kardinal Šeper. Das verlangt eine kurze Hintergrundinformation.
Šeper entstammte einer donauschwäbischen Familie, weshalb sich auch die deutsche Schreibweise Franz Scheper findet. Er wurde 1954 zum Erzbischofkoadjutor von Zagreb ernannt. Der amtierende Erzbischof Alojzije Stepinac war bereits 1945 von den Kommunisten verhaftet und in einem Schauprozeß zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Nach sechs Jahren Haft erreichte Papst Pius XII. mit seiner Erhebung zum Kardinal zumindest seine Überstellung in den Hausarrest. Dort mußte er allerdings bis zu seinem Tod 1960 bleiben, ohne sein Amt als Erzbischof und als Kardinal ausüben zu können. 1998 wurde er von Johannes Paul II. seliggesprochen.
Mit dem Tod Stepinacs trat Šeper auch offiziell seine Nachfolge an und nahm am Zweiten Vatikanischen Konzil teil. Als ihn 1968 Paul VI. als Glaubenspräfekt nach Rom berief, wurde das von progressiven Kirchenkreisen als Sieg gefeiert. Šeper galt als einer der ihren, und vor allem war die Genugtuung groß, den ihnen verhaßten Kardinal Alfredo Ottaviani losgeworden zu sein. Die Euphorie zeigt sich auch im schnellen Tempo Königs, der sich mit Šeper verstand. Der neue Glaubenspräfekt war bekannt für seine offene Dialogbereitschaft mit dem Atheismus und anderen akatholischen Kreisen.
Laut den Aufzeichnungen des Großmeisters der Freimaurer Kurt Baresch war es Šeper, der König zum Handeln veranlaßte. Er forderte mit einem Rundschreiben an die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen auf, zur Freimaurerei Stellung zu nehmen. Das Anliegen muß ihm sehr wichtig gewesen sein, denn es ist eine seiner ersten Amtshandlungen. Am 8. Januar 1968 löste Paul VI. Kardinal Ottaviani an der Spitze der Glaubenskongregation durch Šeper ab. Offiziell wurde dieser Pro-Präfekt, am 1. März dann Präfekt der Kongregation. Sein Rundschreiben in Sachen Freimaurerei datiert vom 26. Februar. Bereits am 23. März wandte sich Kardinal König an die Großloge von Österreich, die Baresch als Ansprechpartner Königs nominierte.
Der Linzer Kurt Baresch (1921–2004) absolvierte die SS-Junkerschule Bad Tölz und war im Zweiten Weltkrieg Offizier der Waffen-SS, studierte nach dem Krieg Psychologie und wurde 1961 in die Loge initiiert. Noch im selben Jahr 1968, in dem Šeper Glaubenspräfekt wurde, bildete König mit Baresch einen „Dialogkreis“, dem vier Kirchenvertreter, aber zehn Freimaurer angehörten, die aus der Bundesrepublik Deutschland, der Schweiz und Österreich stammten. Der Dialog betraf den ganzen deutschen Sprachraum. Der katholische österreichische Journalist Friedrich Engelmann schrieb im Juli 2006:
„König beschäftigte sich ab diesem Datum jedenfalls intensiv damit, dem Heiligen Vater seine Logenfreunde in einem guten Licht zu zeigen.“
„Tatsächlich“, so Engelmann, „die Wiener Kirche verfügt über enge Bindungen, Querverweise, Doppelmitgliedschaften zu (den) und in die Logen.“
Von Anfang an schien auf beiden Seiten festzustehen, daß sich die Kirche zu bewegen habe. Diese einseitige Forderungshaltung verblüfft und legt nahe, daß Kardinal König die von ihm ernannten Kirchenvertreter nach bestimmten Kriterien ausgewählt hatte.
Baresch vertrat die Position, die Freimaurer hätten nichts gegen die Kirche, die Kirche sei es vielmehr, die etwas gegen die Freimaurer habe. Darum liege es an ihr, entgegenkommend zu handeln. Ziel war es, die „seit jeher unsinnige und jedenfalls antiquierte Verdammung der Freimaurerei zu revidieren“, so Baresch.
Die Lichtenauer Erklärung
Der Dialogkreis mündete nach insgesamt sechs Begegnungen 1970 in der „Lichtenauer Erklärung“, die von allen Teilnehmern unterschrieben wurde, auch den Kirchenvertretern: Das waren der Apostolische Protonotar Johannes de Toth, der Päpstliche Hausprälat Engelbert Schwarzbauer und der Dogmatiker und Rahner-Schüler Herbert Vorgrimler. Die Erklärung enthielt drei zentrale Punkte, zwei Erklärungen und die Schlußfolgerung:
- Die Freimaurer erklärten lapidar, sie hätten keine gemeinsame Gottesvorstellung, weshalb sie weder eine Religion seien noch eine Religion lehren würden.
- Das höchste gemeinsame Bekenntnis der Freimaurer sei der Grundsatz der Gewissens‑, Glaubens- und Geistesfreiheit, weshalb sie jeden Zwang ablehnen, der die Freiheit bedroht, und jedes aufrichtige Bekenntnis und jede ehrliche Überzeugung achten und jede Diskriminierung Andersdenkender verwerfen.
- Daraus folgte die Schlußfolgerung, daß alle Unterzeichner mit ihrer Unterschrift erklärten, daß die päpstlichen Bullen, mit denen die Freimaurerei verurteilt wurde, nur noch geschichtliche Bedeutung hätten, aber für die Jetztzeit irrelevant seien. Daher, so die klare Aussage, sei der Freimauerparagraph aus dem CIC zu streichen, da sich eine Verdammung der Loge durch die Kirche „nicht rechtfertigen“ lasse, denn sie lehre ja als Göttliches Gebot, „den Bruder zu lieben“.
Die „Bruderliebe“, wie Baresch in seinen Aufzeichnungen betonte, war das gemeinsame Bekenntnis, in dem sich Kirchen- und Logenvertreter einig waren. Mit besonderem Nachdruck drängten darauf de Toth und Theodor Vogel, der Großmeister der Vereinigten Großloge von Deutschland.
Obwohl sich die von Kardinal König angestoßenen Gespräche nur auf die „reguläre“, also englische Freimaurerei bezogen, was noch heute ausdrücklich betont wird, äußerte die „irreguläre“, also französische Freimaurerei fast auf den Wortlaut genau denselben Inhalt, als solche Gespräche kurzzeitig auch mit dem Großorient von Italien stattfanden.
Baresch gab auch zu verstehen, daß schon Jahre vor der Veröffentlichung des neuen Codex Iuris Canonici von 1983 „intern klar war“, daß das neue Kirchengesetzbuch „keinen Freimaurerparagraphen mehr enthalten“ werde. Entsprechende Zusagen habe Kardinal König in Rom bereits vor der Unterzeichnung der Lichtenauer Erklärung erhalten. Von wem, wird nicht gesagt. Als ihm die Erklärung übergeben wurde, damit er sie nach Rom weiterleiten konnte, versicherte König seinen freimaurerischen Gesprächspartnern, ihm sei „von höchster Stelle zu verstehen gegeben worden, dass im Canon der Kirche die Verdammung der Freimaurerei nicht mehr enthalten sein werde“. So schreibt es Harald Schrefler in seiner Publikation „Der Papst und die Freimaurer“, mit der er 2009 an der Universität Wien promovierte, und die mit freimaurerischer Unterstützung 2010 als Buch veröffentlicht wurde.
„Tiefe Freundschaft in der Sache und in den Herzen“
Baresch betonte, daß zwischen ihm und Kardinal König eine „tiefe Freundschaft in der Sache und in den Herzen“ herrschte. Engelmann schrieb dazu:
„Aus dem Buch kann man, ohne Übertreibung, eine wirklich tiefe Freundschaft zwischen Kardinal König und dem Großmeister der österreichischen Logen entnehmen – mehr noch, ein wirklich tiefes Vertrauensverhältnis, das über bloße Freundschaft hinausgeht. Wie diese wirklich enge Freundschaft und das tiefe Vertrauen zustande kam, verschweigt das Buch freilich – das Ereignis muß aber um das Jahr 1965 stattgefunden haben.“
Auf das erwähnte Buch soll noch zurückgekommen werden, denn es kam dann alles anders als geplant. Österreichs Freimaurer beklagen seit mehr als 35 Jahren, daß die Ungeduld ihrer „Brüder“ in der Bundesrepublik Deutschland zum letztlichen Scheitern der langjährigen Bemühungen führte. Als die Sache konkreter wurde, war aus Rom ein „sich vollziehender Gesinnungswandel bezüglich der Beurteilung der Freimaurerei durchgesickert“, so Baresch. Kardinal König und er kamen zum Schluß, daß eine „Gesprächspause zweckmäßig“ sei, um die Sache nicht zu gefährden.
Tatsächlich waren erst jetzt, da Entscheidungen zu treffen waren, weitere Kreise der Kirchenführung über die Gespräche und ihren Inhalt informiert worden und traten auf die Bremse. Bis dahin hatte König, der für den „Dialogkreis“ den Kontakt zu Rom hielt, offenbar lediglich jene als Ansprechpartner, die eine Kursänderung in der Freimaurerfrage anstrebten.
Damit trat ein Stillstand ein, bis Logenvertreter in der Bundesrepublik im Alleingang die Wiederaufnahme der Gespräche erreichen wollten. Das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz reagierte darauf 1980 mit einer öffentlichen Stellungnahme. Darin wurde klargestellt, daß die Lichtenauer Erklärung kein kirchliches Dokument ist, weil ihr jede kirchliche Autorisierung fehlt.
Dennoch gelang es freimaurerfreundlichen Amtsträgern an der Römischen Kurie, daß der neue Codex Iuris Canonici 1983 ohne eine ausdrückliche Nennung der Freimaurerei approbiert und veröffentlicht wurde. War man still und leise doch ans Ziel gelangt?
„Da platzte die Erklärung von Kardinal Ratzinger herein“
Baresch schildert in seinen Aufzeichnungen die weitere Entwicklung:
„Da platzte, quasi als Spätfolge der freimaurerischen Intervention bei der deutschen Bischofskonferenz, am 26. November 1983 die Erklärung Kardinal Ratzingers, nun Präfekt der Glaubenskongregation, über die nach wie vor existente ‚Sündhaftigkeit‘ der Freimaurerei [herein]. Der Vorstoß war unverständlich, er desavouierte Kardinal König und machte die am Folgetag in Rechtskraft getretene Neufassung des Corpus Iuris Canonici (CIC) fragwürdig, in dem die Verurteilung der Freimaurerei und die Exkommunikation der Freimaurer nicht mehr enthalten sind.“
Das Vorgehen des damaligen Glaubenspräfekten Ratzinger und späteren Papstes Benedikt XVI. legt nahe, daß er über die betreffende Änderung des CIC nicht informiert war, und sobald er Kenntnis davon erhielt, noch am Tag vor dessen Inkrafttreten handelte: Mit der Stellungnahme der Glaubenskongregation, die er mit päpstlicher Approbation abgab, wurde klargestellt, daß auch ohne ausdrückliche Erwähnung im CIC sich Freimaurer unverändert im Stand der schweren Sünde befinden und exkommuniziert sind. Daran hat sich bis heute nichts geändert: Die Exkommunikation der Freimaurer hat unveränderte Gültigkeit.
Wie überraschend für Kardinal König und die Freimaurer die Intervention von Kardinal Ratzinger und Papst Johannes Paul II. war, zeigt die Herausgabe des oben erwähnten Buches „Katholische Kirche und Freimaurerei“. Herausgeber war Kurt Baresch. Darin wurde auf 160 Seiten das enge und vor allem vertrauensvolle Verhältnis zwischen Kardinal König und den Logenbrüdern dokumentiert. Die Veröffentlichung erfolgte mit offensichtlicher Zustimmung Königs, wie seine Reaktionen zeigen sollten. Offensichtlich waren sich beide Seiten einig, am Ziel angelangt zu sein, weshalb die Karten auf den Tisch gelegt werden könnten. Das Buch wurde publiziert, wenngleich es, durch einen vergleichsweise hohen Preis, nur für ein bestimmtes Publikum gedacht war, doch dann „platzte“ die Erklärung von Kardinal Ratzinger herein.
Obwohl die römische Erklärung die Sachlage zweifellos richtigstellte, treten seither wiederholt Kirchenvertreter auf, die das Gegenteil behaupten – und beweisen wollen. Das gilt besonders auffällig für Österreich, wo von einer „Tradition Franz König“ gesprochen werden kann. Auch von allen an bundesdeutschen und österreichischen Universitäten zum Thema Freimaurerei eingereichten Diplomarbeiten, Dissertationen und Habilitationen wurden mehr als die Hälfte an österreichischen Universitäten vorgelegt, obwohl das Größenverhältnis zur Bundesrepublik 1:10 beträgt. In diesem Kontext sind auch die Vorstöße von Dompfarrer Toni Faber und dem ehemaligen Diplomaten und nunmehrigen Priester Michael Heinrich Weninger zu sehen. Am 11. Februar stellte Weninger in Wien seine Dissertation in Buchform vor. Seine Veröffentlichung trägt den Titel „Loge und Altar – über die Aussöhnung von katholischer Kirche und regulärer Freimaurerei“. Die Präsentation erfolgte gemeinsam mit Georg Semler, dem amtierenden Großmeister der Großloge von Österreich.
Was aber treibt Priester zu einem solchen Verhalten? Die bereits eingangs gestellte Frage läßt sich nur mit einer Vermutung beantworten, die allerdings naheliegend erscheint. Es darf eine persönliche Logennähe vermutet werden – in welcher Form auch immer.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Freimaurer-Wiki/Wikicommons (Screeenshots)
Zur Bildbeschriftung und dem Hinweis auf Luzifer, den Lichtträger und gefallenen Engel, siehe:
Auf diesem Netzauftritt einer englischen Loge wird Hw. Michael Weniger als „Bro.“ bezeichnet:
http://www.wordpress.eastlancsmark.org/?p=3530
Möglicherweise heißt das „Brother“? Wer weiß?
Absolut! Dieser „Priester“ IST Freimaurer, er ist Chaplin, d. h., er ist Meister des Tempels und damit verantwortlich für die Erhaltung der Logengebäude! Wo bleibt die Exkommunikation latae sententiae???
Natürlich hat er sich längst selbst exkommuniziert.
Offiziell wird sie aber nicht kommen, da mache ich jede Wette.
Er ist nicht umsonst aus der Deckung gekommen.
https://katholisches.info/2017/11/24/antikatholizismus-bleibt-trotz-seltsamen-appells-von-syrakus/
Schlussmahnung aus 1. Brief des Johannes 5,13–21 ?