Gregor der Große und das Coronavirus seiner Zeit


Christus im Sturm auf dem Meer von Galilaea (Ludolf Bakhuysen, 1695)
Christus im Sturm auf dem Meer von Galilaea (Ludolf Bakhuysen, 1695)

Von Rober­to de Mattei*

Anzei­ge

Ein geheim­nis­vol­ler Schlei­er umgibt das Coro­na­vi­rus, oder Covid-19, von dem wir weder den Ursprung noch die wirk­li­chen Ver­brei­tungs­ra­ten oder mög­li­che Fol­gen ken­nen. Was wir jedoch wis­sen, ist, daß Pan­de­mien in der Geschich­te immer als Gei­ßeln Got­tes gese­hen wur­den und daß das ein­zi­ge Mit­tel, das die Kir­che ihnen ent­ge­gen­ge­setzt hat, Gebet und Buße war.

So war es in Rom im Jahr 590, als Gre­gor aus der Sena­to­ren­fa­mi­lie der gens Ani­cia mit dem Namen Gre­gor I. (540–604) zum Papst gewählt wurde.

Ita­li­en wur­de von Krank­heit, Hun­ger und sozia­len Unru­hen heim­ge­sucht und von den ein­drin­gen­den Lan­go­bar­den ver­heert. Zwi­schen 589 und 590 ver­brei­te­te eine aggres­si­ve Pest­epi­de­mie, die schreck­li­che Lues Ingui­na­ria, Schrecken und Tod auf der Halb­in­sel und in der Stadt Rom, nach­dem sie bereits das Gebiet von Byzanz im Osten und das der Fran­ken im Westen ver­wü­stet hat­te. Die Bür­ger Roms inter­pre­tier­ten die­se Epi­de­mie als Stra­fe Got­tes für die Ver­dor­ben­heit der Stadt.

Das erste Opfer, das in Rom von der Pest dahin­ge­rafft wur­de, war Papst Pela­gi­us II., der am 5. Febru­ar 590 starb und in Sankt Peter begra­ben wur­de. Der Kle­rus und der römi­sche Senat wähl­ten Gre­gor zu sei­nem Nach­fol­ger, der, nach­dem er das Amt des Prae­fec­tus urbi aus­ge­übt hat­te, in sei­ner Mönchs­zel­le auf dem Cae­li­us, einem der sie­ben Hügel, leb­te. Nach­dem der neue Papst am 3. Okto­ber 590 geweiht wor­den war, sah er sich sofort der Gei­ßel der Pest gegen­über. Gre­gor von Tours (538–594), der Zeit­ge­nos­se und Chro­nist die­ser Ereig­nis­se, sagt, daß Gre­gor in einer denk­wür­di­gen Pre­digt in der Basi­li­ka San­ta Sabi­na auf dem Aven­tin die Römer auf­for­der­te, zer­knirscht und reu­ig dem Bei­spiel der Ein­woh­ner Nini­ves zu folgen: 

„Schaut Euch um: Hier ist das Schwert des Got­tes­zorns, das über dem gan­zen Volk geschwun­gen wird. Der plötz­li­che Tod ent­reißt uns der Welt, fast ohne uns eine Minu­te Zeit zu geben. In die­sem Moment, oh wie vie­le wer­den vom Bösen geholt, ohne über­haupt an Buße den­ken zu können.“

Der Papst dräng­te dar­auf, den Blick auf Gott zu rich­ten, der solch furcht­ba­re Stra­fen zuläßt, um sei­ne Kin­der im eigent­li­chen Sinn des Wor­tes zurecht­zu­wei­sen; und um den gött­li­chen Zorn zu besänf­ti­gen, befahl er eine Lita­nia sep­ti­for­mis, d. h. eine Pro­zes­si­on der gesam­ten römi­schen Bevöl­ke­rung, unter­teilt in sie­ben Pro­zes­si­ons­zü­ge nach Geschlecht, Alter und Stand. Die Pro­zes­si­on zog von den ver­schie­de­nen Kir­chen Roms in die Vati­ka­ni­sche Basi­li­ka und beglei­te­te den Weg mit dem Gesang der Lita­nei­en. Das ist der Ursprung der soge­nann­ten Gro­ßen Lita­nei­en oder Roga­tio­nen der Kir­che, Bitt­ge­be­te, mit denen wir zu Gott beten, um uns vor Wid­rig­kei­ten zu schüt­zen. Die sie­ben Pro­zes­sio­nen beweg­ten sich bar­fuß, lang­sa­men Schrit­tes und mit asche­be­streu­tem Haupt durch die Stra­ßen des alten Rom. Als die Men­ge in die­ser Gra­bes­stil­le durch die Stadt zog, erreich­te die Pest eine sol­che Hef­tig­keit, daß in der kur­zen Zeit von einer Stun­de acht­zig Men­schen tot zu Boden fie­len. Aber Gre­gor hör­te nicht auf, das Volk zu drän­gen, wei­ter zu beten, und er woll­te, daß das Bild der Got­tes­mut­ter, das vom Evan­ge­li­sten Lukas gemalt war und in San­ta Maria Mag­gio­re auf­be­wahrt wur­de, vor der Pro­zes­si­on her­ge­tra­gen wird (Gre­gor von Tours, Histo­riae Fran­corum, liber X, 1, in Ope­ra omnia, her­aus­ge­ge­ben von J. P. Mig­ne, Paris 1849, S. 528).

Die Legen­da aurea des Jaco­bus de Vara­gi­ne, ein Kom­pen­di­um der Tra­di­tio­nen aus den ersten Jahr­hun­der­ten der christ­li­chen Ära, besagt, daß die Luft, je wei­ter das hei­li­ge Bild vor­rück­te, gesün­der und kla­rer wur­de, und sich die Mias­men der Pest auf­lö­sten, als ob sie sei­ne Anwe­sen­heit nicht ertra­gen könn­ten. Man hat­te die Brücke erreicht, die die Stadt mit dem Mau­so­le­um von Hadri­an ver­bin­det, das im Mit­tel­al­ter als Castel­lum Cre­s­cen­tii bekannt war, als plötz­lich ein Engels­chor sang: 

„Regi­na coeli, laet­a­re, Alle­luia, quia quem meru­isti port­are, Alle­luia, resurr­exit sicut dixit, Alleluia!“ 

Gre­gor ant­wor­te­te laut: 

„Ora pro nobis rogamus, Alleluia!“ 

So wur­de das Regi­na Coeli gebo­ren, die Anti­phon, mit der die Kir­che zur Oster­zeit Maria Köni­gin grüßt wegen der Auf­er­ste­hung des Erlösers.

Nach dem Lied ord­ne­ten sich die Engel in einem Kreis um das Bild der Got­tes­mut­ter, und Gre­gor sah, als er die Augen erhob, auf der Spit­ze der Burg einen Engel, der sein blut­trie­fen­des Schwert rei­nig­te und in die Schei­de zurück­steck­te zum Zei­chen, daß die Bestra­fung zu Ende war.

„Tunc bea­tus Gre­go­ri­us vidit supra Castrum Cre­s­cen­tii angelum Domi­ni, qui gla­di­um cruen­ta­tum deter­gens in vagi­nam remitt­e­bat: intelle­xit­que Gre­go­ri­us, quod pestis illa cess­a­sset, et sic fac­tum est. Unde et castrum illud castrum ange­li deinceps voca­tum est.“ 

Gre­gor ver­stand, daß die Pest vor­bei war, und so geschah es: Und die­se Burg wur­de fort­an nach dem Engel benannt (Jaco­bus de Vara­gi­ne, Legen­da aurea, kri­ti­sche Aus­ga­be, her­aus­ge­ge­ben von Gio­van­ni Pao­lo Mag­gio­ni, Sis­mel-Edi­zio­ni del Gal­luz­zo, Flo­renz 1998, S. 90).

Papst Gre­gor I. wur­de hei­lig­ge­spro­chen und zum Kir­chen­leh­rer erho­ben, und er ging mit dem Bei­na­men „der Gro­ße“ in die Geschich­te ein. Nach sei­nem Tod nann­ten die Römer die Mole Adria­n­o­rum „Engels­burg“ und stell­ten zur Erin­ne­rung an das Wun­der die Sta­tue des Hei­li­gen Micha­el, des Für­sten der himm­li­schen Heer­scha­ren, auf die Spit­ze der Burg, wie er das Schwert zurück in die Schei­de steckt. Noch heu­te befin­det sich in den Kapi­to­li­ni­schen Muse­en ein kreis­för­mi­ger Stein mit Fuß­ab­drücken, die der Erz­engel der Über­lie­fe­rung nach hin­ter­las­sen haben soll, als er inne­hielt, um das Ende der Pest anzu­kün­di­gen. Auch Kar­di­nal Cesa­re Baro­nio (1538–1697), der wegen sei­ner stren­gen For­schung als einer der größ­ten Histo­ri­ker der Kir­che gilt, bestä­tigt das Erschei­nen des Engels am höch­sten Punkt der Burg (Odo­ri­co Ranal­di, Anna­les eccle­sia­sti­ci, hrsg. von Kar­di­nal Baro­nio, Mas­car­dus, Rom 1643, S. 175–176).

Wir wol­len nur anmer­ken: Wenn der Engel dank des Auf­rufs des Hei­li­gen Gre­gor das Schwert in die Schei­de steck­te, bedeu­tet das, daß es zuvor gezo­gen wor­den war, um die Sün­den des römi­schen Vol­kes zu bestra­fen. Die Engel sind in der Tat die Voll­strecker der gött­li­chen Bestra­fung der Völ­ker, wie uns die dra­ma­ti­sche Visi­on des Drit­ten Geheim­nis­ses von Fati­ma in Erin­ne­rung ruft und uns zur Umkehr auffordert: 

„Ein Engel, der ein Feu­er­schwert in der lin­ken Hand hielt; es sprüh­te Fun­ken, und Flam­men gin­gen von ihm aus, als soll­ten sie die Welt anzün­den; doch die Flam­men ver­lösch­ten, als sie mit dem Glanz in Berüh­rung kamen, den Unse­re Lie­be Frau von ihrer rech­ten Hand auf ihn aus­ström­te: den Engel, der mit der rech­ten Hand auf die Erde zeig­te und mit lau­ter Stim­me rief: Buße, Buße, Buße!“

Hat die Ver­brei­tung des Coro­na­vi­rus irgend­ei­ne Bezie­hung zur Visi­on des Drit­ten Geheim­nis­ses? Die Zukunft wird es uns sagen. Aber der Auf­ruf zur Buße bleibt die erste Dring­lich­keit unse­rer Zeit und das erste Mit­tel, um unser Heil in Zeit und Ewig­keit zu sichern. Die Wor­te des hei­li­gen Gre­gor des Gro­ßen müs­sen in unse­ren Her­zen widerhallen: 

„Was wer­den wir über die schreck­li­chen Ereig­nis­se sagen, die wir erle­ben, wenn nicht, daß sie Boten des zukünf­ti­gen Zorns sind? Denkt also, lie­be Brü­der, mit äußer­ster Auf­merk­sam­keit an die­sen Tag, ändert Euer Leben, ändert Eure Gewohn­hei­ten, besiegt die Ver­su­chun­gen des Bösen mit all Eurer Kraft, bestraft mit Trä­nen die began­ge­nen Sün­den“ (Erste Pre­digt über die Evan­ge­li­en, in: Il Tem­po di Nata­le nella Roma di Gre­go­rio Mag­no, Acqua Pia Anti­ca Mar­cia, Rom 2008, S. 176–177).

Die­se Wor­te sind es, und nicht der Traum der Ama­zo­nia felix, die die Kir­che heu­te brau­chen wür­de, die sich in einem Zustand zeigt, wie ihn der hei­li­ge Gre­gor zu sei­ner Zeit beschrie­ben hat: 

„Ein altes, stark beschä­dig­tes Schiff; von allen Sei­ten drin­gen die Wogen in es ein, und in den täg­li­chen hef­ti­gen Stür­men gebro­chen und morsch gewor­den, droht den Plan­ken der Schiff­bruch“ (Regi­strum I, 4 ad Ioann. Epis­cop. Con­stan­ti­nop.). Aber da erweck­te Gott einen Steu­er­mann, der eine star­ke Hand besaß, das ihm anver­trau­te Steu­er­ru­der zu len­ken, wie der hei­li­ge Pius X. erklärt, „und es nicht nur ver­stand, aus den schäu­men­den Stür­men den Hafen zu errei­chen, son­dern auch das Schiff vor künf­ti­gen Unwet­tern zu sichern“ (Enzy­kli­ka Jucun­da sane vom 12. März 1904).

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017 und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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