Von Wolfram Schrems*
Noch als Beitrag zum „Luther-Jahr“ gedacht, erschien nunmehr der berühmte Traktat des englischen Königs Heinrich VIII. aus dem Jahr 1521 in einer vom Rezensenten besorgten, ausführlich eingeleiteten und kommentierten Übersetzung.
Diese Neuausgabe geht auf eine Initiative des brasilianisch-amerikanischen Apologeten und Mitarbeiters von Human Life International Raymond de Souza zurück. Dieser hatte bereits im Jahr 2007 eine neue Ausgabe, The New Millennium Edition, des gegen Martin Luthers Bekämpfung der Sakramente gerichteten Buches von König Heinrich VIII. Tudor von England, Assertio septem sacramentorum, in zeitgenössischem Englisch erstellt. Er widmete sie der englischen Königin Elisabeth und schickte ihr ein Exemplar. Die Königin sandte über ihren persönlichen Sekretär einen freundlichen Brief, in dem sie für das Geschenk dankte und Herrn de Souza wissen ließ, daß sie seine Sorgen über die Zukunft des Christentums in Europa sehr wohl zur Kenntnis genommen hatte.
Human Life International Österreich veranstaltete zwischen 2012 und 2017 mehrere Vorträge mit de Souza: über den zivilen Ungehorsam des Katholiken, über Martin Luther, über die Eucharistie und zur hl. Schrift als Buch der Katholischen Kirche. Aus diesem Kontakt entstand der Plan, auch eine deutsche Übersetzung des Traktates Heinrichs anzufertigen. Leider hat sich die Erstellung des Buches dann weit über den geplanten Erscheinungstermin verzögert.
Ein Buch und sein Autor – ein wichtiger Unterschied
König Heinrich, ein gebildeter Mann, verfaßte diesen Traktat höchstwahrscheinlich gemeinsam mit seinem Lordkanzler Thomas Morus oder mit Bischof John Fisher von Rochester oder mit beiden. Beide ließ er 1535 wegen ihrer Opposition gegen seine schismatische Politik hinrichten. Er begnadigte sie zum Tod durch Enthauptung, da für den festgestellten „Hochverrat“ eigentlich eine wesentlich schlimmere Todesart vorgesehen war.
Beide wurden von der Kirche als Märtyrer heiliggesprochen.
Papst Leo X. verlieh dem König für seine Verteidigung des überlieferten Glaubens den Titel Fidei Defensor, „Verteidiger des Glaubens“, der heute noch – natürlich sinnentstellt – von den englischen Monarchen geführt wird.
Auch wenn Heinrich später von der Kirche abfiel und einen schlechten Lebensweg nahm, bleibt seine Stellungnahme zeitlos gültig und kann auch noch heute helfen, den wahren und vollständigen Glauben zu verstehen und zu verteidigen. Wie so oft, muß man auch in diesem Fall ein Buch von seinem Autor unterscheiden.
Gerhard Kardinal Müller – in ökumenischen Zeiten erstaunlich kritisch
Raymond de Souza konnte Ex-Glaubenspräfekt Kardinal Gerhard Ludwig Müller für eine Einleitung, Weihbischof Athanasius Schneider für ein Nachwort gewinnen.
Eminenz äußert sich gemessen an dem seit dem Konzil ökumenisch Üblichen sehr kritisch über Martin Luther und sein Unterfangen:
Wer es nicht wahrhaben wollte, musste sich spätestens mit den reformatorischen Kampfschriften des Jahres 1520 eingestehen, dass Martin Luther (1483–1546) nicht die geistliche und moralische Reform der Christen in der katholischen Kirche wollte, sondern den Bruch einleitete mit [der Kirche].
Der Kardinal lobt die hohe Qualität des Traktats:
Diese Schrift stellt mit ihrer Schriftkenntnis aber auch der Vätertradition und der beginnenden scholastischen Sakramentenlehre mit besonderem Bezug auf das einschlägige Werk von Hugo von St. Viktor, ein beachtliches Zeugnis der katholischen Tradition dar. Wer gemeint haben sollte, dass die Kirche erst durch die protestantische Herausforderung zu ihrer dogmatisch verbindlichen Lehre von den Sakramenten gekommen sei, kann sich hier eines Besseren belehren lassen.
Eminenz spricht auch aus, daß Luther das einfache Volk aufhetzte und daß er von Papst und König zum eigenen Heil zur Bekehrung aufgerufen wurde.
Verteidigung der Sakramente
Heinrich geht zunächst auf die Polemik Luthers gegen den Ablaß und die Autorität des Papstes ein. Danach behandelt er die oft schwer zu verstehenden Anwürfe Luthers gegen die einzelnen Sakramente, also gegen ihre Einsetzung durch Christus und daher ihre Legitimität, und legt dar, daß alle sieben Sakramente von Anfang an zum Leben und Glauben der Kirche gehörten.
Heinrich beginnt mit dem Altarsakrament und zeigt, daß die Kirche – auch vor Einführung des Fachausdruckes „Transsubtantiation“ – an die Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi geglaubt hat. Die „Substanz“ des Brotes ist nach der Konsekration nicht mehr vorhanden, nur mehr die des Leibes Christi. Das wird von Luther bestritten, der sagt, daß beide Substanzen vorhanden wären.
Heinrich deckt auf, daß die Lutherschen Ausführungen die Verminderung der Verehrung des Altarsakramentes beabsichtigten. Heinrich nennt sogar den skurrilen Vorschlag Luthers, daß zwar einerseits auch die Laien die Kelchkommunion empfangen sollen, daß es aber andererseits keine Verpflichtung zum Kommunionempfang mehr geben soll, daß also auch dasjenige Kirchengebot abgeschafft werden soll, wenigstens einmal im Jahr zu kommunizieren. Luther empfahl dagegen, die hl. Kommunion überhaupt nur einmal im Leben zu empfangen.
Heinrich muß an mehreren Stellen auf die oft sehr komplizierten und umständlichen Gedankengänge Luthers zur Eucharistie und ihrer Einsetzung eingehen, die bei weitem nicht konsistent und oft richtiggehend konfus sind.
Auch bei der Behandlung der anderen Sakramente wird Luthers Hang zur bombastischen Rhetorik und zum Bruch mit der Überlieferung sichtbar:
Bezüglich des Bußsakramentes verteidigt Heinrich natürlich die Beichte mit guten biblischen und patristischen Gründen. Auch hier zeigt sich, wie so oft, daß die lutherschen Erfindungen Kopfgeburten sind, die dem Zeugnis der frühen und der sich entwickelnden Kirche über die Jahrhunderte völlig widerstreiten.
Da die Ehe in unserer Zeit nun auch durch die Hierarchie der Kirche selbst in Bedrängnis geraten ist, kann man die Worte des Königs, der ausführlich auf Gen 2,23f und Eph 5 eingeht, als besonders wichtig betrachten. Umso tragischer wird das spätere Scheitern des Königs in genau diesem Bereich erscheinen.
Ausgiebig werden auch das von Luther erbittert und gegen jede biblische und historische Evidenz angegriffene Weihesakrament und die Letzte Ölung verteidigt. Bei letzterer kommt die notorische Kritik Luthers am Jakobusbrief als solchem dazu, in dem von der Krankensalbung bekanntlich ausdrücklich die Rede ist.
Heinrich zeigt sich scharfsinnig und zuweilen ironisch, indem er hier auch möglicherweise auf den exzessiven Alkoholkonsum Luthers anspielte:
Christus offenbarte der Welt manches durch Matthäus, anderes durch Lukas, wieder anderes durch Johannes und manches durch den Apostel Paulus. Warum soll es unmöglich sein, daß es Ihm gefallen hat, uns wieder anderes durch den Apostel Jakobus bekannt zu machen? Nachdem sich Luther massiv dem Apostel widersetzt hat, wendet er sich nun gegen die Kirche überhaupt. Er sagt, daß sie „die Worte des Apostels falsch anwendet, indem sie diese Salbung nicht den Kranken angedeihen läßt, sondern nur denen, die schon dem Tod nahe sind, wo doch Jakobus sagt: ‚wenn einer krank ist‘, nicht: ‚wenn einer am Sterben ist‘“.
Wie wenn bei jedem leichten Fieber – vielleicht von unmäßigem Trinken verursacht – die Kirche sündigen würde, wenn sie eine so große Sache wie ein Sakrament nicht frei und bedingungslos austeilen würde! Oder wie wenn sie sich selbst kein Wunder in der Heilung einer solchen Krankheit zuschreiben würde, die ja ohnehin durch Schlaf und Abstinenz geheilt werden kann!
König Heinrich VIII. als seelsorglich motivierter Apologet
Am Schluß appelliert der König an die Leser, sich von Luthers Erfindungen nicht verwirren zu lassen. Er weiß auch um die Grenzen des Argumentierens:
Ich bin so weit davon entfernt, weitere Diskussionen mit ihm zu führen, daß ich es schon fast bereue, was ich bereits gegen ihn ins Treffen geführt habe. Denn was ist schon damit gewonnen, wenn man mit einem Mann disputiert, der allen widerspricht – einschließlich sich selbst? Was er an einer Stelle behauptet, bestreitet er an einer anderen. (…)
Er verachtet die alten Lehrer der Kirche, verlacht die neueren geradezu gewalttätig und überhäuft den Obersten Bischof der Kirche mit Vorwürfen. (…) Er hat kein solides und sicheres Prinzip, mit dem er gegen seine Widersacher vorgehen könnte. Er verlangt einfach, frei zu sein und zu behaupten oder zu bestreiten, was immer ihm gefällt.
Gleichzeitig gibt er seiner Hoffnung Ausdruck, daß Luther seinen schlechten Weg doch noch verlasse und so sich selbst und alle von ihm auf Abwege gebrachten Christen rette:
Ich verabscheue tatsächlich dieses Mannes große Verrücktheit und seinen überaus bedauernswürdigen Zustand und hoffe, daß er auch jetzt noch, von Gottes Gnade inspiriert, endlich zu Sinnen komme, sich bekehre und lebe.
Resümee
In Zeiten einer Mentalität, da gegensätzliche Auffassungen nicht mehr angesprochen werden dürfen und da eine praktisch alle Unterschiede nivellierende „Ökumene“ etabliert ist, ist die Lektüre des Traktates irgendwie schmerzhaft. Der König formuliert oft polemisch, da er von der Dreistigkeit und Brutalität Luthers skandalisiert ist.
Luther hatte seinerseits mit der Polemik angefangen und sollte später Deutschland in Spaltung, Bürgerkrieg und Entvölkerung führen. Bis heute ist das Schisma nicht geheilt.
Wenn auch der Traktat keine wissenschaftliche Schrift im strengen Sinn ist, so ist er doch anspruchsvoll. Der Leser muß sich sehr konzentrieren und sich mit zahlreichen Bibel- und Väterzitaten konfrontieren lassen.
Der Rezensent ist naturgemäß sehr kritisch, was die Qualität der Übersetzung betrifft. Allerdings hatte der Übersetzer seit der Verteidigung der Tradition dazugelernt und daher gibt es weniger Verschreibungen, Interpunktionsfehler und holprige Stellen. (Möglicherweise ist die vorliegende englische Version, deren Urheber kein englischer Muttersprachler ist, ihrerseits nicht perfekt.)
Da etliche Anspielungen des Königs für die meisten heutigen Leser nicht verständlich sein werden, wurden Erklärungen angefügt. (Fußnote 159 sollte allerdings dahingehend ergänzt werden, daß an dieser Stelle wohl Luthers Gedanken paraphrasiert werden.)
Die zahlreichen Verweise auf das Kompendium des Katechismus der Katholischen Kirche waren eine Idee von Herausgeber de Souza. Sie illustrieren die de facto zwar beschädigte, de iure aber bestehende Kontinuität der Glaubensinhalte durch die Jahrhunderte.
Somit eignet sich das Buch für alle an der Thematik Interessierten, die über theologisches Verständnis verfügen. Wie man hören kann, stößt das Buch auch im protestantischen und freiheitlichen Bereich auf Interesse. Deo gratias. Proficiat.
Weihbischof Athanasius Schneider, ein Athanasius unserer Tage, schließt sein Nachwort mit einer Kritik an der derzeitigen päpstlichen Verwirrungspolitik und mit einem für unsere Zeit aktuellen Hinweis auf die am Anfang des 16. Jahrhunderts über Europa hereinbrechenden islamischen Flut:
In unserer Zeit erleben wir einen neuartigen Angriff auf die göttliche Sakramentenordnung, so vor allem durch die in vielen Diözesen mittlerweile offiziell genehmigte und auf das päpstliche Schreiben „Amoris laetitia“ sich berufende Praxis der Kommunionzulassung von unreuigen Ehebrechern. Die folgenden Schlussworte Heinrichs VIII. in seinem theologischen Meisterstück bleiben aktuell gerade auch für heute: „Ich beschwöre alle Christen und flehe sie an im Namen des Herzens Christi, an den wir glauben: wendet Eure Ohren ab von diesen gottlosen Worten [Luthers] und fördert nicht Spaltungen und Zwietracht, insbesondere in dieser Zeit, wo die Christen am stärksten gegen die Feinde Christi geeint sein sollten“.
König Heinrich VIII., Verteidigung der sieben Sakramente, mit einer Einleitung von Gerhard Ludwig Kardinal Müller, Nachwort von Weihbischof Athanasius Schneider, Grignion-Verlag, Altötting 2019, 197 S.
*Wolfram Schrems, Wien, Mag. theol., Mag. phil., Katechist, Lebensschützer, reiche Erfahrung in interkonfessionellem Gespräch und Streit
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Interessante Besprechung, wenn es auch ein gewisser Nachteil ist, a) dass der Übersetzer selbst das Buch rezensiert und b) auf den KKK Bezug genommen wird. Der historische Kontext ließe sich sicher besser durch den Katechismus des Konzils von Trient abbilden.
Aber ich finde, dass König Heinrich ein Frauenmörder ist und deshalb absolut kein gutes Beispiel für was auch immer!
Es wird im Text der Rezension selbst darauf hingewiesen, dass zwischen dem Autor des Buches und seinem Inhalt zu unterscheiden ist, ja, dass beide voneinander zu trennen ist. Außerdem war Heinrich kein Feauenmörder, sondern ein König, der die Todesstrafe angewandt hat, wozu er als König eben berechtigt war. Wenn wir heute finden, dass das falsch war, ungerecht oder missbräuchlich geschehen ist, kann man vielleicht sogar besser verstehen, weshalb die Todesstrafe möglichst überhaupt nicht vollstreckt werden sollte.
Jemand der seine eigene Frauen ermorden lässt weil er immer wieder neue Frauen will.Was soll das. Verzeihung,aber ich finde das abscheulich.Und das wird dann Haupt der Anglikanische Kirche.
Das Buch interessiert mich sehr: Wann hat ein Staatsoberhaupt schon ein Buch zur Verteidigung der Sakramente geschrieben? Darin liegt natürlich auch die persönliche Tragik von Heinrich VIII. Die Veröffentlichung gegen die Irrlehren Luthers zeigt, daß es einmal einen anderen Heinrich gab, bevor er tief gefallen ist, wenn auch aus anderen Gründen als Luther.
Seiner Verteidigungsschrift tut das keinen Abbruch, die muss für sich selber sprechen.
Heinrich war vor seinem Fall sehr fromm. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich einmal gelesen, er habe bisweilen sogar mehrfach am Tag die heilige Messe besucht.
Dass jemand erst ein Engel ist und dann zu einem Teufel wird (,denn wir alle werden versucht), ist nichts Neues und sollte dem jungen Heinrich nicht zugerechnet werden.
Sehr schnell kommt man in ein Fahrwasser von Wiederholung und Gewohnheit. Darum sollen wir unbedingt den Anfängen wehren.
Was die neue Kirche in Rom mittlerweile lehrt und vertritt, hat mit dem katholischen Glauben rein gar nichts mehr zu tun.
Denn eine halbe Wahrheit ist immer eine ganze Unwahrheit.
Diese Franziskuskirche ist aufgebaut auf der Rechtfertigung von Sünde und Schwachheit, also eigentlich auf dem Treibsand der Liebe zur Sünde.
Dieser pervertierten Liebe wird dann ein hübsches Gewand umgelegt und als Neue Barmherzigkeit verkauft.
Na ja, Heinrich wollte Ruhe in seinem Reich haben.
Schade, dass Luther nicht in England war, man haette ihn bestimmt gerichtet.