(Rom) Papst Franziskus hat sich schriftlich an Kardinal Reinhard Marx gewandt, weil er wegen „der ökonomischen Zukunft des Heiligen Stuhls“ besorgt ist.
Über den Brief des Kirchenoberhaupts an den mächtigen, deutschen Kardinal berichtete Francis X. Rocca, der Vatikanist des Wall Street Journal. Franziskus habe den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz ersucht, „alle notwendigen Möglichkeiten“ zu studieren, „um die ökonomische Zukunft des Heiligen Stuhls zu sichern“.
An Kardinal Marx wandte sich der Papst offiziell allerdings nicht in seiner Funktion als DBK-Vorsitzender, sondern als Kardinal-Koordinator des Päpstlichen Wirtschaftsrates. Der Rat wurde von Franziskus im März 2014 errichtet und wird seither von Marx geleitet. Zudem ist der Erzbischof von München und Freising auch Mitglied des C9-Kardinalsrats, der derzeit nur mehr sechs Mitglieder zählt, die Franziskus bei der Leitung der Weltkirche und der Reform der Römischen Kurie beraten.
Das nun vom Wall Street Journal bekanntgemachte Schreiben von Franziskus an Marx stammt bereits vom vergangenen Mai. Grund ist das Defizit des Heiligen Stuhls, das sich im vergangenen Jahr auf 76,7 Millionen Dollar verdoppelte, das entspricht rund 70 Millionen Euro.
Vor sechs Jahren, so die New Yorker Wirtschaftszeitung, hatte Franziskus versprochen, die Vatikanfinanzen neu zu ordnen. Den Worten seien aber keine wirksamen Taten gefolgt, so Rocca. Der Generalrevisor der Vatikanfinanzen, Libero Milone, auch von Franziskus ernannt, wurde vor zwei Jahren vor die Tür gesetzt. Etwa zur selben Zeit verließ der Präfekt des ebenso von Franziskus errichteten Wirtschaftssekretariats, Kardinal George Pell, den Vatikan – von Franziskus im Stich gelassen. Weder die eine noch die andere Position wurde nachbesetzt.
Laut dem Wall Street Journal leide der Vatikan an einem Überschuß an Angestellten, einem zu großen Fuhrpark und einer schlechten Verwaltung des römischen Immobilienbesitzes. Zudem wurde durch den Finanzskandal an einem katholischen Krankenhaus ein Finanzloch gerissen. Papst Franziskus wollte, daß eine US-amerikanische Stiftung in der Sache einspringt, was – wegen des Falls McCarrick und insgesamt wegen der Agenda von Papst Franziskus – wiederum dort zu Spannungen führte.
Laut dem Wall Street Journal hat der Heilige Stuhl die Absicht, im Herbst erstmals wieder seit 2015 eine Jahresbilanz zu veröffentlichen.
Kardinal Marx ist, wie gesagt, vom Papst nicht als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz aktiviert worden. Allerdings, was sich nicht ausblenden läßt, ist die Kirche in der Bundesrepublik Deutschland eine reiche Ortskirche, im Vergleich zu zahlreichen anderen Ortskirchen sogar superreich. Auch die jüngst von ihr veröffentlichten Zahlen ergaben, daß die Kirchensteuereinnahmen trotz anhaltender Kirchenaustritte einen neuen Rekord erreicht haben.
Aufmerksame Beobachter registrieren, daß immer Geld im Spiel ist, wenn Kardinal Marx auf internationaler Ebene Erwähnung findet. Nicht nur in Rom sehen manche eine Gefahr darin, den Heiligen Stuhl von deutschem Geld abhängig zu machen. Der daraus erwachsende Einfluß zeitigte in Vergangenheit nicht überall positive Folgen wie die Vorbereitungen zur bevorstehenden Amazonassynode zeigen, die vor allem Brasilien betrifft. Brasilien ist auch das zahlenmäßig weitaus bedeutendste Land, in dessen Ortskirche seit Jahrzehnten wie kaum in eine andere deutsches Geld geflossen ist, und die seit Jahrzehnten am massivsten befreiungstheologisch unterwandert ist.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: The Wall Street Journal (Screenshot)