
(Rom) Am 28. Juni 2018 kreierte ihn Papst Franziskus überraschend zum Kardinal. Nun könnte Giuseppe Petrocchi nächster Kardinalpräfekt der römischen Kleruskongregation werden. Vielleicht sogar pünktlich zur Amazonassynode, die den radikalsten Eingriff in das Fachgebiet der Kleruskongregation der Kirchengeschichte bringen könnte.
Giuseppe Petrocchi wurde am 8. Juni 2013 vom argentinischen Papst zum Erzbischof von L’Aquila in den Abruzzen ernannt, jener Stadt, die 1230 unter Kaiser Friedrich II. errichtet und 1254 unter seinem Sohn, Konrad IV., der nicht nur König des deutschen Reiches, sondern auch von Sizilien war, fertiggestellt wurde. 1257 wurde das Bistum L’Aquila errichtet, das seit 1876 Erzbistum ist.
2018 machte ihn Franziskus, als ersten Bischof der Stadt, zum Kardinal. Zum ersten Jahrestag der Kardinalserhebung schrieb die Lokalzeitung Il Centro vergangene Woche den Artikel: „Ein Jahr als Kardinal, Petrocchi auf dem Weg nach Rom“.
Il Centro ist mit 60 Prozent Marktanteil die führende Tageszeitung der Abruzzen und gehört zur linken L‘Espresso-Verlagsgruppe. Zu dieser Gruppe gehören auch die Tageszeitungen La Repubblica, die einzige Tageszeitung, die Papst Franziskus laut eigenen Angaben täglich liest, und La Stampa, zu der das Nachrichtenportal Vatican Insider gehört, das bis Dezember 2018 vom päpstlichen Hausvatikanisten Andrea Tornielli koordiniert wurde.
Zu Kardinal Petrocchi heißt es in dem Artikel:
„Für ihn redet man in kirchlichen Kreisen mit Nachdruck von einem bereitstehenden Posten als Präfekt der Kleruskongregation, der ‚Priesterfabrik‘: Klerusamt, Priesterseminare, Dispensen, aber auch Verwaltung, einen Zweig, für den Petrocchi seit seinem Mandat in Latina einen guten Ruf genießt. Sollte dem so sein, würde Petrocchi den Platz eines anderen Purpurträgers übernehmen, von Beniamino Stella, Neffe von Constantino [Stella], Erzbischof von L’Aquila von 1950 bis 1973.“
Kardinal Beniamino Stella vollendet im kommenden August sein 78. Lebensjahr. Papst Franziskus könnte ihn bis zum 80. Geburtstag im Amt belassen, wie er es mit Kardinal Francesco Coccopalmerio tat. Coccopalmerio blieb bis einen Monat nach seinem 80. Geburtstag im März 2018 Vorsitzender des Päpstlichen Rats für die Gesetzestexte. Auch seither hält ihn Franziskus in seiner unmittelbaren Nähe, wenn auch ohne offizielles Kurienamt.
Stella, den ehemaligen Direktor der Päpstlichen Diplomatenakademie, ernannte Franziskus im September 2013 zum Präfekten der Kleruskongregation und kreierte ihn im Februar 2014 zum Kardinal. Stella war die erste Neubesetzung eines Präfekten an der Spitze einer römischen Kongregation und bedeutete zugleich mit Kardinal Mauro Piacenza die erste Abberufung eines bekannten Ratzingerianers.
Der Austausch hatte nicht nur damit zu tun, daß Franziskus sich vor allem auf das Corps der Vatikandiplomaten stützt, sondern fällt unter das Kapitel „Vergeltung“. Papst Benedikt XVI. hatte durch Piacenza den brasilianischen Kardinal Claudio Hummes als Präfekten der Kleruskongregation ersetzt, der zu den Wählern von Papst Franziskus und zu seinen engsten Vertrauten zählt. Der Brasilianer spielt heute eine zentrale Rolle bei der umstrittenen Amzonassynode, die von Franziskus für kommenden Oktober einberufen wurde.
Während sich Hummes für verheiratete Priester und Priesterinnen aussprach, unterstützte Piacenza den Versuch von Benedikt XVI. das Verständnis vom sakralen Priestertum neu zu wecken. Der Wechsel von Hummes zu Piacenza war erfolgt, nachdem das Bemühen von Benedikt XVI., den heiligen Pfarrer von Ars zum Patron und Vorbild für die Priester zu machen, gescheitert war. Hummes und andere progressive Kirchenkreise in- und außerhalb der Römischen Kurie hatten diesen Schritt durch Boykott hintertrieben, weil sie den heiligen Johannes Maria Vianney – natürlich nur hinter vorgehaltener Hand – als einen inakzeptablen Rückschritt zu einem „vorkonziliaren“ Priesterverständnis ablehnten.
Mit der Person des jeweiligen Präfekten der Kleruskongregation hängt somit das Verständnis vom Priestertum zusammen. Mit der Amazonassynode steht das Priestertum, folgt man den bisherigen Aussagen und Andeutungen engster Papst-Vertrauter und von Papst Franziskus selbst, vor einem Paradigmenwechsel revolutionären Ausmaßes. Ein Wechsel an der Spitze der Kleruskongregation wäre vor allem vor diesem Hintergrund zu sehen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)