(Brüssel) Die belgischen Oberen der Broeders van Liefde wurden vom Generaloberen des Ordens abgesetzt. Dies berichtete der größte flämische Medienverlag Mediahuis.
Die Broeders van Liefde (Brüder der Liebe) sind ein katholischer Hospitalorden, der 1807 von Kanonikus Petrus Triest in der damals französisch besetzten Stadt Gent gegründet wurde und seither zahlreiche karitative und erzieherische Aufgaben übernahm. In Belgien besitzt er fast ein Oligopol in Teilen der Sozialfürsorge mit insgesamt rund 13.000 Angestellten und wird vom Staat stark unterstützt.
Euthanasie in ordenseigenen Einrichtungen „im Angebot“
Im vergangenen Jahr geriet der belgische Ordenszweig in die Schlagzeilen. Seit dem 27. April bietet der Orden auf Beschluß die Provinzoberen auch in seinen Einrichtungen (Krankenhäuser, Altenpflege, Behindertenfürsorge) Euthanasie an. Dem Orden gehören allein 15 psychiatrische Anstalten. Bei der stationären Behandlung psychisch Kranker verfügt er über ein Quasi-Monopol. Psychisch kranke Menschen sind durch das Euthanasiegesetz besonders gefährdet.
In Belgien wurde die Euthanasie 2002 legalisiert. Seither wurde der Zugang mehrfach erweitert. Die letzte Hinrichtung aufgrund eines regulären Gerichtsurteils fand 1950 statt. 1996 wurde die seither nicht mehr verhängte Todesstrafe auch formal abgeschafft. Dennoch gibt es seit 2014 keine Phase des Lebens mehr, die in Belgien uneingeschränkt unter dem Schutz des Gesetzes steht.
1990 wurde die Tötung ungeborener Kinder legalisiert, 2002 die Tötung unheilbar Kranker. Seither fielen weitere Schranken. Inzwischen können Angehörige die Tötung beantragen, wenn der Betroffene dazu nicht mehr imstande sein sollte. Seit 2014 dürfen Eltern oder gesetzliche Erziehungsberechtigte auch für Minderjährige Kinder die Tötung beantragen. Alles geschieht „im Namen der Humanität“ und unter dem Vorwand, „unnötiges Leiden zu verhindern“.
Mehrere Erhebungen erhaben zugleich, daß die gesetzlich vorgesehenen Kontrollmechanismen nicht ausreichend funktionieren.
Auf die Euthanasielegalisierung hatte der Hospitalorden 2002 noch ablehnend reagiert. Seither hat sich die Position des Ordens um 180 Grad gedreht. In Belgien herrscht ein starker öffentlicher Druck, die legale Euthanasie umzusetzen. Die „Kultur des Todes“ genießt den Status einer unausgesprochenen Staatsdoktrin. Die starke finanzielle Abhängigkeit der Ordenseinrichtungen vom Staat bietet eine offene Flanke. Der Druck der Öffentlichkeit, der noch größere finanzielle Druck des Staates und eine falsch verstandene Humanität führte zum Seitenwechsel des ersten katholischen Ordens von der Kultur des Lebens zu einer Kultur des Todes.
Der Widerstand des Generaloberen René Stockman
Der Beschluß der Broeders van Liefde löste unter Katholiken großes Entsetzen aus. Die katholische Kirche ist die einzige internationale Großinstitution, die das Leben als heilig erachtet und verteidigt. Die belgischen Broeders van Liefde sind der erste katholische Orden, der einen gegenteiligen Beschluß faßte.
Gegen den Beschluß stellte sich der Generalobere des Ordens, der aus dem belgischen Ordenszweig stammende, René Stockman.
Im August 2017 stellte die römische Glaubenskongregation dem belgischen Ordenszweig ein Ultimatum und forderte ihn auf, zur Lehre der Kirche zurückzukehren, „die immer gelehrt hat, daß das Menschenleben von der Zeugung bis zum natürlichen Tod absolut respektiert und geschützt werden muß“.
Jeder einzelne Ordensbruder der belgischen Provinz sollte ein entsprechendes Bekenntnis unterschreiben. Gegen jene, die das Dokument nicht unterschreiben sollten, werde ein kirchenrechtliches Verfahren eingeleitet, hieß es damals.
Die belgischen Broeders ließen das Ultimatum verstreichen und gaben Mitte September 2017 bekannt, an ihrem Euthanasiebeschluß festzuhalten und in ihren Kranken- und Behinderteneinrichtungen auch weiterhin Menschen in den „guten Tod“ schicken zu wollen. Die Provinzoberen verwiesen dabei auf geltendes Recht, das sie umsetzen würden.
Im Oktober lud der Vatikan die belgische Ordensführung nach Rom ein. Die Rede war von einer „letzten Gelegenheit“ für die Broeders, sich von der Euthanasie zu distanzieren. Am 2. Oktober schrieb Generalobere René Stockman:
„Auf diese Weise wird der Organisation der Broeders van Liefde in Belgien eine letzte Gelegenheit geboten, sich der Lehre der katholischen Kirche anzugleichen.“
Neuer Vorwurf: Gelder veruntreut
Seither blieb es still. Bis zum vergangenen Mittwoch, als Mediahuis berichtete, daß zwei „ungehorsame“, flämische Ordensverantwortliche vom Generaloberen abgesetzt wurden. Die belgische Tageszeitung La Libre berichtete, daß unter den belgischen Brüdern „Aufregung und Besorgnis“ herrschen. Allerdings nicht wegen der Einführung der Euthanasie, sondern wegen der römischen Intervention dagegen.
Die Maßnahme des Generaloberen richtet sich gegen Bruder Luc Lemmens (61) und gegen Bruder Veron Raes (57). Ihnen wurde vergangene Woche aus dem Generalhaus des Ordens der Verlust ihrer Ämter mitgeteilt. Luc Lemmens war bisher Regionaloberer für Belgien, Veron Raes war Provinzoberer für ganz Europa.
Generaloberer Stockman wirft ihnen laut belgischen Medien nicht nur den Euthanasiebeschluß vor, sondern auch eine Million Euro der Bruderschaft veruntreut zu haben, um eine Privatstiftung zu gründen.
Der belgische Ordenszweig sei „schockiert“ über das römische Eingreifen, so La Libre, und befürchte eine „Restauration“ des Ordens durch den Generaloberen.
Auf dem Internetauftritt des belgischen Ordenszweiges findet sich kein Hinweis auf die römische Maßnahme. Lemmens scheint noch als Regionaloberer für Belgien auf.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Broders van Liefde (Screenshots)