(Hannover) Die „Gleichheit“, deren Instrumentalisierung derzeit in Mode ist, weist einige Lücken auf. Beleg ist das bisher ausbleibende Interesse der Massenmedien für eine Nachricht, die seit einigen Tagen in den sozialen Netzwerken und Nischenmedien die Runde macht. Prinzessin Alexandra von Hannover wurde von der britischen Thronfolge ausgeschlossen. Obwohl die Gazetten täglich mit allerlei Belanglosigkeiten über die Royals gefüllt werden, blieb ein so grundsätzliches Thema bisher unbeachtet.
Alexandra Charlotte Ulrike Maryam Virginia von Hannover wurde 1999 im österreichischen Vöcklabruck geboren. Sie ist das einzige Kind von Caroline von Monaco und Ernst August V. Prinz von Hannover. Die junge Prinzessin steht in der Thronfolge für das Fürstentum Monaco, wo ihre Mutter herstammt, an zwölfter Stelle. Ihre Großeltern mütterlicherseits waren Fürst Ranieri III. und Fürstin Grace Kelly. Ihr Ururgroßvater väterlicherseits war der letzte deutsche Kaiser, Wilhelm II. Und Königin Victoria von Großbritannien war eine Urururgroßtante.
Über ihren Vater hat sie deshalb auch einen Platz in der britischen Thronfolge. Und genau damit hat die jüngste Nachricht zu tun.
Katholiken von der britischen Thronfolge ausgeschlossen
Das Haus Hannover ist eine jüngere Linie des berühmten Welfengeschlechts, einer der ältesten deutschen Hochadelslinien. 1714 gelangte das Haus Hannover sogar auf den britischen Königsthron. 123 Jahre wurden Hannover und Großbritannien in Personalunion regiert. Da Hannover nach salischem Recht nur eine männliche Erbfolge kennt, trennten sich die beiden Länder 1837 in zwei Linien des Hauses.
Alexandras Vater Ernst August V., Oberhaupt des Hauses Hannover, bis 1806 Kurfürsten, dann Könige, verlor seinen Anspruch auf den britischen Thron durch die Ehe mit Caroline von Monaco. Wie das? In der britischen Thronfolge ist viel erlaubt, nur eines nicht, weder ein Thronprätendent noch der Ehegatte dürfen katholisch sein.
Prinzessin Alexandra behielt ihren Thronanspruch, weil sie protestantisch getauft wurde. Doch das hat sich inzwischen geändert. Alexandra konvertierte vor kurzem zum katholischen Glauben. Prompt wurde sie von der britischen Thronfolge ausgeschlossen, wie dies für alle Katholiken seit dem Act of Settlement von 1701 der Fall ist.
Heinrich VIII. und die Unterwerfung der Kirche
Um das zu verstehen, muß noch weiter in der Geschichte zurückgegangen werden, nämlich bis in die Zeit der Reformation und ihren (negativen) Folgen.
Unter Heinrich VIII., König von England aus dem Haus Tudor, setzte eine grausame Verfolgung der Katholiken ein, da er 1534 – wegen der vom Papst verweigerten Scheidung einer sakramental gültigen Ehe – eine von Rom getrennte Nationalkirche, die anglikanische Kirche, ins Leben rief. Er nahm der Kirche aus Willkür die Unabhängigkeit und unterwarf sie der Königsmacht. Heinrich ließ sich selbst zum Oberhaupt der Kirche ausrufen. Wer den Eid verweigerte, mit dem dieser Willkürakt anerkannt wurde, hatte sein Leben verwirkt. Der Grund dieses Bruchs war ein fehlender Thronerbe. Seine rechtmäßige Frau, Katharina von Aragon, hatte ihm zwar mehrere Kinder geschenkt, auch Söhne, doch nur eine Tochter überlebte das Kleinstkindalter.
Tragische Ironie der Geschichte: Obwohl der König nach dem Bruch mit Rom und des Ehesakraments entledigt noch fünfmal heiratete und dafür mehrere seiner Frauen hinrichten ließ, konnte er die männliche Thronfolge dennoch nicht sichern. Der einzige Sohn, der ihn überlebte, starb bereits im Alter von 15 Jahren, ohne je selbst regiert zu haben.
Bis heute überleben aber der von ihm verursachte Bruch mit der katholischen Kirche und die Existenz der anglikanischen Kirche.
Katholische Restaurationsversuche
Wiederholt kam es zu katholischen Restaurationsversuchen, die jedoch gewaltsam unterdrückt wurden. 1553 bestieg Maria I. den Thron, die Tochter Heinrichs VIII. und seiner rechtmäßigen Frau Katharina von Aragon, und damit einzige legitime Thronprätendentin. Sie starb aber bereits 1558 kinderlos. Ihr folgte ihre anglikanische Stiefschwester Elisabeth I. auf den Thron. Das Andenken an die katholische Königin wurde ausradiert und mit Schmutz beworfen. Noch heute ist sie im kollektiven Gedächtnis in der protestantischen Geschichtsverzerrung als „Bloody Mary“ bekannt. Elisabeth I. ließ ihre Halbschwester in Westminster unter sich begraben. Selbst im Tod sollte die katholische Königin keine Sichtbarkeit durch ein Grab erhalten.
1603, nach dem Tod von Elisabeth I., ging der englische Thron – wieder eine Ironie der Geschichte – an das katholische, schottische Königshaus Stuart über. Wegen der strikten antikatholischen Feindschaft der englischen Eliten und ebensolcher Schwierigkeiten in Schottland, seit dem Sturz von Königin Maria Stuart, die von Elisabeth I. hingerichtet wurde, waren die Stuart-Könige aber formal protestantisch. König Karl II. wagte erst auf dem Sterbebett 1685 zur katholischen Kirche zu konvertieren.
Auf ihn folgte sein Bruder Jakob II., der bereits Katholik war, weshalb es zu gewaltsamer Auflehnung gegen ihn kam in der Revolution von 1688/1689, die vom Großteil der englischen Geschichtsschreibung als „Glorious Revolution“ bezeichnet wird. Der Sieger schreibt bekanntlich die Geschichte. 1688 wurde der letzte katholische König gestürzt und ins Exil geschickt. Viele Katholiken verloren ihr Leben.
Die katholischen Stuarts versuchten noch mehr als ein halbes Jahrhundert den Thron von England und besonders den Thron von Schottland zurückzugewinnen, zuletzt 1745/1746. Der letzte Stuart und direkte Thronprätendent, Henry Benedict Stuart – er wäre als Heinrich IX. König von England geworden – starb 1807 in der Nähe von Rom als Kardinal der katholischen Kirche. Zuletzt bekleidete er das ranghöchste Amt im Kardinalskollegium, das des Kardinaldekans.
Act of Settlement
Um ein für allemal die „Gefahr“ eines katholischen Königs auszuschließen, wurde 1701 mit tatkräftiger Unterstützung der anglikanischen Hierarchie in England der Act of Settlement erlassen und 1707 mit dem Act of Union, mit dem die Vereinigung des Königreiches England und des Königreiches Schottland vollzogen wurde, auch auf Schottland ausgedehnt.
Erst seit dem Abkommen von Perth von 2011, das 2015 in Kraft trat, dürfen britische Thronprätendenten auch Katholiken heiraten. Aufrecht ist aber nach wie vor der Ausschluß der Katholiken von der Thronfolge.
Konkret ändert dieser Ausschluß für Prinzessin Alexandra von Hannover nichts, da sie erst an 419. Stelle der britischen Thronfolge steht. Dennoch erstaunt es, daß ein Land, dessen Eliten sich ihrer Toleranz rühmen, manchmal zurecht, manchmal nur dank eines Blickes durch die ideologische Brille, seit mehr als 300 Jahren ein Gesetz verteidigt, das die Katholiken diskriminiert. Im Laufe ihrer Regierung, die bereits seit 65 Jahren dauert, konnte Königin Elisabeth II. mehrfach erleben, wie Katholiken oder mit Katholiken verheiratete Prätendenten von der Thronfolge ausgeschlossen wurden.
Zuletzt traf es zum Millenniumswechsel Lord Nicholas Windsor, den jüngsten Sohn des Herzogs von Kent. Sein Vater, der Herzog, ein Cousin der Königin, ist direktes Mitglied der Königlichen Familie. Zudem ist er auch Großmeister der Vereinigten Großloge von England, der Mutterloge aller Freimaurerlogen weltweit. Sein jüngster Sohn Lord Nicholas Windsor hingegen studierte in Oxford Theologie und konvertierte 2001 zum katholischen Glauben. Damit verlor er seinen damals 33. Platz in der Thronfolge. Auch seine Mutter, die Herzogin von Kent, wurde katholisch.
Das Königshaus schweigt zu solchen Ausschlüssen von der Thronfolge. Der Grund dürfte derselbe sein, weshalb die ersten Stuarts auf dem englischen Thron sicherheitshalber ihre Katholizität hinter einem formalen Protestantismus versteckten, oder das regierende Haus Windsor während des Ersten Weltkrieges seinen deutschen Namen Sachsen-Coburg und Gotha ablegte.
„Großbritannien ist noch ein offiziell antikatholisches Land“
Daß das Haus Hannover lutheranisch und nicht anglikanisch ist, und der erste englische König aus diesem Haus, Georg I. (1714–1727), sein Leben lang Lutheraner blieb, obwohl er zugleich weltliches Oberhaupt der anglikanischen Staatskirche war, stellte für die britischen Eliten hingegen kein Problem dar. Unter seinem Sohn Georg II. (1727–1760) und seinem Urenkel Georg III. (1760–1820) wurde eine Lutheranisierung der anglikanischen Kirche spürbar.
Das britische Königshaus verfügt nicht mehr über die politische Macht, die ein Heinrich VIII. in Anspruch nehmen konnte. Es spielt gesellschaftlich und kulturell aber eine bedeutende Rolle. Auch diesbezüglich geht es um eine Vorbildwirkung. Vor allem weiß jeder Brite, daß Katholischsein etwas Anrüchiges haben muß, wenn dadurch das formal höchste Amt im Staate verschlossen bleibt.
Im Catholic Herald schrieb der katholische Priester Alexander Lucie-Smith: „Der Fall von Prinzessin Alexandra ruft uns noch etwas in Erinnerung: Großbritannien ist noch ein offiziell antikatholisches Land, weil es Gesetze hat, die die Katholiken diskriminieren. Der britische Staat ist nach wie vor ein protestantischer Staat“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons
Was wäre wohl, wenn jemand wie Sie ausgeschlossen werden würde, weil diese Person z.B. sich zur Homosexualität bekennen würde?
Ich denke, dann würden die großen Medien darüber schreiben…
Danke für dieses Aufklärung, willkommen Schwester Alexandra in der einzig wahren römisch katholischen Kirche, schreibt hier eine direkte Nachfahrin des Beichtvaters von Luther, Johannes Bugenhagens
Die Thronfolge wie sie in den Rechtsakten: Bill of Rights, Act of Settlement und zuletzt im Succession to the Crown Act 2013 (in Folge des „Perth Agreement“ von 2011) geregelt ist, stellt eben Verfassungsrecht dar, das man anzuerkennen hat.
Genanntes Perth Agreement hat den Auschluß der Thronfolge von denjenigen Dynasten beendet, die einen Katholiken ehelichen, um aber um sicher zu stellen, daß der souveräne Monarch immer Angehöriger der Englischen Kirche, dessen Oberhaupt er ja auch ist, ist ein Katholik selbst von der Thronfolge freilich ausgeschlossen.(Oder möchte Giuseppe Nardi etwa anderseits auch, daß ein Protestant zum Römischen Papst erwählt werden könnte???)
Wäre dem nicht so, da die Church of England auch Staatskirche ist, die ganze tradierte Verfassungsordnung wäre umgestürzt.
Man muß schon vor den überlieferten Traditionen und der Verfassung eines Staates wie Großbritannien respektvolles Verständnis aufbringen. Das Telos dieses Artikels ist eine perfide anti-britische Polemik zu kultivieren, wie sie unter Deutschen sehr weit verbreitet ist.
@ J.g.Ratkaj
Bei allem Respekt vor Ihren oft sehr interessanten und klugen Stellungnahmen weise ich diese Kritik am Artikel zurück. Giuseppe Nardi machte sich die Mühe, abseits der aktuellen Berichterstattung tiefer in die Geschichte einzudringen und die Ergebnisse seiner Recherchen der Leserschaft zu präsentieren. Aus diesen geht hervor, daß das Projekt Anglikanische Staatskirche von vorneherein einen tyrannischen und illegitimen Charakter trägt. Damit verbunden war eine blutige Verfolgung der Kirche durch etliche Generationen hindurch, worauf eine unblutige Diskriminierung folgte.
Nicht sehr „glorious“.
Daher müssen weder Katholiken noch sonstige Menschen bonae voluntatis dieses Verfassungsrecht „anerkennen“ oder gar „respektvolles Verständnis aufbringen“! Was für eine Absurdität! An diesem Artikel ist gar nichts „perfide“.
Die blutige Geschichte des anglikanischen (und übrigens auch puritanischen) Englands und seiner Kriegstreiberei (besonders verheerend im Vorspann des großen Krieges von 1914 – 1918) schreit geradezu nach einer kritischen Aufarbeitung!
# Wolfram Schrems zu @J.g.Ratkaj: Danke, Herr Schrems, mit Ihrem Beitrag sprechen Sie mir aus dem Herzen!
Denn nur weil es sich bei etwas Falschem um die „überlieferten Traditionen“ handelt, wird das Falsche nicht richtig und wahr; für diese in falschen Entscheidungen gründenden Traditionen „respektvolles Verständnis“ zu fordern ist schlichtweg absurd.
Meinen Dank an Herrn G. Nardi für seinen gut recherchierten Beitrag.