„Schweigen von Papst Franziskus bedeutet Zustimmung“


Papst Franziskus
Msgr. Carlo Maria Viganò trat einen Monat nach seinem Dossier mit einem neuen Schreiben an die Öffentlichkeit: „Mein Zeugnis ist wahr“.

„Ich weiß, wem ich Glau­ben geschenkt habe.“ Die­sen Vers aus dem Zwei­ten Pau­lus­brief an Timo­theus (2 Tim 1,12) steht im Mit­tel­punkt eines neu­en Schrei­bens, mit dem sich Erz­bi­schof Car­lo Maria Viganò, der ehe­ma­li­ge Apo­sto­li­sche Nun­ti­us in den USA, zu Wort mel­det. Es ist kein zwei­tes Dos­sier, ent­hält aber neue Details und Auf­for­de­run­gen – eine direkt an Kar­di­nal Marc Ouel­let, den Prä­fek­ten der Bischofs­kon­gre­ga­ti­on. Datiert ist das Schrei­ben auf mor­gen, dem Hoch­fest des Erz­engels Micha­el, wur­de aber bereits heu­te von aus­ge­wähl­ten Medi­en veröffentlicht.

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Am ver­gan­ge­nen 26. August war eine Denk­schrift des ein­sti­gen vati­ka­ni­schen Spit­zen­di­plo­ma­ten ver­öf­fent­licht wor­den. Seit­her hüllt sich Papst Fran­zis­kus in Schwei­gen. Aus Rom ist kei­ne Ant­wort auf die schwer­wie­gen­den Anschul­di­gun­gen Viganòs zu hören, der zusam­men mit der Ver­öf­fent­li­chung den Rück­tritt des amtie­ren­den Kir­chen­ober­haup­tes forderte.

Am Diens­tag erwähn­te Fran­zis­kus auf dem Rück­flug von Tal­linn, ohne auf den Inhalt ein­zu­ge­hen, zwar „jenes inzwi­schen berühm­te Schrei­ben“. Viganò nann­te er aber nicht beim Namen. Das scheint zu schwer zu fal­len. Fran­zis­kus sprach ledig­lich von einem „Ex-Nun­ti­us“.

Der „Ex-Nun­ti­us“ trat kaum mehr als 48 Stun­den spä­ter mit einem neu­en Schrei­ben an die Öffentlichkeit.

„Am Anfang die­ses mei­nes Schrei­bens will ich vor allem Gott Vater Dank und Ehre zu erwei­sen für jede Situa­ti­on und jede Prü­fung, die er bestimmt hat, und die er noch in mei­nem Leben für mich wäh­rend bestim­men mag. Wie jeder Getauf­te, als Prie­ster und Bischof der hei­li­gen Kir­che, der Braut Chri­sti, bin ich geru­fen, Zeug­nis für die Wahr­heit zu geben. Unser ein­zi­ger Herr hat auch an mich die Ein­la­dung gerich­tet: ‚Fol­ge mir nach!‘, und ich beab­sich­ti­ge Ihm mit der Hil­fe Sei­ner Gna­de bis zum Ende mei­ner Tage zu nachzufolgen.

„Ich will dem Herrn sin­gen, solan­ge ich lebe,
will mei­nem Gott spie­len, solan­ge ich da bin.
Möge ihm mein Dich­ten gefallen.
Ich will mich freu­en am Herrn.“
(Psalm 104,33–34)

„Qui tacet consentit“

Dann wird der Erz­bi­schof konkreter:

„Inzwi­schen ist ein Monat ver­gan­gen, seit ich ein­zig zum Wohl der Kir­che mein Zeug­nis von dem gege­ben habe, was sich in der Audi­enz mit Papst Fran­zis­kus am 23. Juni 2013 zuge­tra­gen hat und bezüg­lich gewis­ser Ange­le­gen­hei­ten – von denen ich Kennt­nis erlangt habe durch die Auf­ga­ben, mit denen ich im Staats­se­kre­ta­ri­at und in Washing­ton beauf­tragt war – im Zusam­men­hang mit jenen, die ver­ant­wort­lich sind, die Ver­bre­chen des frü­he­ren Erz­bi­schofs jener Haupt­stadt gedeckt zu haben.“

Die Ent­schei­dung, die­se Kennt­nis­se öffent­lich zu machen, sei „die schwer­ste Ent­schei­dung“ sei­nes Lebens gewe­sen. Ihr gin­gen Mona­te „des Nach­den­kens und des Gebets“ vor­aus. „Tau­sen­de zer­stör­te unschul­di­ge Opfer“, „zer­stör­te Prie­ster- und Ordens­be­ru­fun­gen“ und „das Schwei­gen“ der zustän­di­gen Hir­ten haben ihn schließ­lich ver­an­laßt, sei­ne Schwei­ge­pflicht zu bre­chen, um „die Kir­che zu schüt­zen“. Er habe sei­ne Ver­pflich­tun­gen als Diplo­mat stets getreu ein­ge­hal­ten. Aber die Schwei­ge­pflicht, auch die päpst­li­che, zu der er sich als Diplo­mat ver­pflich­te­te, „dient zum Schutz der Kir­che vor ihren Fein­den, nicht um Ver­bre­chen zu decken, die von eini­gen ihrer Glie­der began­gen wur­den, oder um zu ihrem Kom­pli­zen zu werden“.

„Ich erklä­re mit rei­nem Gewis­sen vor Gott, daß mein Zeug­nis wahr ist. Chri­stus ist für die Kir­che gestor­ben, und Petrus, Ser­vus ser­vor­um Dei, ist als erster geru­fen, der Braut Chri­sti zu dienen.“

„Weder der Papst noch irgend­ein ein Kar­di­nal in Rom hat die Fak­ten bestrit­ten, die ich in mei­nem Zeug­nis dar­ge­legt habe. Qui tacet consentit“.

Der Titu­lar­erz­bi­schof sieht das päpst­li­che Schwei­gen als Ein­ge­ständ­nis und Bestä­ti­gung des Wahrheitsgehaltes.

„Wenn sie mein Zeug­nis bestrei­ten woll­ten, hät­ten sie es nur zu tun, und die Doku­men­te zu lie­fern, die ihre Leug­nung stützen.“

Seit 23. Juni 2013 wußte Franziskus, „wie pervers und diabolisch McCarrick handelte“

Spä­te­stens seit dem  23. Juni 2013 habe Papst Fran­zis­kus, so Msgr. Viganò, aus sei­nem eige­nen Mund erfah­ren, „wie per­vers und dia­bo­lisch McCar­ri­ck“ gehan­delt habe. Anstatt Maß­nah­men gegen Theo­do­re McCar­ri­ck, damals noch Kar­di­nal der Kir­che, zu ergrei­fen, „wie es jeder gute Hir­te getan hät­te, mach­te der Papst McCar­ri­ck zu einem der Haupt­ver­tre­ter sei­ner Regie­rung für die USA, die Kurie und sogar für China“.

Die ein­zi­ge Ant­wort des Pap­stes sei gewe­sen: „Ich wer­de dazu kein Wort sagen!“ Dann habe er sein Schwei­gen sogar mit dem Schwei­gen Jesu vor Pila­tus ver­gli­chen, „und mich mit dem gro­ßen Anklä­ger, Satan“.

„Hät­te er gesagt: ‚Viganò hat gelo­gen‘ […], hät­te er die For­de­rung des Vol­kes Got­tes und er Welt ver­stärkt, die not­wen­di­gen Doku­men­te vor­zu­le­gen, um fest­stel­len zu kön­nen, wer von bei­den die Wahr­heit sagt.“

Statt­des­sen habe Papst Fran­zis­kus „eine sub­ti­le Ver­leum­dung gegen mich“ vor­ge­bracht, die er anson­sten „oft ver­ur­teilt“ und sogar als „Töten“ bezeich­net hat­te. Das Schwei­gen des Pap­stes sei „abso­lut nicht ver­ein­bar mit sei­ner For­de­rung nach Transparenz“.

Der Kern des zwei­ten Dos­siers bil­den neue Anschul­di­gung gegen Papst Franziskus.

„McCar­ri­ck gedeckt zu haben, scheint kei­nes­wegs ein iso­lier­ter Feh­ler des Pap­stes gewe­sen zu sein. Vie­le ande­re Fäl­le wur­den jüngst von den Medi­en doku­men­tiert, die bewie­sen haben, daß Papst Fran­zis­kus homo­se­xu­el­le Prie­ster ver­tei­dig­te, die schwe­ren sexu­el­len Miß­brauch von Min­der­jäh­ri­gen und Erwach­se­nen began­gen habe.“

Msgr. Viganò erwähnt den Fall Julio Gras­si in Argen­ti­ni­en und den Fall Mau­ro Inz­o­li in Ita­li­en, aber auch Kar­di­nal Cor­mac Murphy‑O’Connor.

Kardinal DiNardo soll sagen, ob Franziskus Ermittlungen gegen McCarrick ablehnte

Der ehe­ma­li­ge Vati­kan­di­plo­mat erwähnt auch, daß eine Dele­ga­ti­on der Ame­ri­ka­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz mit Kar­di­nal DiNar­do an der Spit­ze von Fran­zis­kus eine vati­ka­ni­sche Unter­su­chung gegen McCar­ri­ck verlangte.

„Kar­di­nal DiNar­do und die ande­ren Prä­la­ten müs­sen der Kir­che in Ame­ri­ka und der Welt sagen: Hat sich der Papst gewei­gert eine Unter­su­chung zu den Ver­bre­chen von McCar­ri­ck und und zu den Ver­ant­wort­li­chen, die sie gedeckt haben, durch­zu­füh­ren? Die Gläu­bi­gen haben ein Recht, das zu wissen.“

In die­sem Zusam­men­hang rich­tet Viganò einen „beson­de­ren Appell an Kar­di­nal Marc Ouel­let“, den Prä­fek­ten der Bischofs­kon­gre­ga­ti­on, für den er „gro­ße Wert­schät­zung“ emp­fin­de, und mit dem er „als Nun­ti­us immer gut zusam­men­ge­ar­bei­tet“ habe. Der Kar­di­nal, der ihn am Ende sei­ner Mis­si­on in Washing­ton zu einem „lan­gen Gespräch“ emp­fan­gen habe, sei am Beginn des der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kats stand­haft gewe­sen. Dann sei er bei den Bischofs­er­nen­nun­gen über­gan­gen wor­den und ein­ge­bro­chen. Msgr. Viganò wird in die­sem Zusam­men­hang noch deut­li­cher und gibt zu ver­ste­hen, daß Kar­di­nal Ouel­let in der wich­tig­sten Auf­ga­be sei­nes Dik­aste­ri­ums, den Bischofs­er­nen­nun­gen, von Homo-Seil­schaf­ten aus­ge­boo­tet wur­de, die „direk­ten“ Zugang zu Papst Fran­zis­kus hät­ten, wäh­rend der zustän­di­ge Prä­fekt fak­tisch vor der Tür drau­ßen blei­ben muß.

Ein lan­ger Auf­satz Ouel­lets im Osser­va­to­re Roma­no, mit dem er die umstrit­ten­sten Tei­le von Amo­ris lae­ti­tia ver­tei­dig­te, habe „sei­ne Kapi­tu­la­ti­on“ signa­li­siert, so Msgr. Viganò. Dann wen­det er sich im Schrei­ben direkt an den Kardinalpräfekten:

„Emi­nenz, bevor ich nach Washing­ton auf­brach, spra­chen Sie zu mir von den Sank­tio­nen von Papst Bene­dikt gegen McCar­ri­ck. Sie haben die wich­tig­sten Doku­men­te zur Ver­fü­gung, die McCar­ri­ck und vie­le, die ihn an der Kurie gedeckt haben, bela­sten. Emi­nenz, ich bit­te sie instän­dig, Zeug­nis für die Wahr­heit zu geben!“

Appell an die Gläubigen: Werdet nie mutlos!

Ein Appell des ehe­ma­li­gen Spit­zen­di­plo­ma­ten gilt auch den Gläubigen:

„Schließ­lich will ich euch ermu­ti­gen, lie­be Brü­der und Schwe­stern in Chri­stus: Seid nie mut­los! Macht euch das Glau­bens­be­kennt­nis und das völ­li­ge Ver­trau­en in unse­ren Herrn Jesus Chri­stus des hei­li­gen Pau­lus im Zwei­ten Brief an Timo­theus zu eigen: ‚Ich weiß, wem ich Glau­ben geschenkt habe‘, das ich zu mei­nem Leit­spruch als Bischof gewählt habe. Das ist eine Zeit der Buße, der Umkehr, der Gna­de, um die Kir­che, die Braut des Lam­mes, dar­auf vor­zu­be­rei­ten, bereit zu sein, mit Maria die Schlacht gegen den höl­li­schen Dra­chen zu kämp­fen und zu siegen.“

„Ich weiß, wem ich Glau­ben geschenkt habe.“

Das Schrei­ben endet mit den Worten:

„Der Herr steht fest am Steu­er­ru­der des Schiffes!

Chri­stus, die Wahr­heit, möge immer das Licht eures Weges sein!

29. Sep­tem­ber 2018, Fest des hei­li­gen Erz­engels Michael

+ Var­lo Maria Viganò

Titu­lar­erz­bi­schof von Ulpiana
Apo­sto­li­scher Nuntius“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana/​Edward Pentin/​NCR

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