(Rom) Papst Franziskus gratulierte dem Dominikaner Gustavo Gutierrez, dem „Vater“ der marxistischen Befreiungstheologie, zum 90. Geburtstag.
Das katholische Kirchenoberhaupt ließ dem peruanischen Theologen ein Glückwunschschreiben zukommen. Es handelt sich um eine Auszeichnung, die dem Befreiungstheologen zum ersten Mal in seinem Leben zuteil wird. Das Verhältnis zu Rom war lange Zeit ganz anders.
Das päpstliche Schreiben ist mit 28. Mai datiert. Gutierrez wurde am 8. Juni 1928 in Lima geboren. Mit seinem 1971 erschienenen Buch Teología de la liberación („Theologie der Befreiung“, deutsche Ausgabe 1973) prägte er den Namen für eine ganze Richtung, deren Strömungen auf unterschiedliche Weise eine Allianz zwischen Christentum und Marxismus suchten und zum Teil noch immer suchen.
Den ersten Kontakt zwischen Gutierrez und Papst Franziskus während des derzeitigen Pontifikats stellte im Herbst 2013 der damalige Glaubenspräfekt Gerhard Müller her. Perus Primas, Juan Luis Kardinal Cipriani Thorne, meinte damals, „Müller ist ein guter Theologe, aber ein bißchen naiv“. Für das plötzliche Hofieren von Gutierrez und der Befreiungstheologie durch Rom konnte der peruanische Kardinal kein Verständnis aufbringen. Cipriani Thorne ließ keinen Zweifel daran, daß die Befreiungstheologie, ein Name, den Gutierrez prägte, der Kirche „großen Schaden“ zufügte. Er wisse auch nicht, ob sich Gutierrez „korrigiert hat“, so der Kardinal.
Damals war noch nicht bekannt, welche Sympathien Papst Franziskus für linke, ja sogar linksradikale Bewegungen und Parteien hegt, besonders in Lateinamerika.
Seit Herbst 2013 wurde Gutierrez dreimal von Franziskus empfangen, zuletzt im vergangenen Januar in der Apostolischen Nuntiatur in Lima. Das Glückwunschschreiben im Wortlaut :
Lieber Bruder:
Anläßlich Deines 90. Geburtstages schreibe ich Dir, um Dir zu gratulieren und Dich in diesem bedeutenden Moment Deines Lebens meines Gebets zu versichern.
Ich schließe mich Deinem Dank für Gottes Gnaden an und danke Dir auch für das, was Du für die Kirche und die Menschheit getan hast durch Dein theologisches Dienen und Deine bevorzugte Liebe für die Armen und die aus der Gesellschaft ausgestoßenen. Danke für alle Anstrengungen und für Deine Form das Gewissen eines jeden Einzelnen anzusprechen, damit niemand gleichgültig bleibt, gegenüber dem Drama der Armut und des Ausgeschlossenseins.
Mit diesen Wünschen ersuche ich Dich, damit Du mit Deinem Dienst und Deinem Gebet fortzufahren und Zeugnis von der Freude des Evangeliums zu geben.
Und, bitte, ich bitte Dich für mich zu beten.
Möge Jesus Dich segnen und die heilige Jungfrau Dich behüten.
Brüderlich
Francisco
Tempora mutantur.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL
Das Drama der Armut? Keuschheit, Armut, Gehorsam sind doch kein Drama per se?
Da brauchen die Reichen oft mehr Gebet.