(Rom) Papst Paul VI. wird heiliggesprochen. Die Kardinäle haben gestern das dazu nötige Wunder anerkannt. Die Letztentscheidung steht zwar Papst Franziskus zu, doch dürfte seiner Zustimmung nichts mehr im Wege stehen.
Die römische Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse setzte einstimmig den vorletzten Schritt, und machte damit den Weg für die Heiligsprechung von Papst Paul VI. frei, der von 1963–1978 regierte. In dessen Amtszeit fallen kontroverse und gegensätzliche Entwicklungen. Am Beginn seiner Amtszeit gefeiert, setzte er das Zweite Vatikanische Konzil fort und führte 1965 und besonders radikal 1969 zwei Liturgiereformen durch. Von ihm stammt die Enzyklika Humanae vitae, die im Kontext von 1968 als prophetisch zu bezeichnen ist. Er war in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit zunehmend ein „einsamer Papst“.
Die Gründe dafür sind vielschichtig. Sie haben damit zu tun, daß die Umbrüche in Mentalität und Gesellschaft der Kirche nicht den erhofften „Frühling“ brachten, der mit dem Konzil erhofft worden war. Zudem distanzierten sich ehemalige Weggefährten, als der Papst im Laufe seines Pontifikats von der progressiven Agenda, die er zunächst tatkräftig unterstützt hatte, abrückte.
Heiligsprechung von Paul VI. „wahrscheinlich im Oktober“
Der päpstliche Hausvatikanist Andrea Tornielli nannte gestern „wahrscheinlich Oktober“ als Datum für die Heiligsprechung. Giovanni Battista Montini, so der bürgerliche Name von Papst Paul VI., starb im August 1978. In wenigen Monaten jährt sich sein 40. Todestag. An diesem Tag wird die Heiligsprechung aber nicht stattfinden. In Rom stehen die Räder im August weitgehend still. Vor allem aber, so gibt es Tornielli zu verstehen, soll die Heiligsprechung mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in Verbindung gebracht werden.
Das gestern anerkannte Wunder betrifft die medizinisch nicht erklärbare Heilung eines damals, 2014, noch ungeborenen Mädchens aus der norditalienischen Provinz Verona. Der Fall wurde in den vergangenen Jahren studiert.
In der 13. Schwangerschaftswoche wurden Pathologien festgestellt, die das Leben des Kindes und der Mutter in Frage stellten. Da sich der Gesundheitszustand verschlechterte, wurde der Mutter eine Abtreibung empfohlen. Vanna Pironato, so der Name der damals 35 Jahre alten Mutter, und ihr Mann entscheiden sich jedoch für das Leben und die Fortsetzung der Schwangerschaft.
Am 19. Oktober 2014 fand die Seligsprechung Pauls VI. statt. Das Wunder, das die Seligsprechung möglich machte, wie das Ehepaar damals über die Medien hörte, betraf ein ungeborenes Kind. Am 29. Oktober unternahm das Ehepaar eine Wallfahrt zur Gnadenmutter von Brescia, einem Wallfahrtsort, der Paul VI. besonders kostbar war. Dort feierte der junge Montini am Tag nach seiner Priesterweihe die Primiz.
Sie nahmen im Gebet ihre Zuflucht zu ihm und riefen ihn für ihr Kind als Fürsprecher vor Gott an. Die Schwangerschaft wurde durch die Entschlossenheit des Ehepaars Pironato trotz ständigen Fruchtwasserverlustes fortgesetzt. In der 26. Schwangerschaftswoche kam ihre Tochter Amanda Maria Paola, zum Staunen der Ärzte, völlig gesund zur Welt und ist es auch heute.
In den kommenden Tagen wird Kardinalpräfekt Angelo Amato dem Papst die Entscheidung der Kongregation mitteilen. Die Letztentscheidung des Papstes wird dieser beim nächsten Kardinalskonsistorium bekanntgeben. Die Heiligsprechung wird, so Tornielli, „wahrscheinlich“ im Rahmen der Jugendsynode stattfinden.
Da sie zudem mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in Zusammenhang gebracht werden soll, kommen nur die drei ersten Sonntage im Oktober in Betracht. „Am wahrscheinlichsten“ sei der 21. Oktober, so Tornielli.
Der „große Steuermann des Konzils“
Papst Franziskus, wie der päpstliche Hausvatikanist erinnert, bezeichnete Paul VI. als „demütigen und prophetischen Zeugen der Liebe zu Christus und Seiner Kirche“. Er sei der „großer Steuermann des Konzils“ gewesen. „Während sich eine säkularisierte und feindselige Gesellschaft abzeichnete, wußte er mit weitblickender Klugheit – und manchmal Einsamkeit – das Ruder des Schiffes des Petrus zu führen, ohne je die Freude und das Vertrauen in den Herren zu verlieren.“
Manche sehen die bevorstehende Heiligsprechung etwas skeptischer. Kritisiert wird dabei grundsätzlich der ungewöhnliche Drang, alle Päpste seit dem Konzil auf die Altäre zu erheben. Die Heiligsprechung von Päpsten ist in der Geschichte tatsächlich keine Seltenheit, doch wurde nur eine kleine Minderheit kanonisiert. Es entstehe daher der Eindruck, als solle mit der Heiligsprechung der Konzilspäpste das Konzil „geheiligt“ werden.
Zudem stehe die Heiligsprechung in einem potentiellen Kontrast zu Bestrebungen, das bedeutendste Dokument von Paul VI., die Enzyklika Humanae vitae, einer „Überprüfung“ zu unterziehen und sind darüber ziemlich besorgt.
Wird Paul VI. heiliggesprochen, aber Humanae vitae entsorgt?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican Insider/HLI/MiL /Screenshots)