Belgischer Orden trotzt Rom: „Wir werden weiter Patienten töten“


Broeders van Liefde halten trotz römischem Ultimatum an ihrem Euthanasiebeschluß fest.
Broeders van Liefde halten trotz römischem Ultimatum an ihrem Euthanasiebeschluß fest.

(Brüs­sel) Die Broe­ders van Lief­de (Brü­der der Lie­be) der bel­gi­schen Ordens­pro­vinz – der Orden wur­de in Bel­gi­en gegrün­det – for­dern auch Papst Fran­zis­kus her­aus: Sie wol­len an ihrem Eutha­na­sie­be­schluß fest­hal­ten und in ihren Kran­ken- und Behin­der­ten­ein­rich­tun­gen auch wei­ter­hin Men­schen in den „guten Tod“ schicken.

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Weder die Inter­ven­ti­on des Gene­ral­obe­ren des Ordens noch die Auf­for­de­rung des Vati­kans, den Beschluß vom Früh­jahr zurück­zu­neh­men, und sich vom bel­gi­schen Eutha­na­sie­ge­setz fern­zu­hal­ten, haben die bel­gi­schen „Brü­der der Lie­be“, ein Hos­pi­tal­or­den, zur Ver­nunft gebracht. In den fünf­zehn vom Orden geführ­ten Kran­ken­häu­sern wol­len sie auch wei­ter­hin ihren psy­chisch kran­ken Pati­en­ten die Eutha­na­sie „anbie­ten“.

Im April hat­te die Ordens­pro­vinz bekannt­ge­ge­ben, sich als erster katho­li­scher Orden der Kul­tur des Todes zu öff­nen. In einem aus­führ­li­chen Papier begrün­de­ten die Ordens­brü­der ihren Beschluß, der sich auf ver­blüf­fen­de Wei­se mit dem in Bel­gi­en vor­herr­schen­den Zeit­geist deckt, mit dem „uner­träg­li­chen Lei­den“ man­cher Pati­en­ten, die der Orden „ernst­neh­me“. Zugleich ver­si­cher­ten sie, das Leben „schüt­zen“ zu wol­len und die Eutha­na­sie nur dann anzu­wen­den, wenn es kei­ne ande­re, ver­nünf­ti­ge Behand­lungs­per­spek­ti­ve für den Pati­en­ten gebe.

Sol­che Ver­si­che­run­gen gaben auch die bel­gi­schen Poli­ti­ker ab, die 2002 das Eutha­na­sie­ge­setz geschlos­sen, um es seit­her mehr­fach „nach­zu­bes­sern“, zuletzt 2014, um nicht weni­ger, son­dern immer mehr Men­schen in den Tod schicken zu kön­nen. Zudem klaf­fen, laut Kri­ti­kern, der Buch­sta­be des Geset­zes und die Eutha­na­sie­pra­xis, vom Staat offen­sicht­lich gedul­det, immer wei­ter aus­ein­an­der. Die Kon­troll­me­cha­nis­men wur­den zum Teil nie akti­viert oder wer­den nicht ernst­haft angewandt.

„Völlige Mißbilligung“ – Römisches Ultimatum

René Stockman, Generaloberer
René Stock­man, Generaloberer

Der Gene­ral­obe­re des Ordens, Bru­der René Stock­man, selbst Bel­gi­er, der aber am Gene­ral­haus des Ordens in Rom sitzt, gab sei­ne „völ­li­ge Miß­bil­li­gung“ des Beschlus­ses sei­ner Mit­brü­der bekannt. Eine euthan­sie­freund­li­che Hal­tung und sogar eine akti­ve Betei­li­gung an der Eutha­na­sie „sind unver­ein­bar mit der Posi­ti­on unse­rer Kongregation“.

Stock­man beließ es nicht bei Wor­ten, son­dern wand­te sich an den Vati­kan, kon­kret an die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on und die Ordens­kon­gre­ga­ti­on. Bei­de Kon­gre­ga­tio­nen lei­te­ten eine Erhe­bung ein und stell­ten gemein­sam der bel­gi­schen Ordens­pro­vinz Anfang August ein Ulti­ma­tum, das – wie der Gene­ral­obe­re beton­te, von Papst Fran­zis­kus gebil­ligt wur­de. Bis Monats­en­de soll­ten sie den Eutha­na­sie­be­schluß zurück­neh­men und eine schrift­li­che Erklä­rung abge­ben, in der sie die Unver­sehrt­heit des Men­schen­le­bens in Über­ein­stim­mung mit der kirch­li­chen Leh­re beken­nen. Die­se Erklä­rung hat­te von jedem Ordens­an­ge­hö­ri­gen per­sön­lich unter­schrie­ben zu werden.

„Wollen weiterhin Patienten töten“

Das Ulti­ma­tum ist ver­stri­chen und am Diens­tag ver­öf­fent­lich­ten die bel­gi­schen Broe­ders auf ihrer Inter­net­sei­te eine neue Erklä­rung,  mit der sie trot­zig beken­nen, „wei­ter­hin“ an ihrem Eutha­na­sie-Beschluß vom April für psy­chisch Kran­ke fest­zu­hal­ten. Dazu erklär­ten sie sich „fest über­zeugt“, daß die­se Pra­xis „mit der katho­li­schen Leh­re ver­ein­bar“ sei. Denn, so die zeit­gei­sti­gen Brü­der, bei der Anwen­dung der kirch­li­chen Leh­re „tra­gen wir immer den Ver­än­de­run­gen und Ent­wick­lun­gen der Gesell­schaft Rechnung“.

Die bel­gi­sche Ordens­pro­vinz legt es damit auf eine direk­te Kon­fron­ta­ti­on mit dem Vati­kan an, der nach dem Ulti­ma­tum gezwun­gen ist, Straf­maß­nah­men gegen die Broe­ders zu ergrei­fen. Die­se könn­ten bis zum Aus­schluß aus der katho­li­schen Kir­che rei­chen. Der Gene­ral­obe­re kün­dig­te das bereits an. Soll­ten sei­ne bel­gi­schen Mit­brü­der der For­de­rung Roms nicht nachkommen,

„wer­den wir ein Ver­fah­ren zum Aus­schluß der [bel­gi­schen] Kran­ken­häu­ser aus der Fami­lie der Brü­der der Lie­be ein­lei­ten und ihnen die katho­li­sche Iden­ti­tät ent­zie­hen müssen“.

Die­se schei­nen vor­erst davon aber wenig beein­druckt zu sein. Ob finan­zi­el­le Inter­es­sen oder sogar poli­ti­scher Druck eine Rol­le spie­len, da die Ordens­ein­rich­tun­gen von öffent­li­cher Finan­zie­rung abhän­gig sind, bleibt Spe­ku­la­ti­on. 2016 war eine katho­li­sche Kli­nik des Lan­des zu 6.000 Euro Stra­fe ver­ur­teilt wor­den, weil sie 2011 dem Wunsch einer Frau nicht nach­ge­kom­men war, deren Mut­ter zu eutha­na­sie­ren. Das selbst­si­che­re Auf­tre­ten der bel­gi­schen Brü­der belegt in jedem Fall, daß sie aus Über­zeu­gung gegen die kirch­li­che Leh­re han­deln und ihnen der bel­gi­sche Staat näher ist, als das fer­ne Rom.

Dazu paßt die Erklä­rung, die Her­man Van Rom­puy, vor einem Monat zum Fall abgab. Der flä­mi­sche Graf war kurz­zei­tig bel­gi­scher Mini­ster­prä­si­dent und von 2009 bis 2014 EU-Rats­prä­si­dent. Er sitzt auch im Ver­wal­tungs­rat der von den Broe­ders gelei­te­ten Kran­ken­häu­ser. Der Christ­de­mo­krat erklär­te: „Die Zeit des Roma locu­ta cau­sa fini­ta ist längst vorbei.“

Zum Orden der Broe­ders van Lief­de siehe:

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Broe​dersvan​Lief​de​.be (Screen­shot)

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8 Kommentare

  1. Meis­ner ist ja auch ein­ge­knickt. Und die der Welt pas­sen­de neue katho­li­sche Theo­lo­gie ist doch auch längst gestrickt.

  2. Aus­ge­rech­net in der Sache, in der Bischof Cle­mens August von Galen sei­ner­zeit die öffent­li­che Kon­fron­ta­ti­on mit der deut­schen Reichs­re­gie­rung wag­te. Die poli­ti­schen Mäch­te in der EU sind ja schon län­ger, mehr oder weni­ger, auf die Eutha­na­sie ein­ge­schwenkt. Aber die Kir­che? Die „Brü­der der Liebe“!?

    • Die Katho­li­ken müs­sen sich wie­der der alles über­ra­gen­den Bedeu­tung ihrer Kir­chen­ge­mein­schaft bewusst wer­den. Das ist nicht eine Glau­bens­ge­mein­schaft, wo jeder sein eige­nes Süpp­chen kochen kann (mit unzäh­li­gen Split­ter­grup­pen, wie die vie­len aus der Refor­ma­ti­on her­vor­ge­gan­gen Grup­pen zei­gen) und jedes Völk­chen sei­ne eige­ne Glau­bens­rich­tung prak­ti­ziert (jedes Land hat sei­ne eige­ne Chri­sten­re­li­gi­on mit dem Volks- oder Staats­na­men-Zusatz in der Reli­gi­ons­ge­mein­schafts­be­zeich­nung), son­dern es ist eine welt­um­span­nen­de (und daher von ande­ren welt­um­span­nen­den Ideo­lo­gie­ge­mein­schaf­ten so ange­fein­det und bekämpf­te) all­um­fas­sen­de Glau­bens­ge­mein­schaft, die die Katho­li­ken in allen Völ­kern welt­weit gleich­wer­tig und gleich­ran­gig auf die Leh­re Jesu Chri­sti ver­pflich­tet und unter ihrem Schutz und Schirm umfasst. 

      Wer die­ser Leh­re vor­sätz­lich gegen­sätz­lich han­delt, hat die­se Glau­bens­ge­mein­schaft selbst ver­las­sen (die Selbst-Exkom­mu­ni­ka­ti­on auf Grund der Schwe­re des Fehl­ver­hal­tens ist ja bei ver­schie­de­nen Fehl­ver­hal­ten Kir­chen­recht). Es gibt ja unzäh­li­ge ande­re christ­li­che Glau­bens­ge­mein­schaft für jeden per­sön­li­chen Geschmack. Es ist nur so, dass die römisch katho­li­sche Kir­che nicht dem jewei­li­gen Geschmack des Ein­zel­nen oder dem Zeit­geist zu die­nen ver­pflich­tet ist, son­dern der Leh­re Jesus Chri­sti und daher eben für vie­le nicht annehm­bar, aber des­we­gen kann die röm. katho­li­sche Kir­che nicht durch Nach­ge­ben sich selbst ad absur­dum füh­ren und die Leh­re des Herrn über Bord schmeißen. 

      Als Ket­ten­rau­cher auf die Ziga­ret­ten zu ver­zich­ten und Alko­hol nur mehr alle hei­li­gen Zei­ten in sehr gerin­ger Dosis zu kon­su­mie­ren hat mir nahe­zu null Ent­zugs­er­schei­nun­gen ver­ur­sacht im Ver­gleich zum Ver­zicht auf das Aller­hei­li­gest Sakra­ment des Alta­res, weil ich als Geschie­de­ner mit einer neu­en Part­ne­rin einen gemein­sa­men Haus­halt habe. Aber so ist es nun mal und wie könn­ten jun­ge Mit­chri­sten im Sin­ne der Glau­bens­leh­re dazu ani­miert wer­den, wohl­über­leg­ter an das Leben her­an­zu­ge­hen als ich, wenn an die Ehe nicht ernst­haft her­an­ge­gan­gen wird im Sin­ne der Glau­bens­leh­re der römisch katho­li­schen Kir­che, mit dem Anspruch der ewi­gen Bin­dung und Treue bis der Tod sie schei­det, son­dern es von vor­ne­her­ein ein Lebens­ab­schnitts-Bünd­nis mit Schei­dungs­ab­lauf­da­tum ist, wie bei den mei­sten Poli­ti­kern, Sport­lern, Mana­gern, Medi­en­leu­ten und Künstlern.

      Eutha­na­sie ist Rück­kehr in die Ideo­lo­gie des Nazionalsozialismus.

  3. Das muss man sich ein­mal vor­stel­len. Ein katho­li­scher Orden recht­fer­tigt die Tötung psychisch(seelisch) Kran­ker mit der katho­li­schen Glaubenslehre.
    Dabei wären es gera­de sie, die dem Auf­trag Jesu Chri­sti gemäß sich um genau die­se Men­schen seel­sorg­lich küm­mern soll­ten, tun aber das radi­ka­le Gegen­teil. Ich sehe einen rie­sen­gro­ßen Wider­spruch zur Leh­re Jesu Christi.
    Wenn eines der 10 Gebo­te ‚Du sollst nicht töten‘ heißt und die­se bel­gi­schen Ordens­leu­te ant­wor­ten „Wir wer­den wei­ter­hin Pati­en­ten töten“, wie schaf­fen Sie es nur, den Wider­spruch der sich klar und deut­lich ergibt für sich auszublenden?!

  4. Die Eutha­na­sie kennt in Bel­gi­en ein kon­ti­nu­ier­li­ches Wachs­tum: wo in 2003 ca. 230 Per­so­nen offi­zi­ell getö­tet wur­den, waren es 2013 schon mehr als 1800.
    Die jähr­li­che Wachs­tums­ra­te liegt bei 20%.
    Zuglei­cher­zeit ist das mora­li­sche Emp­fin­den der bel­gi­schen Bevöl­ke­rung so tief wie nie gesunken.
    inzwi­schen befür­wor­ten 60 bis 89% der Bevöl­ke­rung nicht nur die selbst­ge­wünsch­te Eutha­na­sie, son­dern auch die von gei­stig und kör­per­lich Behin­der­ten, psy­chisch Kran­ken, kran­ken Kin­dern und auch ohne deren Zustimmung.
    Auf gut deutsch: es wird gekillt, was das Zeug hält.
    Und nicht pri­mär aus Krank­heits­grün­den, son­dern zur Scho­nung der Erb­schaft und Ver­bes­se­rung der eige­nen Lebensqualität.
    Und die Bischö­fe sind fei­ge, schwei­gen und kol­la­bo­rie­ren mit den frei­mau­re­risch inspi­rier­ten Staatsgremien.

  5. Die­ser „katho­li­scher Orden“ ist nicht katho­lisch und auch kein Orden.
    Im Rah­men des 2. Vatik. Kon­zils und der tur­bu­len­ten Umset­zung wur­den alle Ein­rich­tun­gen in Bel­gi­en über­tra­gen in einen „Ver­ein ohne Gewinn­ab­sicht“ (VZW), eine typi­sche bel­gi­sche Konstruktion.
    Damit kön­nen die gro­ße Geld­strö­me und die Füh­rung weit­ge­hend anoni­mi­siert und ohne Kon­trol­le von aussen stattfinden.
    Die­se VZW ist kom­plett ein­ge­bet­tet in dem chri­sten­de­mo­kra­ti­schem Netz­werk in Bel­gi­en (fak­tich nie­der­län­disch­spra­chig, der fran­ko­pho­ne Flü­gel zer­pul­ver­te vor 20 Jah­ren und der Arbei­ter­flü­gel wur­de extremlinks)(auch eine Art von Befreiungsthelogie…)
    Fazit: total unchristlich.

  6. Wie wäre es, wenn Rom die­sen Orden unter kom­mis­sa­ri­sche Ver­wal­tung stellt? Oder ver­fährt man nur mit glau­bens­treu­en Orden so?

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