(Medjugorje/Rom) Das Ja zu Medjugorje des Apostolische Sondergesandten bringt Papst Franziskus in Verlegenheit und stellt für den Vatikan „ein nicht unerhebliches Problem“ dar, so Matteo Matzuzzi, Vatikanist von Il Foglio. „Die Marienerscheinungen werden noch vor Jahresende anerkannt“, so lautete sinngemäß die Botschaft von Bischof Henryk Hoser, den Franziskus als seinen Legaten in die Herzegowina entsandt hatte. Der Papst selbst hegt jedoch Zweifel an der Echtheit des Phänomens, und tat dies seit seiner Wahl bereits mehrfach und deutlich kund.
Sondergesandter: „Anerkennung (vielleicht) noch in diesem Jahr“
„Alles läßt glauben, daß die Erscheinungen anerkannt werden, vielleicht noch vor Ende dieses Jahres.“
Das sind die genauen Worte des Apostolischen Sondergesandten. Mit „Erscheinungen“ sind jene tatsächlichen oder vermeintlichen Marienerscheinungen von Medjugorje gemeint – darum steht sich alles -, die seit 1981 ununterbrochen anhalten, folgt man den Versicherungen von sechs „Sehern“, die seinerzeit noch Kinder waren. Seine Aussage vertraute Msgr. Hoser einer polnischen Nachrichtenagentur an. Der Papst hatte ihn im vergangenen Februar mit „ausschließlich pastoralen“ Aufgaben nach Medjugorje geschickt.
Darin liegt auch schon der erste „springende“ Punkt. Der Heilige Stuhl legte im Februar ausdrücklichen Wert auf die Feststellung, daß der päpstliche Legat Hoser keine Aussagen zur Frage der Echtheit treffen werde und zu treffen habe, weil das weder in seine Zuständigkeit falle noch zu seinen Aufgaben gehöre. Die Zuständigkeit liegt ausschließlich bei Papst Franziskus. Die Aufgaben waren mit „pastoralem Charakter“ deutlich umrissen. Bischof Hoser sollte Franziskus vor Sommerende zu Fragen der seelsorglichen Betreuung der Pilger Antworten liefern.
Nun kam aber alles anders.
Die heikle Frage der Marienerscheinungen wurde von einer internationalen Untersuchungskommission unter der Leitung von Kardinal Camillo Ruini von 2010 – 2012 geprüft. Papst Franziskus liegt der Abschlußbericht seit Anfang 2014 vor. Seither heißt es, eine Entscheidung des Papstes über die Frage der Echtheit stehe „unmittelbar“ bevor. Franziskus zierte sich aber, wie bereits seine Vorgänger.
Die Gründe liegen in einer in höchsten Kirchenkreisen verbreiteten Skepsis gegenüber dem herzegowinischen Phänomen. Zur Zeit von Johannes Paul II. wurde auf die zuständigen Bischöfe verwiesen. Und deren Entscheidung ist negativ. Das gilt sowohl für den Ortsbischof als auch für die zuständige Bischofskonferenz. Rom müsse daher nicht mehr entscheiden. Das genaue Gegenteil behaupteten die Anhänger von Medjugorje, die eine ausstehende Entscheidung Roms als „noch keine“ Entscheidung der Kirche deklarierten.
Die Früchte und der Zusammenhang
Sie verweisen auf beachtliche „Früchte“ der geistlichen Erneuerung, von Priester- und Ordensberufungen und zahlreichen geistlichen und leiblichen Werken der Barmherzigkeit, die durch Gott mittels Medjugorje geschenkt worden seien. Zu den innerkirchliche maßgeblichsten Unterstützern dieser Position zählt Wiens Erzbischof, Christoph Kardinal Schönborn, der seit der Familiensynode über die Familie bei Papst Franziskus ein Stein im Brett hat.
Die Früchte werden nur von wenigen Kritikern in Frage gestellt. Mehr wird bezweifelt, ob die Früchte und das Phänomen Medjugorje in einen direkten Zusammenhang mit Marienerscheinungen stehen.
Papst Franziskus äußerte sich bereits im September 2013 deutlich gegen Medjugorje, also gut vier Monate bevor er Kardinal Ruini in Audienz empfing, um ihm den Abschlußbericht der internationalen Untersuchungskommission zu erklären. Zeitgleich erhöhte die Glaubenskongregation den Druck auf einen der „Seher“ und seine weltweiten Auftritte.
Den Grund für seine Ablehnung nannte Franziskus selbst: eine Antipathie gegen die Vorstellung, die Gottesmutter sei eine „Postbotin“, die ein Flut von „Botschaften“ bringe.
„Sechs Seher können nicht 36 Jahre lang lügen“
Im Juni 2015 hatte Franziskus selbst eine baldige Entscheidung angekündigt. Dann hörte man nichts mehr zur Sache – bis zur nun so deutlichen Aussage des päpstlichen Sondergesandten. Dieser kündigte überraschend eine positive Entscheidung des Vatikans an. Er sagte aber noch mehr:
„Es wäre schwierig, eine andere Entscheidung zu treffen, weil es für sechs Seher unmöglich ist, 36 Jahre lang zu lügen. Was sie sagen, ist von Bedeutung.“
So deutliche und vor allem positive Worte gab es bisher noch von keinem offiziell mit der Frage beauftragten Vatikan-Vertreter. Bisher herrschte distanzierte Zurückhaltung mit kritischen Noten. Allerdings hatte der von Franziskus zum Kardinal kreierte albanische Priester Ernest Simoni am 4. August vor 50.000 Jugendlichen beim Jugendfestival in Medjugorje gesagt, daß der Papst zu Medjugorje „Meinung geändert“ habe. Er sei von „Gegnern“ von Medjugorje „falsch“ informiert gewesen. Kardinal Simoni war als offizieller Papst-Vertreter nach Medjugorje gekommen, wenn auch ohne Auftrag, zur Frage der Echtheit Stellung zu nehmen. Oder nicht?
Papst Franziskus: „Das ist nicht die Mutter Jesu“
Am 13. Mai fragte ein Journalist den Papst auf dem Rückflug von Fatima, wie er es mit Medjugorje halte. Er fand sehr direkte und harte Worte:
„Bezüglich der vermeintlichen gegenwärtigen Erscheinungen hat der Bericht seine Zweifel. Ich persönlich bin ein wenig ‚gemeiner‘: Ich bevorzuge die Gottesmutter als Mutter, unsere Mutter, und nicht die Gottesmutter als Leiterin eines Telegrafenamtes, das jeden Tag eine Nachricht zu der und der Stunde versendet … Das ist nicht die Mutter Jesu.“
Das war vor dreieinhalb Monaten. Kann es sein, daß Franziskus in so kurzer Zeit, nachdem er sich so deutlich zur Sache aus dem Fenster gelehnt hatte, seine Meinung grundlegend ändert? Franziskus sprach damals von seiner „persönlichen Meinung“. Hoser sagte nun zu Medjugorje etwas, was er gemäß seinem Auftrag nicht sagen hätte dürfen. Was ist nun Fakt in der Frage?
Hoser führte als Beleg seiner Aussage an, daß die Seher weder „krank“ seien, noch „Glaubenskrisen“ erlebt haben. Zugleich distanzierte er sich vom zuständigen Ortsbischof Ratko Peric von Mostar. Msgr. Peric hatte erst vor kurzem seine Überzeugung bekräftigt, daß das gesamte Phänomen, auch die ersten sieben Erscheinungen, falsch seien, und daher eine Anerkennung durch Rom nicht in Frage komme. Als Grund nannte er „doktrinelle Irrtümer“. Im vergangenen März, Hoser war gerade einen Monat im Amt, sagte der Bischof von Mostar, „diese Frau, die erschienen sein soll, verhält sich auf ganz andere Art als die Gottesmutter. […] Das ist nicht die Gottesmutter des Evangeliums.“
Spielte Bischof Hoser Kardinal Schönborn den Ball zu?
Der Vorstoß des Apostolischen Sondergesandten bringt den Vatikan daher in eine heikle Position. Hosers Wortmeldung entspricht der Linie von Kardinal Schönborn, der die Empfehlung äußerte, „auf die Früchte“ zu schauen, bevor man eine Entscheidung trifft. Msgr Hoser fügte Schönborns statistischer Aufzählung noch weitere „Früchte“ hinzu. Er nannte 37 Millionen Kommunionen und 600 Priester- und Ordensberufungen. Was wirklich gilt, kann auch in diesem Punkt nur Papst Franziskus entscheiden, der sich vor bestimmten Entscheidungen aber ziert, wie das Interpretationschaos um das umstrittene nachsynodale Schreiben Amoris laetitia zeigt. Bei der entscheidenden Endabstimmung der Synodalen über den Schlußbericht war es Kardinal Schönborns diplomatisches Geschick, das Franziskus vor einer Niederlage bewahrte und ihm den Weg zu Amoris laetitia auftat.
Wird Wiens Erzbischof, bekannt für seine Geduld und seine Diplomatie, auch zu Medjugorje für Franziskus zum entscheidenden Wegweiser und Türöffner werden?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons
Immer der selbe Eiertanz um Privatoffenbarungen
Wenn unser Klerus willens wäre, dann hätte er einfach die „angeblichen“ Bitten der Gospa, dem „möglichen“ Urheber zum Trotz, aufgegriffen und damit diesem eine Nase gedreht.
Vielleicht wäre der Balkankrieg verhindert worden.