(Rom) Matteo Matzuzzi von Il Foglio veröffentlichte ein ausführliches Interview mit Gerhard Kardinal Müller, dem von Papst Franziskus am 30. Juni entlassenen Präfekten der römischen Glaubenskongregation. In dem Interview geht es auch um die Frage, warum Kardinal Müller bei der Schlußabstimmung der Bischofssynode von 2015 die entscheidende Stimme lieferte, die Kardinal Kasper vor einer Niederlage und Papst Franziskus vor dem Gesichtsverlust bewahrte, aber erst das umstrittenen nachsynodale Schreiben Amoris laetitia möglich machte.
Der Papst ließ Dämme brechen, der Glaubenspräfekt spielte Feuerwehr – und wurde vor die Tür gesetzt
Kardinal Müller war in den vergangenen 16 Monaten, seit der Veröffentlichung des umstrittenen nachsynodalen Schreibens von Franziskus, Amoris laetitia, mit einer deutlichen Gegenposition zur Papstlinie an die Öffentlichkeit getreten, ohne den Papst namentlich und direkt zu kritisieren. Die Kernfrage der doppelten Bischofssynode über die Familie war, ob wiederverheiratete Geschiedene – und in deren Gefolge auch andere Gläubige in irregulären Beziehungssituationen – zu den Sakramenten zugelassen sind oder nicht. Die überlieferte Lehre der Kirche sagt entschieden Nein, weil Christus die Unauflöslichkeit der Ehe gegen die Scheidungspraxis des Alten Testaments lehrt. Kardinal Walter Kasper sagte am 20. Februar 2014 beim Kardinalskonsistorium hingegen Ja. Es besteht kein Zweifel, daß Papst Franziskus Kaspers Ja begünstigt und die heutige Ja-Praxis in manchen Diözesen und ganzen Ländern erst möglich machte. Offiziell äußerte sich der Papst aber nicht zur Frage, um sich nicht dem Häresieverdacht auszusetzen. Kritiker sprechen daher von einem Winkeladvokatentum.
Tatsache ist, daß heute jeder Bischof der Weltkirche für sein Bistum selbst entscheiden kann, ob wiederverheiratete Geschiedene zur Heiligen Kommunion zugelassen werden oder nicht. 1977, wie der Historiker Roberto de Mattei vor wenigen Tagen erinnerte, prophezeite Erzbischof Marcel Lefebvre diese Fragmentierung der Weltkirche, die jene erreichen mü0ten, die eine Anpassung der Kirche an den Zeitgeist wollen.
Franziskus brachte der Kirche die „größte Verwirrung“
Kardinal Müller trat in den vergangenen Monaten wiederholt an die Öffentlichkeit, um dem Ja Kaspers und von dessen Gefolgsleuten zu widersprechen. Der Glaubenspräfekt verzichtete dabei auf jede Kritik an Papst Franziskus, obwohl dieser der Hauptverantwortliche für die entstandene „größte Verwirrung“ ist, die nur ein Blinder leugnen könne, wie Kardinal Carlo Caffarra zu Jahresbeginn kritisierte. Kardinal Müller betonte jedoch, was implizit eine Kritik an Kardinal Kasper und ebenso an Papst Franziskus war, daß sich die Lehre der Kirche und ebensowenig die sich daraus ergebende Praxis geändert habe. Ebenso betonte der Glaubenspräfekt, daß „niemand, nicht einmal der Papst“, die Lehre Christi über die Unauflöslichkeit der Ehe ändern könne.
Deutliche Worte, die allerdings den in Fahrt gekommenen Zug der Kasperianer nicht stoppen konnten, weil diese den Papst auf ihrer Seite wissen. So konnten und können sie den Glaubenspräfekten, ob er Müller oder Ladaria heißt, einen „guten Mann“ seinlassen im fernen Rom.
Kasper hatte bereits vor Beginn der ersten Bischofssynode unzweideutig gegen Kritik erklärt, daß die Synode entweder so verlaufe, wie er es wolle, oder sie könne gleich wieder abgesagt werden. Eine Form von Nötigung, die Konsequenzen erfordert hätte, die es aber nicht gab, weil Kaspers seit Beginn des Pontifikats der Schatten von Franziskus war.
Ein „geerbter“ Glaubenspräfekt
Das Verhältnis zwischen Papst Franziskus und den von Benedikt XVI. geerbten Glaubenspräfekten gelangte nie zu einer brüderlichen Herzlichkeit. Spätestens mit dem Protestbrief der dreizehn Kardinäle, einer davon Müller, zum Beginn der entscheidenden Bischofssynode 2015 führte zum endgültigen Bruch. Die Kardinäle fühlten sich an der Nase herumgeführt und sagten das auch deutlich. Sie versammelten sich in Rom, um über miteinander zu beraten und mußten feststellen, daß die Synodenregie – bestimmt von treuen Bergoglianern – bereits das Synodenergebnis bereits ausformuliert hatte. Die Kardinäle protestierten gegen eine Gängelung der Synode und vor allem gegen vorgefertigte Ergebnisse. Papst Franziskus und sein Hofstaat waren in flagranti ertappt worden, den Lauf der Dinge manipulieren zu wollen.
Der Papst „tobte“, berichtete Edward Pentin, als im November 2016 die Dubia (Zweifel) von vier Kardinälen zu Amoris laetitia bekannt wurden. Er tobte nicht so sehr über den Brief, den konnte er im Papierkorb entsorgen. Er tobte darüber, daß der Brief öffentlich bekannt wurde. Den gleichen päpstlichen Zorn zogen sich ein Jahr später die vier Kardinäle Brandmüller, Burke, Caffarra und Meisner mit ihren Dubia (Zweifel) zu Amoris laetitia zu. Franziskus ignoriert die Dubia bis heute, und man darf daraus schließen, daß er auch den Protestbrief der 13 Kardinäle vom Oktober 2015 ignoriert hätte. Seinen Zorn – die einzige Reaktion – wird ausgelöst, weil die Kritik der Kardinäle, ob gewollt oder nicht, an die Öffentlichkeit gelangte.
2015 trat der Papst selbst vor die Synodalen und polterte gegen eine „konspirative Hermeneutik“. Gegen die Dubia der Kardinäle schickte er seine engsten Mitarbeiter los, die sich regelrecht über diese herfielen und öffentlich niedermachten. Um genau zu sein, fielen die Vertreter der päpstlichen Entourage nicht über die Dubia her, das wäre noch vertretbar gewesen. Nein, sie ließen die Dubia links liegen, verweigerten sich wie der Papst einer inhaltlichen Auseinandersetzung und stürzten sich auf die Kardinäle selbst.
Nicht erst seither steht fest, wer in Treue an der überlieferten Lehre und Praxis der Kirche festhält und dabei Franziskus in die Quere kommt, der wird geprügelt, entlassen, abgesetzt, unter Hausarrest gestellt oder unter kommissarische Verwaltung gestellt.
Kardinal Müller wurde am 30. Juni entlassen. Der Zusatz, er sei nach Ablauf seiner Amtszeit nicht im Amt verlängert worden, ist bestenfalls Kosmetik, um die Situation etwas zu beschönen.
Nun ist bekannt, daß es am Ende der Doppelsynode über die Familie, die eigens einberufen und inszeniert wurde, um die Kasper-Forderung durchzudrücken und die wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion zuzulassen. Mit dem Dammbruch bei den wiederverheirateten Geschiedenen gegen das Christus-Gebot würden automatisch weitere Dammbrüche einhergehen.
Schönborns Gradualitätsprinzip und Humanae vitae
Die Kasper-These, mit der er sein Ziel erreichen wollte, ließ sich auch auf andere Situationen anwenden. Kardinal Christoph Schönborn lieferte bereits bei der ersten Familiensynode 2014 die erweiterte Theorie dazu: das Gradualitätsprinzip. Demnach gebe es keine irregulären Situationen. Als solche bezeichnet die Kirche alle sexuellen Beziehungen zwischen Menschen außerhalb der Ehe, der einzig regulären, von Gott vorgesehene Beziehung. Laut Schönborn stelle jede Beziehung zwischen zwei Menschen nur eine graduell unterschiedliche Verwirklichung des Herrengebots dar. Manchmal mehr, manchmal weniger. Die Kirche solle zur Fülle begleiten, aber in jeder Beziehung bereits abgeschwächt dieses Gebot verwirklicht sehen. Diese These verbietet, das ist der Hauptsinn, jede Kritik an irregulären Beziehungen, etwa Ehebruch. Damit wäre der Kontrast „endlich“ überwunden, der seit der Sexuellen Revolution der 60er Jahre zwischen der Kirche und dem Zeitgeist herrscht. Ein Kontrast, den nicht wenige Kleriker als Belastung empfanden und den sie lieber heute als morgen loswerden wollten.
Papst Paul VI. hatte ihn hingegen mit seiner vielfach als prophetisch bezeichneten Enzyklika Humanae vitae im „Revolutionsjahr“ 1968 bekräftigt. Schon damals verweigerten ihm ganze Bischofskonferenzen, darunter vor allem jene des deutschen Sprachraumes, die Gefolgschaft. Ein Bruch, der seither wie Gift am lebenden Körper die Kirche zersetzt. Amoris laetitia ist der erste Schritt, den Bruch zu überwinden. Nicht aber im Sinne der Wiederherstellung des Christusgebotes, sondern durch Kapitulation vor dem herrschenden Zeitgeist und seiner Hypersexualisierung.
Am Ende der Bischofssynode 2015 schien der von Franziskus unterstützte Plan der Kasperianer doch noch zu scheitern. Bei der Abstimmung über den Synodenschlußbericht kam nicht die erforderliche Mehrheit zustande. Ein Sieg der überlieferten Sakramentenordnung auf ganzer Linie, allerdings mit einem Schönheitsfehler. Der Papst wäre in der Öffentlichkeit als Verlierer dagestanden und es wäre vor aller Augen ein tiefer Bruch in der Kirche sichtbar geworden. Ein solches Szenario machte nicht nur die Kasperianer nervös, denen eine inhaltliche Niederlage drohte. Sie machte auch jene nervös, die auf das öffentliche Bild der Kirche, deren Ansehen und Image achteten.
So wurde fieberhaft an einem Kompromiß gefeilt, den Kardinal Schönborn vorlegte, der – nicht Kasper – zu einem der eigentlichen Macher von „Amoris laetitia“ wurde. Bei der Abstimmung über den überarbeiteten Schlußbericht kam eine Mehrheit von nur einer Stimme zustande. Knapper ging es nicht mehr. Kardinal Müller hatte für den Kompromiß gestimmt. Seine Stimme war damit ausschlaggebend.
Warum stimmte Kardinal Müller für Synodenschlußbericht?
Matzuzzi fragte den entlassenen Glaubenspräfekten daher, warum ausgerechnet er für den Schönborn-Entwurf gestimmt habe. Er, der seit der Veröffentlichung von Amoris laetitia den Bergoglianern hinterherlaufen mußte, um sie – ziemlich erfolglos – daran zu erinnern, daß „keine Autorität, kein Priester, kein Bischof und nicht einmal der Papst“, die Lehre Jesu Christi korrigieren könne.
Hier die Antwort von Kardinal Müller:
„Die Synode hat klar und deutlich gesagt, daß die einzelnen Bischöfe für diesen Weg [der wiederverheirateten Geschiedenen] verantwortlich sind, um die Menschen zur vollen sakramentalen Gnade zu führen. Diese Interpretation gibt es, kein Zweifel. Ich hab aber meine private und subjektive Position nie geändert. Als Bischof und Kardinal habe ich dort aber die Lehre der Kirche vertreten, die ich auch in ihren fundamentalen Entwicklungen vom Konzil von Trient bis Gaudium et spes kenne, die die beiden Leitlinien darstellen. Das ist katholisch, der Rest gehört anderen Überzeugungen an. Ich verstehe nicht, wie man unterschiedliche theologische und dogmatische Interpretationspositionen mit den klaren Worten Jesu und des heiligen Paulus vereinbaren kann. Beide haben klargestellt, daß man kein zweites Mal heiraten kann, wenn der rechtmäßige Partner noch lebt.“
„Verstehe die Gründe für die Dubia der vier Kardinäle“
Gleichzeitig erklärte Kardinal Müller, die Gründe zu verstehen, die Kardinal Burke, Kardinal Brandmüller, Kardinal Caffarra und den inzwischen verstorbenen Kardinal Meisner veranlaßten, dem Papst fünf Dubia zu Amoris laetitia vorzulegen.
„Ich verstehe nicht das Motiv, warum man nicht in Ruhe und Gelassenheit einen Dialog beginnt. Ich verstehe nicht, welche Hindernisse dem im Weg stehen. Warum läßt man es zu solchen Spannungen kommen, auch öffentlich?“
Worte, die eine offensichtliche Kritik an Papst Franziskus sind, der sich dem Dialogwunsch der Kardinäle seit September 2016 verweigert. Auch auf ihre Bitte vom vergangenen April, vom Papst in Audienz empfangen zu werden, erhielten die vier Kardinäle keine Antwort. Keine Antwort!
Der Geist Gottes und der Geist der Welt
Kardinal Müller sieht eine Bereitschaft innerhalb der Kirche am Werk, sich dem Zeitgeist anpassen zu wollen. Matzuzzi verwies auf die Kritik von Benedikt XVI. am Zeitgeist. Dazu Kardinal Müller:
„Der emeritierte Papst hat vom Zeitgeist gesprochen, aber schon der heilige Paulus sprach über den Geist Gottes und den Geist der Welt. Dieser Gegensatz ist sehr wichtig und ist sich bewußt zu machen. Die Bekräftigung des Glaubens – die Kirche und die Bischöfe – hängt nicht vom Applaus einer nicht informierten Masse ab. Und noch etwas: Unsere Arbeit wird geschätzt und anerkannt, wenn wir einen Menschen davon überzeugen, sich ganz Jesus Christus hinzugeben, indem er seine Existenz in die Hände Jesu legt. In seinem ersten Brief spricht der heilige Petrus über Jesus Christus den Seelenhirten! Und heute spricht man von Verantwortung für die Kultur und die Umwelt? Ja, aber dafür haben wir viele kompetente Laien. Leute, die Verantwortung in der Politik tragen: Wir haben Regierungen und Parlamente usw. Den Aposteln hat Jesus nicht die weltliche Regierung der Welt übertragen. Die Fürstbischöfe gab es in früheren Jahrhunderten und sie haben der Kirche nicht gut getan.“
Und auf die Säkularisierung angesprochen, sagte Kardinal Müller:
„Man lebt, als würde Gott nicht existieren. Das Problem ist nicht die Säkularisierung, sondern die Entchristlichung.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Il Foglio (Screenshot)
Kardinal Müllers Antwort auf die Frage, warum er nun trotz allem für den Schönbornschen Synodenschlußbericht stimmte, ist ja gar keine!! Tja, der Kardinal Müller, eine tragische Figur, der zwar zumeist das Richtige sagt und die Lehre der Kirche auch rhetorisch gut verteidigt, aber in den entscheidenden Momenten aus falscher Rücksicht auf die Wahrung einer vorgeblichen „Einheit der Kirche“ versagt. Ich bin mir zudem sicher, dass auch Müllers aggressives Verhalten gegenüber der FSSPX nur darin gründet, dass er ihnen dieses Aufgeben der Einheit um der Wahrheit willen verübelt. Aber genau das war und ist der richtige Weg, denn es kann keine Einheit in der Unwahrheit oder Zweideutigkeit geben. – (Einheit ist immer nur in der Wahrheit begründet, deshalb auch bleibt die römisch-katholische Kirche trotz aller Abspaltungen immer in der Einheit und erfüllt den vielzitierten Willen Christi, dass alle eins seien, solange sie in der Wahrheit bleibt. Wer sich von dieser Einheit in der Wahrheit abtrennt, der hat nicht Anteil an der Einheit und der Wahrheit Gottes. Deshalb ist der ökumenische Einheitsbegriff des II. Vaticanums und Gerede von dem graduellen Anteil an Wahrheiten in anderen Konfessionen und Religionen [man sieht: Schönborn hat seine von den Bergoglianern gefeierte „Gradualitätstheorie“ nur von Nostra aetate abgeschrieben und auf die kirchliche Morallehre übertragen!] auch so verlogen und gänzlich falsch.) – Deshalb hätte Müller niemlas dem Synodenbericht zustimmen dürfen. Damit hat er die Büchse der Pandora geöffnet, bzw. öffnen helfen und die Dämonen sind nun losgelassen. Ob sein Rausschmiss das letzte Opfer ist, dass diese ihm nun abverlangen, bleibt abzuwarten.
Kardinal Müller kann es drehen und wenden sooft und solange er will, es ändert sich deshalb nichts an der Tatsache, dass er bei der Schlussabstimmung der Bischofssynode von 2015 die entscheidende Stimme geliefert hat, die „Amoris Laetitia“ erst ermöglichte. Wäre er damals schon wirklich kein „Schmeichler“ und seine Karriere ihm unwichtig gewesen, dann hätte er auf jeden Fall die Synode platzen – und den Papst samt Konsorte auflaufen lassen müssen!
Kardinal Müller hat aus falsch verstandener Loyalität dem Schlussbericht zugestimmt. Genutzt hat es ihm gar nichts. Papst Franziskus will im Grunde eine Kirche die eher protestantischen oder freikirchlichen Charakter haben soll. Er lässt die Möglichkeit des Frauendiakonats prüfen. Das Zölibat wird fallen . Die Interkommunion wird kommen. Die Liturgie von heute ähnelt völlig einer Abendmahlsfeier . Wenn die Piusruderschaft heute zur katholischen Kirche zurückkehrt, müsste sie diese ganzen Neuerungen akzeptieren. Deshalb werden jetzt auch keine Bedingungen gestellt.Die Piusbruderschaft sieht diese Entwicklungen und ist wohl klug genug ihren derzeitigen Status zu behalten.
Ich hoffe auch, dass sich die Piusbruderschaft klug zurückhält.
So sehr ich mir ihre Integration in die katholische Kirche wünschen würde, so wäre doch der Preis, den sie zu zahlen hätte, derzeit zu hoch.
Ich stimme den beiden Kommentatoren zu.
Er hätte einem Papier, dem er nicht vorbehaltlos zustimmen kann, die Unterschrift verweigern müssen.
Und doch: Wie hätten wir an Kardinal Müllers Stelle gehandelt? Wären wir so stark gewesen bzw. sind wir selbst immer so stark und zeugnishaft, wie wir es eigentlich sein sollten?
Diese meine Überlegung soll nicht Kritik an ihm abwürgen, sondern nur etwas Verständnis für eine schwierige Situation signalisieren.
Natürlich wäre es besser und beispielhaft gewesen, Kardinal Müller hätte standgehalten.
Sich vorzustellen, wie destruktiv sich AL zukünftig auswirken wird …
Trennend wirkt sie ja heute schon?
@ Marienzweig
Sie sagen und andere hier sind derselben Auffassung:
„Er hätte einem Papier, dem er nicht vorbehaltlos zustimmen kann, die Unterschrift verweigern müssen“.
Meine Frage lautet: „Um welches Papier geht es“? Um den Schönborn – Entwurf aus der diesbezüglichen Arbeitsgruppe oder um Amoris Laetitia oder um einen Schlussbericht nach der Beendigung der Ordentlichen Synode, den es offiziell nicht gegeben hat. Nachdem der vorweg formulierte „Kasper“-Schlussbericht nicht mehr verwendbar geworden ist, weil er theologisch von der Spätdatierung der Evangelien her gedacht war, welche noch von der Nicht-Historizität der Worte Jesu und der Richtigkeit der Hildesheimer Beschlüsse der DBK ausgegangen ist, konnte erst mit erheblichen zeitlichen Abstand mit AL ein Abschluss vorgelegt werden, über den allerdings nicht abgestimmt worden war. Bleibt der Schönborn-Entwurf jener Arbeitsgruppe, der auch Kardinal Müller angehört hatte und zu den dieser sagte:
„Die Synode hat klar und deutlich gesagt, daß die einzelnen Bischöfe für diesen Weg [der wiederverheirateten Geschiedenen] verantwortlich sind, um die Menschen zur vollen sakramentalen Gnade zu führen. Diese Interpretation gibt es, kein Zweifel. Ich hab aber meine private und subjektive Position nie geändert. Als Bischof und Kardinal habe ich dort aber die Lehre der Kirche vertreten, die ich auch in ihren fundamentalen Entwicklungen vom Konzil von Trient bis Gaudium et spes kennen, die die beiden Leitlinien darstellen. Das ist katholisch, der Rest gehört anderen Überzeugungen an. Ich verstehe nicht, wie man unterschiedliche theologische und dogmatische Interpretationspositionen mit den klaren Worten Jesu und des heiligen Paulus vereinbaren kann. Beide haben klargestellt, daß man kein zweites Mal heiraten kann, wenn der rechtmäßige Partner noch lebt.“
Mir ist lediglich bekannt, dass Kardinal Müller diesem Diskussionentwurf seine Stimme gegeben hat, um den innewohnenden synodalen Lösungsansatz nicht abzuwürgen. Dass die Doppelsynode ihren Ergebniskern in der Fussnote 381 erhalten würde, die man nach Gusto gegen Jesu Worte auslegen konnte, hat Kardinal Müller wohl nicht für möglich gehalten, wie sein letzter Satz im obigen Zitat beweist. Das Ziel des Papstes war es und ist es, Jesu Worte in der Zulassungsfrage von WvGs zur hl. Eucharistie außen vor zu lassen. Sein Kardinal Baldisseri hat sich im Sinne von Papst Franziskus im Herbst 2016 dazu geäußert: Was geht es uns heute an, was vor 2000 Jahren gesagt worden ist.
Es geht um den Schlußbericht der Synode, der überarbeitet lediglich ein Kompromiß war, um Papst Franiziskus nicht das Gesicht verlieren zu lassen.
@ Sophus
Jeder Blinde mit Krückstock und Hörgerät hat durchschaut, welches Spielchen hierbei gespielt wird. Und ausgerechnet einem auf dem Olymp stehenden Kardinal Müller, soll die Doppelbödigkeit der Doppel-(Schein-)Synode nicht aufgefallen sein?!! Wer nimmt Ihnen das ab?!
„Wie hätten wir an Kardinal Müllers Stelle gehandelt?“
Nun, es gibt diese bekannte Lebensweisheit: der Mensch wächst mit seinen Aufgaben. Und als Christ sehe ich da natürlich zuvorderst die Hilfe Gottes. Also ist dieser Vergleich zwischen uns und Kardinal Müller müßig, der ja von Gott in diese exponierte Lage gestellt und sicherlich mit entsprechenden Gnaden ausgestattet worden ist.
Und da kann ich eben in keiner Weise erkennen, dass Kardinal Müller seiner Verantwortung vor Gott gerecht geworden ist.
Zu viel verlangt? Wirklich? Es hätte doch nur einer klaren Kontinuität bedurft, oder etwa nicht? Müller ist ein zu kluger Mann und ein zu großer Insider, als dass ihm nicht ganz klar gewesen wäre, welches Spiel auf und mit dieser Doppelsynode gespielt wurde. Ein klares „Nein, mit mir nicht“ hätte gereicht. Selbstverständlich wäre er dann als der „Spielverderber“ gebrandmarkt worden und hätte viel Feindschaft ertragen müssen. Aber hat der Herr nicht sein Leben für uns hingegeben??
Als Kind habe ich folgendes Kirchenlied gelernt, das mich immer sehr beeindruckte:
„Mir nach spricht Christus, unser Held,
mir nach ihr Christen alle.
Verleugnet euch, verlasst die Welt,
folgt meinem Ruf und Schalle,
nehmt euer Kreuz und Ungemach
auf euch, folgt meinem Wandel nach.
(…)
Fällt´s euch zu schwer? Ich geh voran,
ich steh euch an der Seite.
Ich kämpfe selbst, ich brech die Bahn,
bin alles in dem Streite.
Ein böser Knecht, der still kann stehn,
sieht er voran den Feldherrn gehn.“
Ganz klar also: mit seinem unchristlichen Taktieren hat Müller die römische Variante von „Des Kaisers neue Kleider“ erst mitermöglicht und mitgetragen, anstatt laut und vernehmlich auszurufen: „Der Kaiser ist doch nackt!“ Damit wäre eine neue Situation entstanden, und das Schisma hätte nicht latent weiter betrieben werden können, wie es jetzt geschieht und die Kirche in den Niedergang führt.
Kardinal Müller hat Ende April 2016 in Spanien einen längeren Vortrag über AL gehalten, der in der Tagespost Orginal abgedruckt worden ist.
Aus dem Vortrag zwei Sätze:
1: „Hätte AL eine so verwurzelte und so gewichtige Disziplin aufkündigen wollen, hätte es sich deutlich ausgedrückt und die Gründe dafür angegeben. Es gibt jedoch darin keine Aussage in diesem Sinne“.
2: „Ohne näher darauf einzugehen, reicht es aus, darauf hinzuweisen, dass sich diese Fußnote ( gemeint ist 351) auf objektive Situationen der Sünde im Allgemeinen bezieht, nicht auf den speziellen Fall der zivil wiederverheirateten Geschiedenen. Denn die Situation der Letztgenannten hat eigentümliche Züge, die sie von anderen Situationen unterscheidet.“
Die Fußnote 351 lautet:
„In gewissen Fällen könnte es auch die Hilfe der Sakramente sein. Deshalb » erinnere ich [die Priester] daran, dass der Beichtstuhl keine Folterkammer sein darf, sondern ein Ort der Barmherzigkeit des Herrn « (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium [14. November 2013], 44: AAS 105 [2013], S. 1038). Gleichermaßen betone ich, dass die Eucharistie » nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen « ist (ebd., 47: AAS 105 [2013], S.1039)[351].
Der Satz in AL, auf den sich die Fußnote bezieht, lautet:
„Aufgrund der Bedingtheiten oder mildernder Faktoren ist es möglich, dass man mitten in einer objektiven Situation der Sünde – die nicht subjektiv schuldhaft ist oder es zumindest nicht völlig ist – in der Gnade Gottes leben kann, dass man lieben kann und dass man auch im Leben der Gnade und der Liebe wachsen kann, wenn man dazu die Hilfe der Kirche bekommt“.
Nach Meinung von Kardinal Müller kann sich die Fußnote 351 nicht auf „Wiederverheiratete Geschiedene“ beziehen,denn jede Wiederverheiratung, die den Worten Jesu damit dem Willen Gottes entgegensteht, geschieht aus freiem Willen und ist damit eindeutig subjektiv schuldhaft.
Das ist genau die Form des Taktierens, von der ich gesprochen habe. Das Offensichtliche und für jeden Denkenden Einsichtige (O‑Ton Prof. Spaemann zur Aussageabsicht von AL) wegerklären zu wollen, ist ein Zeichen von Schwäche und Feigheit. Die klare und eindeutige Absicht von AL über so lange Zeit zu nivellieren und umzuinterpretieren gegen die Absicht des Urhebers, das war ein Bärendienst an der Kirche!
@ veritas
Der Vortrag in Spanien erfolgte zwei Wochen nach Veröffentlichung von Al. Bei seiner damals vertretenen Meinung ist Kardinal Müller bis heute geblieben. Sie lautet: „Jede Wiederverheiratung, die den Worten Jesu damit dem Willen Gottes entgegensteht, geschieht aus freiem Willen und ist damit eindeutig subjektiv schuldhaft“, was der Bedingung widerspricht:…„die nicht subjektiv schuldhaft ist oder es zumindest nicht völlig ist“. Damit hat Al selbst den Gnadenstand des Betroffenen ausgeschlossen, der Voraussetzung für den Empfang des Leibes Christi ist.
Ihre Vorwürfe sind nicht gerechtfertigt. Kardinal Müller hat sich sofort gegen die Schönbornsche These und päpstliche Auffassung von Gradualität und damit gegen die Möglichkeit der Relativierung der Sünde des Ehebruchs gestellt. Von einem „Taktieren“ kann keine Rede sein. Vielmehr hat Kardinal Müller gegenüber dem Papst an seiner Meinung festgehalten und die Dubia der Vier in der Sache nicht gerügt,sondern nur deren Strategie kritisiert. Daher hat der Papst sein Dienstverhältnis nicht verlängert und sich von ihm getrennt – sicher nicht zum Schaden von Kardinal Müller, wie die Zukunft erweisen könnte.
Ich habe die starke Vermutung, dass die Fußnote in Amoris laetitia nach den Unterschriften, nach der fertigen Druckvorbereitung, heimlich eingefügt wurde.