(Rom) Seit gestern ist bekannt, wo Papst Franziskus in diesem Jahr die Liturgie des Gründonnerstages zelebrieren wird. Was das vatikanische Presseamt gestern bekanntgab, scheint das Amt für die liturgischen Feiern des Papstes nicht zu wissen. Dort sucht man weiterhin vergeblich nach einem Eintrag zum Gründonnerstag. Papst Franziskus wird am kommenden Donnerstag die „Festung der Unsichtbaren“ aufsuchen.
Die „unsichtbare“ Gründonnerstagsliturgie
Sein Ziel wird ein Gefängnis in der Provinz Frosinone bei Rom sein. Seit der Wahl von Papst Franziskus ist die Missa in CÅ“na Domini aus dem liturgischen Kalender des katholischen Kirchenoberhauptes verschwunden. Der erste Tag des Triduum Paschale findet im fünften Jahr hintereinander unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Papst Franziskus sucht am Abend des Gründonnerstages Orte auf, deren Bewohner nicht zu ihm kommen können (Altenheime, Behindertenwohnheime, Gefängnisse), und wäscht ihnen die Füße.
Beide Gesten ehren ihn und haben dennoch einen bitteren Beigeschmack. Solche Besuche könnte er unter gleicher öffentlicher Aufmerksamkeit jederzeit abstatten. Das Letzte Abendmahl, so sehen es Tradition und Vorschriften vor, sollte hingegen in der Bischofskirche mit der ganzen Gemeinde zelebriert werden. Traditionell zelebrierten die Päpste den Gründonnerstag daher nicht im Petersdom, sondern in der Lateranbasilika. Sie ist die Hauptkirche des Bischofs von Rom und „Mutter aller Kirchen“.
Durch den Ausschluß der Öffentlichkeit von der päpstlichen Gründonnerstagsliturgie erhält die Geste der Fußwaschung, durch nachträgliche Veröffentlichung der entsprechenden Photos, zudem ein Übergewicht, durch das andere, wichtigere Momente dieser Liturgie in den Schatten gestellt werden. Dazu gehört vor allem die Einsetzung der beiden zentralen Sakramente: das Priestertum und die Heilige Eucharistie. Die heiligen drei Tage bilden liturgisch eine Einheit. Durch die Überbetonung einer zweifachen „sozialen“ Geste (Besuch an den Rändern, Fußwaschung) verschwindet der erste Tag des Triduum Sacrum aus diesem Dreiklang.
Die „Festung der Unsichtbaren“
Am fünften Gründonnerstag seines Pontifikats wird Papst Franziskus am kommenden 13. April zum dritten Mal ein Gefängnis besuchen. Nach dem Gefängnis Rebibbia für U‑Häflinge und geringere Haftstrafen in Rom und einem Gefängnis für den Jugendstrafvollzug bei Rom wird Franziskus am kommenden Donnerstag das Gefängnis von Paliano besuchen.
Paliano liegt eine Autostunde südöstlich von Rom in der Ciociaria, einer Landschaft des ehemaligen Kirchenstaates, an dessen Namen sich die meisten Nicht-Italiener die Zunge abbrechen. Er rührt von den traditionellen Sandalen her, den Ciòcie, die hier getragen wurden.
In dem 8.000 Einwohnerort, sind derzeit rund 75 Gefangene untergebracht, die einer besonderen Kategorie angehören. Die Haftanstalt befindet sich in einer alten Festung, deren doppelter Mauerring noch aus 16. Jahrhundert stammt. Errichtet wurde die Festung von Fürst Marcantonio Colonna, der es im Dienst der Habsburger zum Admiral und Vizekönig von Sizilien brachte. 1571, sechs Jahre nach der Fertigstellung der Festung Paliano, führte er die päpstlichen Schiffe und Truppen unter dem Oberkommando von Don Juan d’Austria gegen die Türken in die siegreiche Seeschlacht von Lepanto. Die Colonna waren Herzöge von Paliano, bis 1816 der letzte Herzog verzichtete und das Lehen wieder an den Kirchenstaat zurückfiel. Etwas später schenkten die Fürsten den Päpsten auch die Festung, die mit der Zerschlagung des Kirchenstaates in den Besitz des italienischen Staates überging.
In Paliano sind ausschließlich „Kollaborateure der Justiz“ untergebracht, wie sie von der italienischen Rechtsordnung genannt werden. Gemeint sind in der Regel Mafiaangehörige oder Mitglieder anderer Gruppen der organisierten Kriminalität, welche die Seite gewechselt haben und mit der Justiz zusammenarbeiten. Im Gegenzug erhalten sie geringere Haftstrafen und Hafterleichterungen. Ein Vergleich mit der „Kronzeugenregelung“ bietet sich an. Zu ihrem eigenen Schutz müssen sie gesondert untergebracht werden. Die Gefahr, von der Mafia oder ihren ehemaligen Kumpanen bestraft zu werden, ist real und in der Regel tödlich.
Rund 1.000 solcher „Kollaborateure“ gibt es derzeit in Italien. Die meisten von ihnen befinden sich im Freigang oder Hausarrest. Mehr als 200 sitzen jedoch im Gefängnis, ein Drittel davon in Paliano, der einzigen Anstalt, die exklusiv „Kollaborateure“ beherbergt. Wegen seine äußeren Form und seiner Insassen wird das Gefängnis von Paliano die „Festung der Unsichtbaren“ genannt. Gefangene werden grundsätzlich vor der Öffentlichkeit „unsichtbar“. Die „Kollaborateure“ sollen auch vor den anderen Gefangenen unsichtbar werden.
Gefangene von Paliano begrüßten „Exkommunikation“ der Mafiosi durch Papst Franziskus
Die „Unsichtbaren“ von Paliano spielten im derzeitigen Pontifikat bereits eine Rolle. Als Franziskus am 21. Juni 2014 Cassano dell’Jonio besuchte, mitten im Land der N’drangheta, wie die Mafia in Kalabrien heißt, erklärte er die Mafiosi für „exkommuniziert“. „Sie beten das Böse an“, lautete das päpstliche Anathema, das nicht kirchenrechtlich, sondern als moralische Verurteilung gemeint war.
Nicht nur von Politik, Medien und Zivilgesellschaft erntete Papst Franziskus für seine Kampfansage gegen die Mafia große Zustimmung, sondern auch von den Gefangenen von Paliano, die aus den Reihen der Mafia, der Camorra, der N’drangheta und der Sacra corona unita stammen, von denen sie sich losgesagt haben.
Der Kontakt des Papstes zur „Festung der Unsichtbaren“ war durch die Gemeinschaft von Sant’Egidio zustande gekommen, die dort in der Betreuung der Gefangenen tätig ist.
Eine gewisse Unbedarftheit im Umgang mit der heiligen Liturgie zeigt Papst Franziskus nicht nur am Gründonnerstag. 2014, als er Cassano dell’Jonio besuchte, verzichtete er dafür auf die Teilnahme an der Fronleichnamsprozession in Rom, die traditionell vom Papst angeführt wird.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL
Jesus hat seinen Jüngern die Füße gewaschen und nicht irgendwelchen Leuten von der Straße, schon gar nicht Kriminellen, Verbrechern oder Pharisäern.
Die Fußwaschung dieses Papstes in Rom hat nichts mit der Handlung Jesu gemein, an die unsere Zeremonie des Gründonnerstags einschließlich Fußwaschung doch erinnern soll.
Die Fußwaschung war auch eine Vorbereitung auf die Hl. Eucharistie, die er mit seinen Auserwählten feierte!
Nun, dass Papst Franziskus seine Priester ungewaschen zurückbleiben lässt, wäre nicht ganz korrekt, er setzt nur andere „Prioritäten“ sprich berücksichtigt andere Körperteile. Papst Franziskus wäscht den Kurienmitgliedern und den treuen Bischöfen lieber den Kopf als die Füsse. Die demutsvolle Geste der Fusswaschung ist anderen vorbehalten, jedenfalls nicht seinen Dienern. Was oben ist, soll unten sein und umgekehrt. Was vormals wichtig, scheint an Bedeutung zu verlieren, was bis anhin minder bedeutend, erlangt eine Priorität ersten Ranges. Nicht alles, versteht sich, doch zentrale Aussagen unseres Glaubens sind davon betroffen. Vielleicht irre ich mich auch und bin nur zu unintelligent, um die tiefere Bedeutung dieser neuen Symbolik adaquat zu verstehen.
Eine gewisse Gleichgültigkeit des Papstes in liturgischen Fragen zeigt sich gerade auch dort, wo er noch am sympathischsten wirkt, nämlich in seiner relativen Toleranz gegenüber dem herrlichen tridentinischen Ritus, der normalerweise von so wie Bergoglio Gesinnten glühend gehasst und wütend bekämpft wird. Doch Franziskus ist hier – was ihm wie gesagt hoch angerechnet werden soll – erstaunlich großzügig, auch wenn das nicht auf echte Wertschätzung, sondern wohl eher auf Geringschätzung liturgischer Fragen überhaupt zurückgehen dürfte, so nach dem Motto: „Wenn die alten Deppen es eben Evita-style haben wollen, dann sollen sie’s halt…