Die Heiligkeit des Ehebandes – Wort von Bischof Vitus Huonder (Chur) zum Apostolischen Schreiben Amoris laetitia


Das Eheband (Liebende, Meister des Hausbuches, um 1480)
Das Eheband (Liebende, Meister des Hausbuches, um 1480)

Lie­be Mit­brü­der im prie­ster­li­chen Dienst,

Anzei­ge

in der Dis­kus­si­on rund um das Nach­syn­oda­le Apo­sto­li­sche Schrei­ben Amo­ris Lae­ti­tia kam das ach­te Kapi­tel mit der Fra­ge der zivil wie­der­ver­hei­ra­te­ten geschie­de­nen Per­so­nen ins Zen­trum zu ste­hen. Aus die­sem Grund gebe ich dazu in mei­ner Ver­ant­wor­tung als Bischof zu Han­den der Seel­sor­ger (Beicht­vä­ter) eini­ge Hin­wei­se.Vor­gän­gig möch­te ich das Fol­gen­de fest­hal­ten: Der Hei­li­ge Vater sagt in der Ein­lei­tung zu Amo­ris Lae­ti­tia, „dass nicht alle dok­tri­nel­len, mora­li­schen oder pasto­ra­len Dis­kus­sio­nen durch ein lehr­amt­li­ches Ein­grei­fen ent­schie­den wer­den müs­sen“ (AL 3). Die­se Aus­sa­ge lässt den Stel­len­wert des Nach­syn­oda­len Apo­sto­li­schen Schrei­bens erkennen.
„Wenn man die zahl­lo­sen Unter­schie­de der kon­kre­ten Situa­tio­nen … berück­sich­tigt, kann man ver­ste­hen, dass man von der Syn­ode oder von die­sem Schrei­ben kei­ne neue, auf alle Fäl­le anzu­wen­den­de gene­rel­le gesetz­li­che Rege­lung kano­ni­scher Art erwar­ten durf­te. Es ist nur mög­lich, eine neue Ermu­ti­gung aus­zu­drücken zu einer ver­ant­wor­tungs­vol­len per­sön­li­chen und pasto­ra­len Unter­schei­dung der je spe­zi­fi­schen Fäl­le“ (AL 300), sagt der Papst im Zusam­men­hang der Unter­schei­dung bei irre­gu­lä­ren Situa­tio­nen. Das bedeu­tet jedoch auch, dass der Bischof umso mehr gefor­dert ist, ein rich­tung­wei­sen­des Wort zu spre­chen, da die Prie­ster die Auf­ga­be haben, „die betrof­fe­nen Men­schen ent­spre­chend der Leh­re der Kir­che und der Richt­li­ni­en des Bischofs auf dem Weg der Unter­schei­dung zu beglei­ten“ (AL 300). Des wei­tern „ist es not­wen­dig, zur Rei­fung eines auf­ge­klär­ten, gebil­de­ten und von der ver­ant­wort­li­chen und ern­sten Unter­schei­dung des Hir­ten beglei­te­ten Gewis­sens zu ermu­ti­gen und zu einem immer grö­ße­ren Ver­trau­en auf die Gna­de anzu­re­gen“ (303). Dem ent­spricht ganz, was der Hei­li­ge Vater unter Amo­ris Lae­ti­tia 307 sagt: „Um jeg­li­che fehl­ge­lei­te­te Inter­pre­ta­ti­on zu ver­mei­den, erin­ne­re ich dar­an, dass die Kir­che in kei­ner Wei­se dar­auf ver­zich­ten darf, das voll­kom­me­ne Ide­al der Ehe, den Plan Got­tes in sei­ner gan­zen Grö­ße vor­zu­le­gen: ‘Die jun­gen Getauf­ten sol­len ermu­tigt wer­den, nicht zu zau­dern ange­sichts des Reich­tums, den das Ehe­sa­kra­ment ihrem Vor­ha­ben von Lie­be schenkt, gestärkt vom Bei­stand der Gna­de Chri­sti und der Mög­lich­keit, ganz am Leben der Kir­che teil­zu­neh­men.’ Die Lau­heit, jeg­li­che Form von Rela­ti­vis­mus oder der über­trie­be­ne Respekt [1]Das Schrei­ben meint damit wohl die all­zu gro­ße Vor­sicht oder Rück­sicht­nah­me, so dass die Wahr­heit ver­dun­kelt wür­de. im Augen­blick des Vor­le­gens wären ein Man­gel an Treue gegen­über dem Evan­ge­li­um und auch ein Man­gel an Lie­be der Kir­che zu den jun­gen Men­schen selbst“. Im Sin­ne all die­ser Hin­wei­se in Amo­ris Lae­ti­tia bit­te ich die Prie­ster das Fol­gen­de zu beachten:

1. Aus­gangs­punkt der Beglei­tung, Unter­schei­dung und Ein­glie­de­rung muss die Hei­lig­keit des Ehe­ban­des (die Bin­dung) sein. Auf­ga­be der Seel­sor­ge ist es, den Men­schen das Bewusst­sein der Hei­lig­keit des Ehe­ban­des zu ver­mit­teln oder wie­der zu ver­mit­teln. Der Hei­li­ge Vater spricht von der „Seel­sor­ge der Bin­dung“ (AL 211; in der ita­lie­ni­schen Spra­che vin­co­lo). Die offi­zi­el­le deut­sche Über­set­zung von vin­co­lo mit Bin­dung ist zu schwach. Des­halb spre­che ich hier aus­drück­lich vom Ehe­band.

2. Das Ehe­band ist schon von der Schöp­fung her hei­lig (Natur-Ehe), umso mehr von der Neu­schöp­fung her (Ord­nung der Erlö­sung) durch die sakra­men­tal geschlos­se­ne Ehe (über­na­tür­li­che Ord­nung). Die Bewusst­seins­bil­dung bezüg­lich die­ser Wahr­heit ist ein drin­gen­der Auf­trag in unse­rer Zeit (vgl. AL 300).

3. Die­se Bewusst­seins­bil­dung ist umso not­wen­di­ger, als ein Hir­te sich nicht damit zufrie­den geben kann, „gegen­über denen, die in ‘irre­gu­lä­ren’ Situa­tio­nen leben, nur mora­li­sche Geset­ze anzu­wen­den, als sei­en es Stei­ne, die man auf das Leben von Men­schen wirft“ (AL 305). Das Ehe­band sel­ber ist eine Gabe der Lie­be, der Weis­heit und der Barm­her­zig­keit Got­tes, wel­che den Ehe­leu­ten Gna­de und Hil­fe ver­leiht. Des­halb muss der Rück­be­zug auf das Ehe­band beim Weg der Beglei­tung, der Unter­schei­dung und der Ein­glie­de­rung an erster Stel­le stehen.

4. Erkennt ein Beicht­va­ter bei einer Beich­te eines unbe­kann­ten Pöni­ten­ten (bei einer „Gele­gen­heits­beich­te“) Fra­gen bezüg­lich des Ehe­ban­des, wel­che der Klä­rung bedür­fen, wird er den Pöni­ten­ten bit­ten, sich einem Prie­ster anzu­ver­trau­en, wel­cher mit ihm einen län­ge­ren Weg der Umkehr und Ein­glie­de­rung gehen kann, oder er wird sich mit ihm sel­ber außer­halb der Beich­te in Ver­bin­dung setzen.

5. Bei der seel­sorg­li­chen Beglei­tung von zivil wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen ist zunächst zu prü­fen, ob die Ehe­schlie­ßung (die „erste Ehe“) gül­tig zustan­de kam, ob ein Ehe­band wirk­lich besteht. Die­se Prü­fung kann nicht der ein­zel­ne Prie­ster vor­neh­men, schon gar nicht im Beicht­stuhl. Der Beicht­va­ter muss die betrof­fe­ne Per­son an den Offi­zi­al des Bis­tums verweisen.

6. Wie es auch immer um die Gül­tig­keit der Ehe­schlie­ßung steht, eine geschei­ter­te Ver­bin­dung muss in jedem Fall mensch­lich und glau­bens­mä­ßig auf­ge­ar­bei­tet wer­den. Das bedeu­tet, dass ein län­ge­rer, Geduld ver­lan­gen­der seel­sorg­li­cher Weg beschrit­ten wer­den muss. „In die­sem Pro­zess wird es hilf­reich sein, durch Momen­te des Nach­den­kens und der Reue eine Erfor­schung des Gewis­sens vor­zu­neh­men. Die wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen soll­ten sich fra­gen, wie sie sich ihren Kin­dern gegen­über ver­hal­ten haben, seit ihre ehe­li­che Ver­bin­dung in die Kri­se geriet; ob es Ver­söh­nungs­ver­su­che gege­ben hat; wie die Lage des ver­las­se­nen Part­ners ist; wel­che Fol­gen die neue Bezie­hung auf den Rest der Fami­lie und die Gemein­schaft der Gläu­bi­gen hat; wel­ches Bei­spiel sie den jun­gen Men­schen gibt, die sich auf die Ehe vor­be­rei­ten. Ein ernst­haf­tes Nach­den­ken kann das Ver­trau­en auf die Barm­her­zig­keit Got­tes stär­ken, die nie­man­dem ver­wehrt wird“ (AL 300). „Die Hir­ten, die ihren Gläu­bi­gen das vol­le Ide­al des Evan­ge­li­ums und der Leh­re der Kir­che nahe­le­gen, müs­sen ihnen auch hel­fen, die Logik des Mit­ge­fühls mit den Schwa­chen anzu­neh­men und Ver­fol­gun­gen oder all­zu har­te und unge­dul­di­ge Urtei­le zu ver­mei­den“ (AL 308).

7. Der Emp­fang der hei­li­gen Kom­mu­ni­on der zivil wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen darf nicht dem sub­jek­ti­ven Ent­scheid über­las­sen wer­den. Man muss sich auf objek­ti­ve Gege­ben­hei­ten stüt­zen kön­nen (auf die Vor­ga­ben der Kir­che für den Emp­fang der hei­li­gen Kom­mu­ni­on). Im Fal­le von zivil wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen ist die Ach­tung vor dem bestehen­den Ehe­band ausschlaggebend.

8. Wird bei einem Gespräch (bei einer Beich­te) die Abso­lu­ti­on eines zivil wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen erbe­ten, muss fest­ste­hen, dass die­se Per­son bereit ist, die Vor­ga­ben von Fami­lia­ris con­sor­tio 84 anzu­neh­men (JOHANNES PAUL II., Apo­sto­li­sches Schrei­ben Fami­lia­ris con­sor­tio vom 12. Novem­ber 1981). Das heißt: Kön­nen die bei­den Part­ner aus ernst­haf­ten Grün­den … der Ver­pflich­tung zur Tren­nung nicht nach­kom­men (vgl. AL 298), sind sie gehal­ten, wie Bru­der und Schwe­ster mit­ein­an­der zu leben. Die­se Rege­lung gilt nach wie vor schon des­halb, weil das neue Apo­sto­li­sche Schrei­ben Amo­ris Lae­ti­tia aus­drück­lich kei­ne „neue gesetz­li­che Rege­lung kano­ni­scher Art“ vor­sieht (vgl. AL 300). Der Pöni­tent wird den festen Wil­len bezeu­gen müs­sen, in Ach­tung vor dem Ehe­band der „ersten“ Ehe leben zu wollen.

9. Hal­ten wir bei der Vor­be­rei­tung und Beglei­tung der Trau­paa­re, Ehe­leu­te und der Fami­li­en immer das Wort des hei­li­gen Pau­lus vor Augen: „Die­ses Geheim­nis ist groß. Ich bezie­he es auf Chri­stus und die Kir­che (Eph 5,32)“ – Sacra­men­tum hoc magnum est, ego autem dico in Chri­sto et in Eccle­sia.

Mit mei­nem Dank für die Treue zum Herrn und sei­nem Auf­trag, grü­ße ich herz­lich, ver­bun­den mit mei­nem bischöf­li­chen Segen

Chur, 2. Febru­ar 2017

+ Vitus Huon­der, Bischof von Chur

Bild: Gotha­er Lie­bes­paar (Haus­buch­mei­ster, um 1480)/Wikicommons

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1 Das Schrei­ben meint damit wohl die all­zu gro­ße Vor­sicht oder Rück­sicht­nah­me, so dass die Wahr­heit ver­dun­kelt würde.
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