(Rom) Papst Franziskus setzt die Rehabilitierung ohne Gegenleistung von Personen und Institutionen in Lateinamerika fort, gegen die vom Heiligen Stuhl – besonders unter Papst Benedikt XVI. – wegen schwerwiegender Abweichungen von der Glaubenslehre oder der Kirchenordnung Sanktionen verhängt wurden.
Rehabilitierung von Ariel Alvarez Valdés
Erst vor wenigen Wochen rehabilitierte Papst Franziskus seinen argentinischen Landsmann, den Dogmatiker Ariel Alvarez Valdés. Mehr als zwölf Jahre hatte sich zwischen 1995 und 2008 der Konflikt zwischen Alvarez Valdés und der Kirche hingezogen. Als sich der in Chile lehrende Vertreter des biblischen Rationalismus, nach dem Vorbild des Lutheraners Rudolf Bultmann, trotz mehrfacher Aufforderungen nicht von heterodoxen Thesen distanzierte, wurde ihm die Lehrerlaubnis entzogen. Alvarez Valdés gab als Reaktion auf die Verurteilung sein Priestertum auf und bezeichnete sich als „Opfer“ einer „repressiven Verfolgungsmethode“ der römischen Glaubenskongregation. Ariel Alvarez Valdés mußte für die Rehabilitierung keine seiner neun von der Glaubenskongregation beanstandeten Thesen korrigieren. Die Rehabilitierung durch Papst Franziskus erfolgte einseitig und ohne Gegenleistung. Auf eine inhaltliche Frage wurde nicht eingegangen.
Rehabilitierung von Cicero Romao Batista
Im Dezember 2015 rehabilitiere Papst Franziskus den exkommunizierten brasilianischen Priester Cicero Romao Batista (1844–1834). Romaro Batista war 1891 wegen Rebellion gegen die kirchliche Ordnung exkommuniziert worden. Ihm wurde von seinem Heimatbischof vorgeworfen, ein falsches Hostienwunder konstruiert zu haben. Nach seiner Exkommunikation wurde Romao Batista, ein überzeugter Christlichsozialer, politisch aktiv und geriet in den Kampf zwischen Liberalen und Katholiken. Davon unberührt wuchs in seiner Heimat, dem Staat Ceará im Nordosten Brasiliens, seine Verehrung im Volk. 1974 wurde er von der schismatischen Brasilianisch-Apostolischen Kirche heiliggesprochen. Im Fall von Romao Batista unterrichtete das vatikanische Staatssekretariat den zuständigen Bischof über einen Formfehler. Das Exkommunikationsdekret von 1891 sei nie richtig exekutiert worden, daher sei Romao Batista auch nie exkommuniziert gewesen. Auch in diesem Fall verzichtete Papst Franziskus auf eine inhaltliche Erörterung.
Hinzukommen eine Reihe von Signalen der Annäherung an die Befreiungstheologie wie der Besuch von Papst Franziskus im Juli 2015 am Grab des Jesuiten und Marxisten Luis Espinal Camps in Bolivien und die umstrittene Seligsprechung von Erzbischof Oscar Romero im Mai 2015 in San Salvador. Papst Franziskus erkannte den Tod des Erzbischofs, der in der Kirche von einem Soldaten der damaligen Militärdiktatur ermordet wurde, als Martyrium in odium fidei an. Gerade daran hatte sein Vorgänger Benedikt XVI. Zweifel gehegt und das Seligsprechungsverfahren eingefroren.
Rebellen-Universität
Am vergangenen Freitag, 12. August, teilte die ehemalige „Päpstliche Katholische“ Universität von Peru in einer Presseaussendung mit, daß sie sich nun auch offiziell wieder „katholisch“ nennen und den Ehrentitel einer „päpstlichen“ Universität führen darf.
Die Pontificia Universidad Católica del Perù (PUCP) ist die älteste Privatuniversität des lateinamerikanischen Landes. An ihr studieren derzeit rund 25.000 Studenten. 1917 wurde sie vom Arnsteiner Pater Jorge Dintilhac SSCC (Kongregation von den Heiligsten Herzen Jesu und Mariens und der ewigen Anbetung des Allerheiligsten Altarsakramentes) bewußt als katholische Universität gegründet, um dem liberalen Gesinnungsdruck im Staat entgegenzuwirken. Dintilhac war Gründungsrektor und prägte die Universität bis zu seinem Tod 1947. 1942 wurde sein Wirken von Papst Pius XII. durch die Anerkennung als Päpstliche Universität ausgezeichnet. Großkanzler war der jeweils amtierende Erzbischof von Lima.
Seit den 1960er Jahren lehrte an der Universität Gustavo Gutierrez, der Namensgeber und Gründer der marxistischen Befreiungstheologie. Wegen verschiedener Initiativen und Dozenten kam es zu Konflikten mit der kirchlichen Autorität. Unter dem amtierenden Erzbischof von Lima und Primas von Peru, Juan Luis Kardinal Cipriani Thorne, spitzte sich der Konflikt zu. Der Kardinal warf der Universität als deren Großkanzler vor, sich in den Aktivitäten und der Lehre nicht von weltlichen Universitäten zu unterscheiden und forderte das verlorengegangene katholische Profil wiederzugewinnen. Der Kardinal verwies auf die von Papst Johannes Paul II. 1990 erlassene Hochschulkonstitution Ex corde Ecclesiae und forderte deren Umsetzung.
Mangelndes katholisches Profil
Als sich Rektor Marcial Antonio Rubio Correa, der 2000/2001 nach der Amtsenthebung von Staatspräsident Alberto Fujimori Unterrichtsminister war, taub stellte, wurde vom Vatikan eine Untersuchung eingeleitet. 2012 entsandte Papst Benedikt XVI. Kardinal Peter Erdö, den Erzbischof von Esztergom-Budapest, als Apostolischen Visitator. Da dessen Aufforderungen nichts fruchteten, stellte der Vatikan der Universität ein Ultimatum zur Umsetzung der Bestimmungen von 1990. Als auch dieses ungehört verstrichen war, wurde der Universität die Anerkennung als „päpstliche“ und „katholische“ Hochschule entzogen.
Rektor Rubio Correa setzte den Konfrontationskurs dennoch fort und erklärte, die vollständige Bezeichnung Pontificia Universidad Católica del Perù beizubehalten, weil das unabhängig vom Kirchenrecht der vom Staat Peru anerkannte und registrierte Name der Universität sei. In katholischen Publikationen wurde seither bei Nennung der Universität dem Namen ein „ex“ vorgesetzt.
Vier Jahre später scheint nun alles anders. Papst Franziskus ließ die Peruanische Bischofskonferenz durch Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin wissen, daß die Universität sich wieder „päpstlich“ und „katholisch“ nennen darf. Die Bischöfe sollten wieder in die höchsten Gremien der Universität zurückkehren. Am 12. August setzte die Bischofskonferenz den päpstlichen Wunsch um. Eine offizielle Delegation stattete dem Universitätsrektorat einen Besuch ab, um die päpstliche Entscheidung offiziell mitzuteilen. Rektor ist nach wie vor der Jurist Marcial Antonio Rubio Correa.
Großer Verlierer Kardinal Cipriani Thorne
Von einer Umsetzung der Hochschulkonstitution Ex corde Ecclesiae von 1990 oder einer Stärkung des katholischen Profils ist keine Rede mehr. Mit sofortiger Wirkung nahmen fünf Bischöfe wieder Sitz und Stimme in den Universitätsgremien ein, darunter auch der Vorsitzende der Peruanischen Bischofskonferenz Salvador Pereiro Garcia-Calderón, der Erzbischof von Ayacucho o Huamanga. Rektor Rubio Correa zeigte sich „hocherfreut“ und ließ durch das Presseamt der Universität ein Photo von sich und den fünf Bischöfen veröffentlichen.
Im August 2012 hatten die Bischöfe noch Kardinal Cipriani Thorne gegen „haltlose Anschuldigungen“ verteidigt, die von Medien verbreitet wurden, die den Kampf des Rektorats gegen die Kirche unterstützten. Die Bischöfe erklärten damals, jene Studenten schützen zu wollen, die „an der Universität ihre katholische Identität bewahren wollen“. Vier Jahre später scheint die „katholische Identität“ an der Universität nicht mehr gefährdet zu sein.
Der große Verlierer des Konflikts ist, neben der kirchlichen Glaubwürdigkeit und einer erkennbaren katholischen Position, vor allem Kardinal Juan Luis Cipriani Thorne. Der Kardinal wurde von Papst Franziskus nicht in die Entscheidung eingebunden. In der Öffentlichkeit entsteht damit der Eindruck, der Primas von Peru habe zusammen mit Papst Benedikt XVI. einen sinnlosen Konflikt vom Zaun gebrochen, da offenbar nie ein Grund bestanden hatte, der Universität ihre Bezeichnungen abzuerkennen.
Kardinal Cipriani Thorne, der dem Opus Dei angehört, steht seit der Wahl von Papst Franziskus unter starkem Druck innerhalb der Peruanischen Bischofskonferenz. Die von Franziskus neuernannten Bischöfe haben fast ausnahmslos ein anderes Kirchenverständnis. Der Kardinal ist aufgrund seiner Persönlichkeit und seines Intellekts zwar weiterhin die herausragende, aber zunehmend isolierte Gestalt in der katholischen Kirche des Landes. Es gilt als offenes Geheimnis, daß eine Gruppe von Mitbrüdern im Bischofsamt seine Emeritierung herbeisehnt. Der Kardinal wird Ende Dezember 2018 sein 75. Lebensjahr vollenden.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: PUCP (Screenshot)
Wenn sich diese Uni wieder päpstlich und katholisch nennen darf, dann weiß ich nicht mehr, was das sein soll, „päpstlich“ und „katholisch“. Mein lieber Herr Gesangverein!