
(Rom) Der Family Day, die für den 30. Januar festgesetzte italienische Manif pour tous-Kundgebung, und die Haltung des Papstes dazu läßt in der Bischofskonferenz die Balken krachen – zwischen dem Vorsitzenden Kardinal Angelo Bagnasco und dem Generalsekretär Bischof Nunzio Galantino. Unterdessen wird in Argentinien noch heute darüber diskutiert, ob Jorge Mario Bergoglio, als Erzbischof von Buenos Aires und Primas von Argentinien, 2010 die Einführung der „Homo-Ehe“ begünstigt hat.
Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz ist automatisch der Papst als Bischof von Rom. Dieser ernennt jedoch stellvertretend sowohl einen delegierten Vorsitzenden als auch den Generalsekretär. Kardinal Bagnasco wurde von Papst Franziskus von seinem Vorgänger übernommen. Bischof Galantino hingegen wurde von ihm eingesetzt und gilt als „Mann des Papstes“. Am ersten Family Day, am 20. Juni 2015, nahm eine Million Menschen teil, um gegen die Einführung der „Homo-Ehe“ und gegen die Gender-Ideologie an den Schulen zu demonstrieren. Nun beginnt im Parlament die Debatte, weshalb mit einem zweiten Family Day den Volksvertretern gesagt werden soll, was die Katholiken und andere Menschen guten Willens nicht wollen.
Streit in der Bischofskonferenz bedeutet Schwächung
Galantino ließ die Bischöfe, die Organisatoren und die Öffentlichkeit wissen, daß es für den Family Day keine Unterstützung durch die Bischofskonferenz geben werde. Er ließ auch inhaltlich erkennen, daß die umstrittenen Gesetzentwürfe für ihn akzeptabel seien, ausgenommen das Adoptionsrecht für Homosexuelle und die Gleichstellung von Homo-Partnerschaften mit der Ehe.
Kardinal Bagnasco hingegen erteilte dem Avvenire, der Tageszeitung der Bischofskonferenz, Weisung, dem Family Day Aufmerksamkeit zu widmen und Sichtbarkeit zu verschaffen. Die Redaktion leistete dem prompt Folge, nachdem zuvor tagelang eisiges Schweigen geherrscht hatte.
Der Vorgang ist heikel, denn offizieller Herausgeber der Tageszeitung ist Generalsekretär Galantino. Die Medien der Bischofskonferenz unterstehen nominell dem Generalsekretariat.
Kardinal Bagnasco telefonierte zudem am 16. Januar mit Kiko Argüello, dem Gründer und Vorsitzenden des Neokatechumenalen Weges, um ihn zur Teilnahme und zur Mobilisierung zu ermutigen. Am 20. Juni waren Tausende Familien des Neokatechumenalen Weges auf die Piazza San Giovanni gekommen.
Argüello reagierte sofort. Er ließ über den Nachrichtendienst Zenit der Legionäre Christi das Telefongespräch mit Kardinal Bagnasco publik machen und gab gleichzeitig seine Unterstützung für den Family Day bekannt.
„Es ist überaus wichtig, daß die italienischen Bischöfe mit uns sind, denn sonst wären wir dort allein exponiert, um uns vorwerfen zu lassen, daß wir ‚homophob‘ seien und solche Sachen. Hinter uns steht die Kirche, die uns unterstützt in dieser Verteidigung der christlichen Familie, der derzeit so wehgetan wird.“
Am vergangenen Sonntag sprach sich Kardinal Bagnasco öffentlich gegen den Gesetzentwurf aus und zwar grundsätzlich und nicht nur selektiv, wie Generalsekretär Galantino. Der Gesetzentwurf sei „von Seiten des Parlaments eine große Ablenkung von den wirklichen Problemen Italiens“. Dabei gab er auch seine Unterstützung für den Family Day bekannt. Die Kundgebung bezeichnete er als „nachvollziehbar“, „vertretbar“ und „absolut notwendig“.
Am 25. Januar, einen Tag bevor das Parlament mit der Debatte über die Einführung der „Homo-Ehe“ beginnt und fünf Tage vor dem Family Day, beginnt die Wintersession des Ständigen Rats der Bischofskonferenz. „Dabei dürften die Funken fliegen“, so der Vatikanist Sandro Magister.
Generalsekretär Galantino ließ seit seinem Amtsantritt Ende 2013 keine Gelegenheit aus, spüren zu lassen, daß er im direkten Auftrag von Papst Franziskus handle. Es falle nicht schwer, ihm das im konkreten Fall zu glauben, so Magister. Die Abneigung von Papst Franziskus gegen die öffentliche Konfrontation sei bekannt. Vor allem mag er keine Konfrontation mit der politischen Linken, wenn es um Themen wie Lebensrecht, Abtreibung, Euthanasie und Homosexualität geht.
Argentinien und die Einführung der „Homo-Ehe“

In Argentinien hatte Bergoglio 2010 den Anspruch durchgesetzt, als Primas den Kampf gegen die Legalisierung der „Homo-Ehe“ anzuführen. In Wirklichkeit manövrierte er die Katholiken in eine Sackgasse. Er verhinderte einen offenen Widerstand und besiegelte damit die Niederlage der Kirche, noch bevor die Schlacht begonnen hatte. Das ist auch im Vatikan, der Bischofskonferenz und den Organisatoren des Family Day bekannt und bringt alle zusammen in nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Sie müssen einerseits die Fehler von Argentinien vermeiden, um nicht zu enden, wie man in Frankreich geendet ist, aber gleichzeitig Rücksicht auf den Papst nehmen, der den argentinischen Weg wiederholen will, dem aber nicht gut offen widersprochen werden kann. Der Konflikt spielt sich hinter den Kulissen ab, ohne zu sehr an die Öffentlichkeit zu geraten.. Und er findet in der zweiten und dritten Reihe statt, ohne daß jene, die den vom Papst gewollten Kurs für falsch halten, den Papst namentlich nennen können. Als besonders problematisch erweisen sich dabei jene Kirchenvertreter, die den Organisatoren „im Namen des Papstes“ das Leben schwer machen.
Zudem bleibt es ein kaum kalkulierbarer Faktor, wie Papst Franziskus selbst sich verhalten wird. In Argentinien 2010 mischte er sich aktiv ein, um die Katholiken nach Hause zu schicken, die Widerstand gegen die „Homo-Ehe“ leisten wollten. Er ließ aber durchsickern, nicht untätig zu sein, sondern Klausurschwestern, vier Klöster, um ihr Gebet gegen das Gesetz ersucht zu haben. Im Brief bezeichnete er den Teufel als Urheber des Gesetzes.
Das nehmen ihm manche in Argentinien noch übel, weil darin ein Ablenkungsmanöver gesehen wurde, um die Katholiken stillzuhalten. Doch es kam noch schlimmer. Deshalb wird noch heute in Argentinien darüber diskutiert, ob die „Homo-Ehe“ letztlich 2010 nicht auch Dank des Verhaltens von Kardinal Bergoglio eingeführt werden konnte.
Was geschah 2010 wirklich in Argentinien?

„Glaubwürdige katholische Quellen aus Buenos Aires haben uns in den vergangenen Tagen weitere Informationen zur Angelegenheit geliefert“, schreibt der Vatikanist Sandro Magister.
„Der Brief von Bergoglio an die Karmelitinnen, der bis dahin streng geheim war, wurde plötzlich am 8. Juli 2010 publik gemacht, aber nicht durch den offiziellen Nachrichtendienst AICA der Argentinischen Bischofskonferenz, sondern auf der Internetseite des Erzbistums Buenos Aires, offenkundig von dessen Erzbischof so gewollt.
Das war eine Bombe. Der Brief wurde von allen Medien übernommen und auch AICA mußte ihn schließlich veröffentlichen. Tagelang wurde in Argentinien über nichts anderes gesprochen, in und außerhalb des Parlaments, wo die Unterstützer des Gesetzes leichtes Spiel hatten, sich über die von Bergoglio gebrauchte Wortwahl über den Teufel und gegen sie lustig zu machen.
Der eifrigste Verfechter des Gesetzes, der Kirchnerista Miguel Pichetto, ließ seinem Hohn freien Lauf, daß ‚ein so intelligenter Mann wie der Kardinal‘ sich so äußern könne. Staatspräsidentin Cristina Kirchner sagte, geschockt zu sein, über ‚diese Rückkehr ins Mittelalter‘.“
Bergoglio hatte von den Katholiken Stillhalten verlangt, weil er sich um die Sache kümmern werde. Damit gaben sich keineswegs alle zufrieden. Bis zum 8. Juli 2010 fanden in Argentinien zahlreiche Massenkundgebungen gegen den Gesetzentwurf statt. Die Menschen gingen in so großer Zahl auf die Straße, daß sich Präsidentin Kirchner keineswegs mehr sicher sein konnte, im Parlament eine Mehrheit für den Gesetzentwurf zu finden. Die Stimmung hatte sich gegen sie gewendet.
Dann gab Bergoglio aber, mit der Veröffentlichung seines Briefes an die vier Klöster, die katholische Ablehnung der „Homo-Ehe“ der Lächerlichkeit preis. Kirchner triumphierte.
Mit der Veröffentlichung von Bergoglios-Brief „änderte sich alles“
„Mit dem Tag der Veröffentlichung des Briefes“, so Magister, „änderte sich alles. Der Konflikt polarisierte sich nun zwischen dem Obskurantismus der Kirche und der Aufklärung des Fortschritts.“ So jedenfalls stellten es die Befürworter des Gesetzentwurfes dar, für die der Brief zum Befreiungsschlag wurde und ihnen die Oberhand zurückgab. Am 15. Juli 2010 wurde die „Homo-Ehe“ mit nur drei Stimmen Mehrheit eingeführt.
„In der Tat herrschte damals unter vielen Katholiken, die sich für die Verteidigung der Familie engagierten, ein Unbehagen über die von Bergoglio im Brief gebrauchten Worte, der sich in der Öffentlichkeit immer so zurückhaltend und kontrolliert ausgedrückt hatte.
Und auch heute, wie damals, fragen sich viele, ob die Veröffentlichung dieses Briefes nicht eine kontraproduktive Wirkung hatte und damit die Annahme des Gesetzes begünstigte.“
Magister fügt über seine Quellen hinzu: „Die katholischen, argentinischen Quellen haben uns gebeten, ihre Identität nicht preiszugeben“, denn ‚„wenn es jetzt in Rom ein neues kirchliches Establishment gibt, das es gefährlich sein läßt“, sei zu bedenken, daß „wir hier in Buenos Aires schon lange damit leben“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/Settimo Cielo/anw (Screenshot)