(Rom/Buenos Aires) Der gestrige Montag brachte zwei berichtenswerte Ereignisse in Rom. Einmal wie Papst Franziskus einen ehemaligen Kritiker in Argentinien „versenkte“. Zum anderen wie der argentinische Papst der Italienischen Bischofskonferenz mehr Spielraum als jeder andere Papst ankündigte, sie in Wirklichkeit aber an einer kürzeren Leine hält als jeder Vorgänger.
Am Montag nachmittag eröffnete Papst Franziskus die Frühjahrsgeneralversammlung der Italienischen Bischofskonferenz mit einer Rede. Dergleichen hatte es noch nicht gegeben. Der Papst ist als Bischof von Rom seit Bildung der Bischofskonferenz automatisch ihr Vorsitzender. Alle Päpste ließen sich bisher jedoch von einem von ihnen ernannten Delegaten vertreten, griffen aber nie offensichtlich durch ihre Anwesenheit in die Arbeiten der Bischofskonferenz ein. Mit der Wahl von Papst Franziskus schien alles ganz anders zu werden.
Papst Franziskus greift mehr in Bischofskonferenz ein als jeder Papst zuvor
Überraschend kündigte der argentinische Papst an, auf den nominellen Vorsitz zu verzichten und bot den Bischöfen an, den Vorsitzenden künftig wie alle anderen Bischofskonferenzen (ausgenommen Belgien) selbst aus ihren Reihen zu wählen. Seither griff Papst Franziskus aber mehr und massiver in die Italienische Bischofskonferenz ein als jeder andere Papst vor ihm. Der noch von Benedikt XVI. ernannte Vorsitzende, Erzbischof Angelo Kardinal Bagnasco von Genua ist zwar weiterhin im Amt, Papst Franziskus ernannte jedoch einen Stellvertreter und einen neuen Generalsekretär. Beide Ämter wurden bisher auf Vorschlag des vorsitzenden Delegaten besetzt. Bagnasco erfuhr in beiden Fällen erst nachträglich von den Personalentscheidungen des Papstes, die seiner Entmachtung gleichkamen.
„Nur lakonisch“, so der Vatikanist Sandro Magister, wurde vom Heiligen Stuhl mit einer knappen Presseerklärung eine andere Personalie mitgeteilt. „Der Heilige Vater Franziskus hat S.Ex. Msgr. José Luis Mollaghan, bisher Metropolitanerzbischof von Rosario (Argentinien) zum Mitglied der bei der Glaubenskongregation zu errichtenden Berufungskommission für Kleriker wegen delicta graviora ernannt.“
Strafaktion gegen Erzbischof Mollaghan von Rosario
Rosario ist ein Erzbistum mit zwei Millionen Einwohnern. „Erzbischof Mollaghan, 68 Jahre, war sicher noch nicht am Ende seiner Karriere angelangt“, so Magister. Die brüske Entfernung aus Argentinien, seine Berufung nach Rom unter die direkte Kontrolle des Papstes und seine Verbannung in ein noch nicht einmal existierendes kuriales Phantom-Amt, das erst errichtet werden soll, sagt alles darüber aus, daß der Schlag definitiv ist“, so der Vatikanist.
Um den Grund für diese Strafmaßnahme von Papst Franziskus gegen einen der namhaftesten argentinischen Bischöfe zu verstehen, empfiehlt Magister in der „genauesten und glaubwürdigsten“, der bisher vorliegenden Papst-Biographien nachzuschlagen, im Buch „Franziskus, Leben und Revolution“ der argentinischen Journalistin Elisabetta Piqué.
Kritik an Bergoglio: zu nachgiebig gegenüber Politik, zu gewagte pastorale Gesten, zu wenig Verteidigung der Glaubenslehre
Im Kapitel, das Piqué den Gegnern Bergoglios in Argentinien widmet, findet sich Erzbischof Mollaghan zusammen mit Erzbischof Hector Aguer von La Plata und dem Apostolischen Nuntius Adriano Bernardini an erster Stelle. Mollagahan, aber nicht nur er, warf dem damaligen Erzbischof von Buenos Aires vor, die katholische Glaubenslehre nicht zu verteidigen, zu gewagte, überzogene oder unangemessene pastorale Gesten zu setzen und gegenüber der Regierung zu nachgiebig zu sein.
Ansprechpartner für die Kritiker Bergoglios in Rom seien der aus Argentinien stammende Kurienkardinal Leonardo Sandri und der ehemalige argentinische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Esteban „Cacho“ Caselli gewesen, der nach wie vor als Edelmann Seiner Heiligkeit im Päpstlichen Jahrbuch aufscheint.
Bischofsernennungen vorbei an Erzbischof Bergoglio
Der Widerspruch gegen die Linie des Erzbischofs von Buenos Aires habe, so Piqué, 2005/2006 ihren Höhepunkt erreicht, als Nuntius Bernardini die Ernennung mehrerer Bischöfe „konservativer Prägung“ erreichte. Unter diesen befand sich auch der neue Erzbischof von Rosario, José Luis Mollaghan und jener von Resistencia, Fabriciano Sigampa. Die Ernennungen lösten, laut Piqué, unter progressiveren Bischöfen Unruhe und Unmut aus. Weder Mollaghan noch Sigampa waren von anderen argentinischen Bischöfen für diese Bischofssitze genannt worden, so die Journalistin von La Nacion.
Die argentinische Internetseite Pagina Catolica wird noch etwas deutlicher. Die Ernennung von Erzbischof Mollaghan sei unter Umgehung des Dreiervorschlags von Erzbischof Bergoglio erfolgt, der als Erzbischof von Buenos Aires eine intensive Personalpolitik bei Bischofsernennungen betrieben habe. Während Bergoglio den von Rom abgemahnten galicischen Theologen Andrés Torres Queiruga, dem die Glaubenskongregation vorwarf, „implizit“ die Auferstehung Jesu Christi zu leugnen, 2012 weiterhin ungehindert in seiner Diözese sprechen ließ, verhängte Mallaghan für seine Diözese ein Auftrittsverbot in katholischen Einrichtungen.
Erzbischof Sigampa ist seit Februar 2013 emeritiert. Wie unter Benedikt XVI. üblich blieb der Erzbischof bis zur Vollendung des 77. Lebensjahres im Amt. Am 26. Februar 2013 nahm der zwei Tage später selbst zurücktretende deutsche Papst, den Amtsverzicht Sigampas an. Erzbischof Mollaghan wurde nun von Papst Franziskus „getroffen und versenkt“, so Magister. Nur Erzbischof Aguer von La Plata befindet sich noch an seinem Platz. „Aber auch sein Schicksal scheint gezeichnet“, so zumindest der Vatikanist Magister.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Settimo Cielo